Leitsatz

1. Die auf den Erben entsprechend seiner Erbquote entfallenden Abschlusszahlungen für die vom Erblasser herrührende Einkommensteuer des Todesjahres, einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag, sind als Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig (Änderung der Rechtsprechung).

2. Bei einer Zusammenveranlagung von im selben Jahr verstorbenen Ehegatten sind Abschlusszahlungen für das Todesjahr analog § 270 AO aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeiten beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1, § 10 Abs. 5 Nr. 1, § 11, § 12 Abs. 1 ErbStG, § 12 BewG, § 1922, § 1967 Abs. 2 BGB, § 37 Abs. 2, § 38, § 44, § 45 Abs. 1, § 270 AO, § 2 Abs. 7 Satz 1, § 25 Abs. 1, § 26b, § 36 Abs. 1, § 36 Abs. 4 Satz 1, § 51a Abs. 1 EStG 2004, § 1 Abs. 2 SolzG

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist zu ½ Miterbin ihres am 31. 12.2004 verstorbenen Vaters (V). Ihre Mutter (M) war bereits am 13.11.2004 vorverstorben. Für 2004 waren für V und M, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, Abschlusszahlungen zu entrichten. Das FA setzte gegen die Klägerin Erbschaftsteuer fest und ließ die von ihr als Nachlassverbindlichkeiten geltend gemachte Hälfte der Abschlusszahlungen nicht zum Abzug zu. Die nach erfolglosem ­Einspruch erhobene Klage wies das FG ab (Niedersächsisches FG vom 23.2.2011, 3 K 332/10, Haufe-Index 2692541, EFG 2011, 1342).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück. Er bejahte aus den in den Praxis-Hinweisen gegebenen Erläuterungen die Abzugsfähigkeit der anteilig von der Klägerin geleisteten Abschlusszahlungen, soweit sie V betreffen. Das FG hat noch festzustellen, ob V Alleinerbe der M geworden war.

 

Hinweis

Haben Erblasser noch in ihrem Todesjahr (Einkommen-)Steuerverbindlichkeiten begründet, war deren Abzugsfähigkeit als Nachlassverbindlichkeiten (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) bislang streitig. Verneint man dies, weil diese Steuerschulden erst mit Ablauf des Kalenderjahrs – und damit erst nach dem Todestag (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) – entstehen (so die FinVerw, ErbStR 2011 R E 10.8 Abs. 3 Satz 2), kommt es zu einer Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer.

Der BFH hat nun entschieden, dass Nachlassverbindlichkeiten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG auch die Steuerverbindlichkeiten (Einkommensteuer einschließlich Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) sind, die noch der Erblasser als Steuerpflichtiger durch die Verwirklichung von Steuertatbeständen begründet hat und die – erst – mit Ablauf des Todesjahres entstehen.

1. Für die Abzugsfähigkeit dieser Steuerschulden spricht schon deren zivilrechtliche Behandlung als Erblasserschulden i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB. Weil der Erblasser die Steuertatbestände noch in eigener Person verwirklicht hat, handelt es sich um von ihm "herrührende" Schulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Wegen des für das ErbStG geltenden Bereicherungsprinzips muss eine rechtliche Verpflichtung im Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) noch nicht bestanden haben; die weitergehende bisherige Rechtsprechung hat der BFH nunmehr eingeschränkt. Das gilt allerdings nur, wenn die fraglichen Steuerverbindlichkeiten eine wirtschaftliche Belastung des Erben darstellen, also – was regelmäßig der Fall sein wird – auch tatsächlich vom Erben zu zahlen sind. Das erbschaftsteuerrechtliche Stichtagsprinzip (§§ 9 und 11 ErbStG) steht dem nicht entgegen, weil die künftige Belastung des Erben (als Rechtsnachfolger des Erblassers) kraft Gesetzes mit Ablauf des Todesjahrs eintreten wird.

2. In Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten, die im selben Jahr verstorben sind, sind Abschlusszahlungen für das Todesjahr analog § 270 AO aufzuteilen und als Nachlassverbindlichkeiten beim jeweiligen Erwerb von Todes wegen abzugsfähig. Die Steuerschuld, die auf das Todesjahr des zuerst verstorbenen Ehegatten entfällt, mindert auch die Bereicherung des Erben des zweitverstorbenen Ehegatten.

3. Einen gewissen Widerspruch zu den vorstehenden Grundsätzen mag man darin sehen, dass der BFH (Urteil vom 16.1.2008, II R 30/06, BFH/NV 2008, 875, BStBl II 2008, 626, BFH/PR 2008, 215) und nunmehr auch der Gesetzgeber (vgl. § 10 Abs. 1 S. 3 ErbStG) das Todesjahr des Erblassers betreffende Einkommensteuererstattungsansprüche nicht in den steuerpflichtigen Erwerb einbezieht. Diese unterschiedliche Behandlung soll allerdings durch die jeweiligen Gesetzesregelungen (§ 10 Abs. 1 ErbStG einerseits, § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG andererseits) gerechtfertigt sein.

4. Für die Praxis ist noch darauf hinzuweisen, dass Einkommensteuerschulden aus Veranlagungszeiträumen, die vor dem Todesjahr des Erblassers endeten, stets als Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähig sind (ErbStR 2011 R E 10. 8 Abs. 2).

Für verbleibende Fallgestaltungen hat der BFH in seinem Urteil vom 17.2.2010, II R 23/09, BFH/NV 2010, 1361, BStBl II 2010, 641, BFH/PR 2010, 311) einen Abzug der auf geerbten Forderungen la...

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