Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerwesen. Mehrwertsteuer. Befugnis der Mitgliedstaaten, auf bestimmte Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden. Begriff ‚Überlassung von Sportanlagen’. Sportstudios. Einzel- oder Gruppenanleitung

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 98 Abs. 2

 

Beteiligte

The Escape Center

The Escape Center BVBA

Belgischer Staat

 

Verfahrensgang

Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen (Belgien) (Beschluss vom 20.05.2021; ABl. EU 2021, Nr. C 338/9)

 

Tenor

Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Verbindung mit deren Anhang III Nr. 14

ist dahin auszulegen, dass

eine Dienstleistung, die in der Überlassung von Sportgeräten eines Sportstudios und in einer Einzel- oder Gruppenanleitung besteht, einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterworfen werden kann, wenn diese Anleitung mit der Nutzung dieser Anlagen verbunden und für die Sportausübung und die Körperertüchtigung erforderlich ist oder wenn es sich bei der Anleitung um eine Nebenleistung zur Überlassung dieser Sportanlagen oder ihrer tatsächlichen Nutzung handelt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen Afdeling Gent (Gericht erster Instanz Ostflandern, Abteilung Gent, Belgien) mit Entscheidung vom 20. Mai 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Mai 2021, in dem Verfahren

The Escape Center BVBA

gegen

Belgische Staat

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Jääskinen sowie der Richter M. Safjan und M. Gavalec (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. M. Collins,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der The Escape Center BVBA, vertreten durch H. Vandebergh, Advocaat,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin, J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und A. Hanje als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Carlin und W. Roels als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 98 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang III Nr. 14 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der The Escape Center BVBA, Betreiberin eines Sportstudios, und dem Belgische Staat (Belgischer Staat), über die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf die Tätigkeiten dieser Gesellschaft.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach Art. 96 der Mehrwertsteuerrichtlinie setzt jeder Mitgliedstaat einen Mehrwertsteuernormalsatz fest, der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist, und wendet ihn an.

Rz. 4

Art. 97 dieser Richtlinie bestimmt, dass der Normalsatz nicht weniger als 15 % betragen darf.

Rz. 5

Art. 98 Abs. 1 und 2 der Richtlinie sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.

(2) Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.

…”

Rz. 6

Anhang III der Mehrwertsteuerrichtlinie enthält das Verzeichnis der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze gemäß Art. 98 der Richtlinie angewandt werden können, und in seiner Nr. 14 heißt es:

„Überlassung von Sportanlagen”.

Belgisches Recht

Rz. 7

Nach Art. 37 § 1 der Wet van 3 juli 1969 tot invoering van het Wetboek van de belasting over de toegevoegde waarde (Gesetz vom 3. Juli 1969 zur Einführung des Mehrwertsteuergesetzbuchs) legt der König die Steuersätze sowie die Einteilung der Gegenstände und der Dienstleistungen nach diesen Steuersätzen unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Regelungen der Europäischen Union fest.

Rz. 8

Art. 1 des Koninklijk besluit nr. 20 van 20 juli 1970 tot vaststelling van de tarieven van de belasting over de toegevoegde waarde en tot indeling van de goederen en diensten bij die tarieven (Königliche Verordnung Nr. 20 vom 20. Juli 1970 zur Festlegung der Mehrwertsteuersätze und zur Einteilung der Gegenstände und Dienstleistungen nach diesen Sätzen) bestimmt, dass der Mehrwertsteuernormalsatz für die im Mehrwertsteuergesetzbuch genannten Gegenstände und Dienstleistungen 21 % beträgt und abweichend hiervon die Steuer zum ermäßigten Steuersatz von 6 % für die in Tabelle A des Anhangs dieser Königlichen Verordnung aufgeführten Gegenstände und Dienstleistungen erhoben wird. Dieser ermäßigte Steuersatz darf jedoch gemäß die...

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