Leitsatz

Verzichtet ein Gesellschafter einer GmbH auf ein ihm persönlich zustehendes Mehrstimmrecht, liegt darin auch dann keine freigebige Zuwendung an die anderen Gesellschafter der GmbH, wenn sich der Wert von deren Anteilen an der GmbH dadurch erhöht.

 

Normenkette

§ 7 Abs. 1 Nr. 1; § 7 Abs. 8 ErbStG, § 9 BewG

 

Sachverhalt

Der Vater (V) der Kläger gründete mit D eine GmbH. Die von V gehaltenen Geschäftsanteile sollten unabhängig von ihrem Nennbetrag mindestens 51 % der Gesamtstimmenzahl ausmachen. 1994 übertrug V den Klägern unentgeltlich je 24 % der GmbH-Geschäftsanteile; bei der insoweit festgesetzten Schenkungsteuer wurde der gemeine Wert der Anteile (gem. R 101 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 8 ErbStR) um einen Abschlag von 10 % gekürzt. Im Oktober 2000 erwarben die Kläger weitere Geschäftsanteile der GmbH hinzu, sodass sie nunmehr jeweils zu 25 % an deren Stammkapital beteiligt waren. Im Dezember 2000 wurde das Stammkapital der GmbH erhöht; durch entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrags entfiel das Mehrstimmrecht des V.

Das FA beurteilte den Verzicht des V auf das Mehrstimmrecht als freigebige Zuwendung des V an die Kläger und setzte gegen diese Schenkungsteuer fest. Das FG gab der Klage statt, weil es für den Verzicht auf das Mehrstimmrecht an einer substanziellen Vermögensübertragung zwischen V und den Klägern fehle (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.5.2011, 7 K 1475/09, Haufe-Index 2726760, EFG 2011, 2178).

 

Entscheidung

Dieser Beurteilung ist der BFH, wie in den Praxis-Hinweisen erläutert, gefolgt.

 

Hinweis

Die Frage, ob und ggf unter welchen Voraussetzungen der Verzicht eines Gesellschafters auf ein ihm zustehendes Mehrstimmrecht der Schenkungsteuer unterliegt, berührt Grundfragen des Schenkungsteuertatbestands (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

1. Kennzeichnend für eine Schenkung ist eine Vermögensverschiebung, also die Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten. Erforderlich ist der Übergang von Sachsubstanz. Die bloße Werterhöhung von Gesellschaftsanteilen, wie sie als Folge von Leistungen an die Kapitalgesellschaft bzw. sonstigen Maßnahmen eines Gesellschafters eintritt, begründet nach ständiger BFH-Rechtsprechung noch keine Schenkung.

2. Dieses zentrale Erfordernis des Schenkungsteuertatbestands wird für Zuwendungen im Bereich der Kapitalgesellschaften nunmehr auch vom Gesetzgeber durch den neuen Steuertatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG anerkannt. Aufgrund dieser – höchst umstrittenen – Vorschrift sollen (überquotale) "Leistungen" an die Kapitalgesellschaft im Hinblick auf dadurch bewirkte Werterhöhungen der Gesellschaftsanteile der Schenkungsteuer unterliegen.

Auf den vom BFH zu entscheidenden Fall war § 7 Abs. 8 ErbStG allerdings schon deshalb nicht anwendbar, weil diese Vorschrift erst auf Erwerbe anwendbar ist, für die Steuer nach dem 13.12.2011 entstanden ist. Außerdem kann der Verzicht auf ein Mehrstimmrecht ohnehin keine "Leistung" i.S.d. § 7 Abs. 8 ErbStG sein, weil die Kapitalgesellschaft insoweit nicht Empfänger einer solchen Leistung, sondern bloßes Objekt einer Leistungsbeziehung zwischen den Gesellschaftern ist.

3. Im Blick auf § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Verzicht eines GmbH-Gesellschafters auf ein Mehrstimmrecht schon mangels Übergang von Sachsubs­tanz nicht der Schenkungsteuer. Die durch den Verzicht bewirkte Verminderung des Werts des Vermögens (Gesellschaftsanteils) des "Schenkers" reicht für eine freigebige Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht aus. Ohnehin kann der Verzicht auf ein Mehrstimmrecht nicht zu einer Wertänderung der Gesellschaftsbeteiligungen führen: Das allein einem Gesellschafter persönlich zustehende Mehrstimmrecht muss bei der Bestimmung des gemeinen Werts als persönliches Verhältnis i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG unberücksichtigt bleiben.

4. Nicht abschließend entschieden ist aber über Fallgestaltungen, in denen der Verzicht auf ein Mehrstimmrecht bereits kurz nach Übertragung von Gesellschaftsanteilen erfolgt. Hier dürfte – jedenfalls im Regelfall – wegen der dadurch erzielten Bewertungsvorteile eine schenkungsteuerrechtlich ungünstigere Behandlung geboten sein.

5. Die Praxis sei darauf hingewiesen, dass für freigebige Zuwendungen im Bereich der Personengesellschaften andere Grundsätze gelten. Hier kann die Werterhöhung des Anteils an der Personengesellschaft durchaus eine (mittelbare) Schenkung sein. Der Grund hierfür liegt im Gesamthandsprinzip: Zuführungen in das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft wirken sich im gesamthänderischen Vermögen der Gesellschafter und damit im Wert ihres Gesellschaftsanteils aus, weil (anders als bei Kapitalgesellschaften) bei einer Personengesellschaft das Gesamthandsvermögen den Gesamthändern (Gesellschaftern) und nicht der Gesellschaft zusteht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.1.2013 – II R 38/11

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