Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine zwingende Einbeziehung von Nichtunternehmern in eine umsatzsteuerliche Organschaft. Unternehmereigenschaft bei Erhalt von Kostenerstattungen als Entgelt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Aus Art. 11 MwStSystRL erwächst keine Verpflichtung für die Mitgliedsstaaten, Nichtunternehmer in eine umsatzsteuerliche Organschaft (zwingend) einzubeziehen.

2. Die Regelung in § 2 Abs. 2 UStG ist dahingehend zu verstehen, dass der deutsche Gesetzgeber durch die Beschränkung der umsatzsteuerlichen Organschaft auf Unternehmer i. S. d. UStG eine Maßnahme getroffen hat, die der Steuerhinterziehung bzw. Steuerumgehung vorbeugen soll.

3. Der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft steht nicht entgegen, dass keine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt. Eine solche ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 3 UStG nicht erforderlich. Für die Unternehmereigenschaft reicht es nämlich aus, dass eine Einnahmenerzielungsabsicht vorliegt.

4.Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne ist auch, wer im Ergebnis lediglich die entstandenen Kosten zuzüglich eines Aufschlags für Gemeinkosten als Entgelt erhält.

 

Normenkette

UStG § 2 Abs. 2, 1 S. 3; EGRL 112/2006 Art. 11

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 02.12.2015; Aktenzeichen V R 67/14)

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. Der Beigeladenen werden Kosten weder auferlegt noch erstattet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Leistungen der Klägerin der Umsatzsteuer unterliegen.

Die Klägerin ist eine mit Vertrag vom … gegründete GmbH, deren alleinige Gesellschafterin V (die Beigeladene) ist. Geschäftsführer der Klägerin war seit Gründung … (B), welcher in den Streitjahren auch stellvertretender Geschäftsführer der Beigeladenen, seit 1. September 2011 auch deren Geschäftsführer ist (Bl. 108 ff.). Die V ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die gemäß § 75 Abs. 1 S. 1 SGB V die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen hat. Hiervon umfasst ist auch die Zurverfügungstellung von Notdiensten, die in Bereitschaftsdienstpraxen (BDP) erfolgt. Die ärztlichen Tätigkeiten erfolgen hierbei durch Ärzte, die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig werden und ihre Vergütungen selbst abrechnen. Die V ist hoheitlich tätig.

Im Jahr 2006 hat V den Notdienst teilweise umstrukturiert. In diesem Zusammenhang wurde die Klägerin gegründet. Gegenstand der Klägerin ist die Erfüllung von Aufgaben, die V im Rahmen des nach dem SGB V festgelegten Umfangs sicherzustellen hat. Zu den Aufgaben der Klägerin gehört insbesondere die Beratung und Unterstützung von Mitgliedern der V und über die Mitgliedschaft der Ärzte organisatorisch verbundener Einrichtungen bei Abschluss, Durchführung und Abwicklung von Verträgen mit Krankenkassen oder ihren Verbänden im Sinne des SGB V. Die Klägerin unterhält kein eigenes Büro und hat keine eigenen Mitarbeiter für die Verwaltung. Tatsächlich beschränkt sich ihre Aufgabe im Wesentlichen darauf, das nicht-ärztliche Personal (medizinische Fachangestellte bzw. Arzthelfer) einzustellen und der V für deren Verwendung in den BDP zu überlassen (Bl. 44, 45). Die Arbeiten des überlassenen Personals liegen vornehmlich in der Abwicklung der organisatorischen Aufgaben in den BDP, wobei auch untergeordnete Heilbehandlungsmaßnahmen ausgeführt werden.

Die der Klägerin entstehenden Aufwendungen für Löhne und Sozialversicherungsbeiträge werden der V weiter berechnet, die die Kosten auf die einzelnen BDP umlegt. Ihre Gemeinkosten deckt die Klägerin durch eine Entgelterhebung von … EUR je überlassenem Arbeitnehmer und Monat ab. Die Erstattung erfolgt durch die V.

Nachdem die Klägerin für die Streitjahre keine Steuererklärungen eingereicht hatte, schätzte der Beklagte – nach vorangegangenem Schriftverkehr mit der Klägerin über die umsatzsteuerliche Behandlung – die Umsätze zu 19 % auf Grundlage der eingereichten Gewinnermittlungen auf … EUR (2008) und … EUR (2009) und setzte die Umsatzsteuer mit Umsatzsteuerbescheiden vom … 2010 entsprechend fest (Bl. 4 ff.). Hierbei berücksichtigte der Beklagte Vorsteuer (2008: … EUR, 2009: … EUR) aus den in den eingereichten Gewinnermittlungen erkennbaren Positionen „Porto” und „Rechts- und Beratungskosten”. Die Einsprüche gegen die Umsatzsteuerbescheide wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom … 2012 (Bl. 10 ff.) als unbegründet zurück.

Am 27. Dezember 2012 hat die Klägerin Klage erhoben (Bl. B). Sie beantragt sinngemäß (Bl. 44),

die Umsatzsteuerbescheide für 2008 und 2009 vom … 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2012 aufzuheben.

Die Bescheide seien rechtswidrig. Die Leistungen der Klägerin unterlägen aus mehreren Gründen nicht der Umsatzsteuer.

Zunächst sei die Klägerin keine Unternehmerin im Sinne von § 2 UStG, denn sie übe keine unternehmerische Tätigkeit aus. Sie werde nur gegenüber der V und nur gegen Kostenerstattung tätig. Sie erziele auf Dauer gesehen keine Umsatzüberschüsse, was aber für die Unte...

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