Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von Fahrt- und Unfallskosten als Werbungskosten bei nichtselbstständiger Arbeit bei doppelter Haushaltsführung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Legt der Arbeitnehmer den Hin- und Rückweg von der Arbeitsstätte zur Wohnung aus privaten Gründen an unterschiedlichen Tagen zurück, kann die Entfernungspauschale für jeden Tag nur zur Hälfte geltend gemacht werden.

2. Die Kosten eines Autounfalls, den der Steuerpflichtige mit dem Pkw seiner Lebensgefährtin auf dem Weg von seinem Zweitwohnsitz an der Arbeitsstätte zu seinem ersten Wohnsitz an seinem Lebensmittelpunkt verursacht, sind Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit.

 

Normenkette

EStG 2009 § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 11.07.2016; Aktenzeichen VI R 76/14)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 16. Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Oktober 2011 wird dahingehend geändert, dass das zu versteuernde Einkommen von 34.893 EUR auf 26.299 EUR vermindert wird. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger (Kl) ist in der Nähe von A bei B aufgewachsen.

In A unterhält der Kl im Hause seines Bruders eine eigenständige, ca. 45 qm große Wohnung, die von ihm mit eigenen Möbeln ausgestattet wurde. Dort hatte der Kl auch seinen Erstwohnsitz gemeldet. Wegen der näheren Einzelheiten diese Wohnung betreffend wird auf die Prüfungsfeststellungen zur betriebsnahen Veranlagung 2004 des Finanzamts B im Bericht vom 19. Juli 2005 Bezug genommen (Bl. 30 bis 32 der Rechtsbehelfsakten des Beklagten – Bekl –).

Seit 01. Februar 2003 ist der Kl beim Krankenhaus in X als Krankenpfleger beschäftigt. Zunächst bewohnte er ein Ein-Zimmer-Appartement in einem Wohnheim in Y mit einer monatlichen Miete in Höhe von 260 EUR.

Etwa 2005 hat er Frau Z kennengelernt. Diese war damals noch verheiratet und wurde etwa ein Jahr später geschieden. Sie bot dem Kl im Jahr 2006 an, dass er bei ihr wohnen könne. Die von ihr damals angemietete Dreieinhalbzimmerwohnung besteht aus einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer, Dusche/Bad sowie einem weiteren Zimmer, das ihre Tochter bewohnte.

In seiner Einkommensteuer(ESt)-Erklärung für das Streitjahr machte der Kl bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit folgende Werbungskosten geltend:

„Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte

46 Tage × 155 km =

2.139 EUR

Arbeitsmittel pauschal

103 EUR

Kontoführungsgebühren pauschal

16 EUR

außergewöhnliche Fahrzeugkosten

8.000 EUR

Insgesamt

10.256 EUR”

Nach Rückfragen durch den Bekl führte der Kl aus, die Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien Aufwendungen, die ihm für Fahrten X – A -X mit seinem privaten PKW entstanden seien. Die außergewöhnlichen Fahrzeugkosten stellten Aufwendungen infolge eines Unfalls dar. Dieser Unfall habe sich am Sonntag, den 10. Mai 2009, ereignet. Den Unfall habe er verursacht. Seine Freundin (Frau Z) sei als Beifahrerin in dem ihr gehörenden PKW dabei gewesen. Die Reparaturkosten hätten sich auf 8.000 EUR belaufen. Er fahre seit 2003 regelmäßig an allen freien Tagen zu seinem Wohnsitz in A. Dies belege seine jährliche Fahrleistung von über 20.000 km im Jahr.

Er habe einen engen Bezug zu seinen Eltern und besonders zu seinem Bruder, in dessen Haus er wohne. Da sein Bruder seit mehreren Jahren psychisch krank sei und daraus seine Arbeitslosigkeit resultiere, sei es unabdingbar, dass er so oft wie möglich bei ihm sei. Leider zeige sein Bruder keine Krankheitseinsicht, so dass auch keine ärztliche Behandlung möglich sei. Darum sei ihm ein Betreuer zur Seite gestellt worden. Weiterhin habe er seinen Freundeskreis ausschließlich in B, was ihm sehr wichtig sei. Wegen weiterer Einzelheiten des Vortrags des Kl wird auf sein Schreiben vom 21. Januar 2011 an den Bekl Bezug genommen (Bl. 16 und 17 der Rechtsbehelfsakten des Bekl).

Mit weiterem Schreiben vom 07. März 2011 an den Bekl (Bl. 26 und 27 der Rechtsbehelfsakten des Bekl) teilte der Kl mit, dass das Lebensmodell seiner Lebensgefährtin und von ihm gerade darin bestehe, dass jeder seinen eigenen Hausstand führe damit keine wirtschaftliche Gemeinschaft oder gar Abhängigkeit entstehe. Sie hätten schon immer jeder eine eigene Woh...

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