Leitsatz

1. Hat das FA einen Haftungsbescheid erlassen, darf das FG diesen Bescheid nicht aufheben und stattdessen einen (niedrigeren) Nachforderungsbetrag festsetzen.

2. Das Wahlrecht des Arbeitgebers, die Lohnsteuer für geldwerte Vorteile bei Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG zu pauschalieren, wird nicht durch einen Antrag, sondern durch Anmeldung der mit einem Pauschsteuersatz erhobenen Lohnsteuer ausgeübt.

3. Ein dahingehender Antrag, der im finanzgerichtlichen Verfahren gestellt wird, ist unbeachtlich.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 38 Abs. 3 Satz 1, § 40 Abs. 1, § 40 Abs. 2 Satz 2, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Streitfall kam erneut zum BFH. Der Ausgangssachverhalt ergibt sich im Einzelnen aus der Anmerkung zum ersten Urteil (BFH, Urteil vom 14.11.2012, VI R 56/11BFH/NV 2013, 628, BFH/PR 2013, 150). Streitig war dort letztlich, ob vergünstigte Jobtickets einen üblichen und daher nicht steuerbaren Mengenrabatt oder einen darüber hinaus gehenden vom Arbeitgeber verschafften und damit insoweit lohnsteuerpflichtigen besonderen Arbeitnehmerrabatt umfassten. Im zweiten Rechtsgang hatten sich die Beteiligten auf die Höhe des Vorteils (210.000 EUR) verständigt. Daraufhin erklärte aber die gegen den Haftungsbescheid klagende Arbeitgeberin K gegenüber dem FG, den Vorteil nun nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG pauschalieren zu wollen. Dennoch wies das FG die Klage ab (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014, 4 K 1182/13, Haufe-Index 7446022, EFG 2015, 134).

 

Entscheidung

Wie in den Praxis-Hinweisen erläutert, stand § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG K’s Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin nicht entgegen.

 

Hinweis

Die Haftungsvoraussetzungen des § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG lagen unstreitig vor, weil K keine LSt für die verbilligt erworbenen Jobtickets einbehalten hatte. Aus der Einigung zwischen K und dem FA folgte, dass K ihren Arbeitnehmern einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Gesamtvorteil von 210.000 EUR eingeräumt hatte. Angesichts dessen ging es hier im zweiten Rechtsgang "nur" noch darum, ob die im FG-Verfahren angekündigte Pauschalierung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG einer Haftung entgegensteht. § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG gestattet für verbilligte Arbeitnehmerbeförderungen in den Grenzen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG die LSt-Pauschalierung (15 %). Das Wahlrecht wird durch die LSt-Anmeldung ausgeübt; ein Antrag an das FA oder eine Genehmigung des FA ist nicht erforderlich (zur LSt-Pauschalierung: BFH, Urteil vom 26.11.2003, VI R 10/99, BFH/NV 2004, 389, BFH/PR 2004, 126). Der Schriftsatz an das FG enthielt hier keine solche Lohnsteueranmeldung. Pauschalieren zu wollen ist eine bloße Absichtserklärung, aber noch keine LSt-Anmeldung und setzt diese auch nicht in Gang. So konnte auch K’s Intention, den Rechtsstreit auszusetzen (§ 74 FGO), nicht entsprochen werden. Das wäre allenfalls ein Verfahrensweg, wenn ein Pauschalierungsverfahren schon abgeschlossen wäre, etwa mittels Pauschalierungsantrag (§ 40 Abs. 1 EStG) oder durch tatsächliche Anmeldung. Im Übrigen könnte ein FG einen Haftungsbescheid nicht durch einen betragsmäßig niedrigeren Nachforderungsbe­scheid ersetzen (dazu: BFH, Urteil vom 16.3.1990, VI R 88/86, BFH/NV 1990, 639).

Beachten Sie: Mangels tatsächlicher Ausübung des Pauschalierungswahlrechts lässt der BFH die Frage, ob das Wahlrecht im Klageverfahren (im Revisionsverfahren ohnehin nicht) überhaupt noch hätte ausgeübt werden können, offen. Er stellt damit seine alte Rechtsprechung auf den Prüfstand, inwieweit ein erstmals im Klageverfahren ausgeübtes Pauschalierungswahlrecht gegen einen Haftungsbescheid geltend gemacht werden kann (BFH, Urteil vom 25.5.1984, VI R 223/80, BFHE 141, 54, BStBl II 1984, 569, BFH/NV 1990, 639). Denn die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids beurteilt sich nach dem Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.9.2015 – VI R 69/14

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