Leitsatz

Bei mehreren Pflichtenverstößen ist fraglich, ob es ermessensfehlerfrei möglich ist, das Verzögerungsgeld insgesamt zu erhöhen, ohne das Ermessen bezüglich der einzelnen Pflichtenverletzung auszuüben.

 

Sachverhalt

Gegen die Beschwerdeführerin wurde ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 EUR festgesetzt. Zur Begründung wurde angeführt, die Steuerpflichtige habe sowohl den Datenzugriff nicht ermöglicht, als auch Unterlagen und Auskünfte der Betriebsprüfung nicht gewährt. Dieses seien 2 Pflichtenverstöße. Da der Mindestsatz des Verzögerungsgeldes 2.500 EUR betrage, seien hier insgesamt 5.000 EUR ohne weitere Ermessenserwägungen festzusetzen. Hiergegen wandte sich die Beschwerdeführerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, da ernstliche Zweifel an der Festsetzung des Verzögerungsgeldes bestünden.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Beschwerde statt , da es ebenfalls ernstliche Zweifel an der Festsetzung des Verzögerungsgeldes hatte. Zwar sei es unstreitig, dass die Beschwerdeführerin die beiden Pflichtenverstöße begangen habe. Hier habe das Finanzamt aber sein Ermessen nicht sachgemäß ausgeübt. Aus dem Gesetz lasse sich nämlich nicht ableiten, dass bei mehreren Pflichtenverstößen eine tatbestandliche Vervielfältigung erfolgen könne. Vielmehr müsse bezüglich jedes Pflichtenverstoßes eine eigenständige Ermessensausübung erfolgen.

 

Hinweis

Das durch das JStG 2009 eingeführte Verzögerungsgeld gemäß § 146 Abs. 2b AO beschäftigt zunehmend die Finanzgerichte, auch der BFH hatte sich bereits in einem ersten Fall mit diesem neuen Sanktionsinstrument der Finanzverwaltung auseinander zu setzen.[1] Mit dieser Entscheidung des BFH sind aber zunächst nur einzelne der offenen Fragen als geklärt anzusehen. Weitere Entscheidungen werden sicherlich folgen. Nicht geklärt hat der BFH dabei die Frage, die hier zur Entscheidung anstand, nämlich ob bei mehreren Pflichtenverstößen eine Vervielfachung des Mindestbetrages von 2.500 EUR in Betracht kommt. Dies lehnte das FG zutreffend ab, da das Entschließungsermessen nicht durch die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO vorgeprägt sei. Mit anderen Worten: das Finanzamt hätte hier eine Gesamtwürdigung aller Pflichtenverstöße im Rahmen der Ermessensausübung vornehmen müssen. Hierbei müsse - so das FG - insbesondere auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung getragen werden. Diese Begründung eröffnet Steuerpflichtigen, gegen die ein Verzögerungsgeld wegen mehrfacher Pflichtenverstöße festgesetzt wird, eine neue Argumentationsmöglichkeit für eine Einspruchsbegründung. In jedem Fall werden sich die Finanzämter bei der Festsetzung der zutreffenden Höhe des Verzögerungsgeldes mehr Mühe geben müssen, um den Vorgaben hinsichtlich einer sachgerechten Ermessensausübung gerecht werden zu können.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Beschluss vom 08.08.2011, 8 V 1281/11

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