Leitsatz

Sucht ein Arbeitnehmer den Firmensitz seines Arbeitgebers nur einmal wöchentlich auf, kann er seine Fahrten dorthin nach Reisekostengrundsätzen mit 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer abziehen, sofern er nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen keiner ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet ist.

 

Sachverhalt

Ein angestellter Vorarbeiter suchte den Firmensitz seines Arbeitgebers im Jahr 2014 circa einmal wöchentlich auf, um dort verschiedenen beruflichen Hilfs- und Nebentätigkeiten nachzugehen (Beladen des Firmenfahrzeugs, Abgeben von Stundenzetteln etc.); anschließend fuhr er von dort seine jeweiligen Baustellen an. An den übrigen Arbeitstagen suchte er die Baustellen direkt von seiner Wohnung aus auf. Sein Arbeitgeber bescheinigte ihm, dass er keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet war.

Im Zuge der Einkommensteuerveranlagung 2014 stufte das Finanzamt den Firmensitz als erste Tätigkeitsstätte des Vorarbeiters ein und berücksichtigte die Fahrten dorthin deshalb nur mit der Entfernungspauschale (statt mit dem günstigeren Reisekostensatz von 0,30 EUR je gefahrenem Kilometer). Das Amt ging davon aus, dass der Vorarbeiter dem Firmensitz durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegungen des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet war. Im Klageverfahren rückte das Amt schließlich von der Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte ab, sah den Firmensitz stattdessen aber als "Sammelpunkt" i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG an, sodass es im Ergebnis am Ansatz der Entfernungspauschale festhielt.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht entschied, dass der Vorarbeiter seine Fahrten zum Firmensitz nach Reisekostengrundsätzen abziehen darf, weil er dort keine erste Tätigkeitsstätte begründet hatte.

Anhand der Arbeitgeberbescheinigung hatte der Vorarbeiter nachgewiesen, dass er keiner Tätigkeitsstätte im Unternehmen zugeordnet war; sein Einsatzort waren die verschiedenen Baustellen. Somit bestand keine dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung i. S. d. § 9 Abs. 4 S. 2 EStG, sodass die erste Tätigkeitsstätte nach den quantitativen Zuordnungskriterien des § 9 Abs. 4 S. 4 EStG zu bestimmen war. Danach ist eine betriebliche Einrichtung nur dann als erste Tätigkeitsstätte anzusehen, wenn der Arbeitnehmer dort entweder dauerhaft typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage bzw. mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll. Diese zeitlichen Kriterien waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Der Firmensitz konnte auch nicht als "Sammelpunkt" i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4a S. 3 EStG angesehen werden, weil der Arbeitnehmer sich dort nicht dauerhaft und typischerweise arbeitstäglich einfinden musste.

 

Hinweis

Auch bei häufigerem Aufsuchen wäre der Firmensitz aufgrund der quantitativen Kriterien nicht zur ersten Tätigkeitsstätte geworden, weil der Vorarbeiter dort nur bloßen Hilfs- und Nebentätigkeiten nachgegangen war. Die Finanzverwaltung berücksichtigt bei der Prüfung der zeitlichen Kriterien jedoch nur die eigentlichen beruflichen (Kern-)Tätigkeiten (vgl. BMF, Schreiben v. 24.10.2014, BStBl 2014 I S. 1412; Rz. 26). Diese wurden im vorliegenden Fall nicht am Firmensitz, sondern auf den jeweiligen Baustellen ausgeübt.

 

Link zur Entscheidung

FG Nürnberg, Urteil vom 08.07.2016, 4 K 1836/15

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