Leitsatz

1. Hat ein Geschäftsführer einer GmbH namens der GmbH die Änderung eines ihr gegenüber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Steuerbescheids beantragt, ist er im Verfahren wegen Haftung für gegenüber der GmbH festgesetzte Steuer nicht mit Einwendungen gegen die Richtigkeit der Steuerfestsetzung ausgeschlossen, solange der Vorbehalt wirksam ist.

2. Vereinbaren Vertragsparteien rechtsirrtümlich die Gegenleistung ohne Umsatzsteuer, ist der vereinbarte Betrag in Entgelt und darauf entfallende Umsatzsteuer aufzuteilen.

 

Normenkette

§ 34, § 35, § 69, § 164, § 166, § 169, § 171 Abs. 3, § 191 AO, § 6a, § 10 Abs. 1, § 18 Abs. 4 UStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin war (alleinige) Geschäftsführerin der A GmbH (GmbH). Da die GmbH keine Steuererklärungen abgegeben hatte, schätzte das FA die Besteuerungsgrundlagen und setzte – unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – die Umsatzsteuer der GmbH für das Jahr 2002 und Zinsen hierzu fest.

Der von der Klägerin namens der GmbH gestellte Antrag, die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2002 gemäß § 164 AO zu ändern und die steuerpflichtigen Umsätze zu mindern, wurde vom FA nicht beschieden.

Die GmbH leistete auf die Festsetzung keine Zahlung. Das FA pfändete das betriebliche Konto und beantragte beim Amtsgericht X die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH, die anschließend im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde.

Mit Haftungsbescheid nahm das FA die Klägerin gemäß § 191 AO i.V.m. §§ 34, 35, 69 AO für Umsatzsteuer 2002 nebst Säumniszuschlägen und Zinsen in Anspruch.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG entschied, die Klägerin könne mit ihrem Einwand, die Umsatzsteuer 2002 sei in großem Umfang zu Unrecht gegenüber der GmbH festgesetzt worden, im vorliegenden Verfahren gemäß § 166 AO nicht gehört werden. Abgesehen davon sei die geltend gemachte Steuerfreiheit der innergemeinschaft­lichen Lieferung nicht nachgewiesen (FG Köln, ­Urteil vom 13.10.2011, 13 K 4121/07, Haufe-Index 2864727, EFG 2012, 195).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin war im Wesentlichen unbegründet.

Das FG hatte allerdings zu Unrecht die Klägerin mit ihren Einwendungen gegen die der Haftungsschuld zugrunde liegende Steuerschuld ausgeschlossen: Ist die Steuer dem Steuerpflichtigen (hier: die GmbH) gegenüber unanfechtbar festgesetzt, so hat dies zwar nach § 166 AO auch derjenige gegen sich gelten zu lassen, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten (hier: die Klägerin). Diese Drittwirkung der Steuerfestsetzung nach Unanfechtbarkeit (formeller Bestandskraft) gemäß § 166 AO trat im Streitfall aber nicht ein, weil die Klägerin noch in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der GmbH die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2002 gemäß § 164 Abs. 2 Satz 2 AO beantragt hatte und über diesen Antrag bislang nicht entschieden wurde. Mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen ist und der Vorbehalt der Nachprüfung noch besteht (§ 164 Abs. 4 Satz 1, § 169, § 171 Abs. 3 AO).

Dies half der Klägerin letztlich aber nur wenig, weil ihre materiellen Einwendungen nur in geringem Umfang (s. Leitsatz 2) erfolgreich waren.

 

Hinweis

Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet, kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 191 Abs. 1 Satz 1 AO).

Nach § 69 i.V.m. §§ 34, 35 AO haften die Geschäftsführer einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.4.2015 – XI R 43/11

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