Leitsatz

Ist eine staatliche Industriebeteiligungsgesellschaft mehrheitlich an einem kleinen oder mittleren Unternehmen beteiligt, hat für Zwecke der Gewährung einer erhöhten Investitionszulage keine Addition der Mitarbeiterzahlen und finanziellen Schwellenwerte der beiden Gesellschaften zu erfolgen, wenn sich die Industriebeteiligungsgesellschaft auf ihre Funktion als Risikokapitalgeber beschränkt und keinen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss auf die Geschäftsführung des beherrschten Unternehmens ausübt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine in der Elektrozulieferindustrie tätige Aktiengesellschaft. Sie wurde von der Thüringer Industriebeteiligungs-GmbH & Co. KG (TIB) errichtet. Im Rahmen einer Sachkapitalerhöhung beteiligte sich ein weiterer Gesellschafter zu anfänglich 66 %. Da die AG anfänglich existenzielle Verluste erzielte, die der Hauptbeteiligte nicht tragen konnte, wurden von der TIB mehrfach Kapitalerhöhungen vorgenommen. In der Folge erhöhte sich die Beteiligung der TIB auf 73 %. Für verschiedene unstreitig begünstigte Investitionen hat die Klägerin eine Investitionszulage beantragt. Sie begehrte dabei die erhöhte Investitionszulage für kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Das Finanzamt lehnte dies ab, da die Klägerin aufgrund der mehrheitlichen Beteiligung der TIB ein verbundenes Unternehmen darstelle und daher nicht als begünstigtes KMU angesehen werden könne. Hiergegen richtet sich die Klage.

 

Entscheidung

Das Gericht gab der Klage statt und sprach der Klägerin den für Zwecke der erhöhten Investitionszulage erforderlichen Status eines KMU zu. Für sich genommen überschreitet die Klägerin nicht die Schwellenwerte eines KMU. Zudem hat die Beteiligungsquote der TIB keine Addition der Mitarbeiterzahlen und finanziellen Schwellenwerte der TIB zu den Bezugsgrößen der Klägerin zur Folge. Die für die Qualifikation als KMU erforderliche Eigenständigkeit sah das Gericht als gegeben an. Bei sog. Partnerunternehmen bleibt die Eigenständigkeit grundsätzlich auch bei einer Beteiligung ab 25 % erhalten, wenn bestimmte Investoren z. B. als Risikokapitalgeber engagiert sind und diese nicht mit dem betroffenen Unternehmen verbunden sind. Da die TIB weder unmittelbar noch mittelbar Einfluss auf die Geschäftsführung genommen hat, ist trotz der rechtlichen Beherrschung von der - widerlegbaren - Vermutung der Nichtausübung eines beherrschenden Einflusses auszugehen.

 

Hinweis

Die Europäische Kommission hat im Rahmen einer Empfehlung den Status eines KMU definiert. Auch wenn die Empfehlung keinen Gesetzgebungsakt darstellt, ist sie als europäisches Recht aus sich heraus, ohne Rückgriff auf nationales Recht, auszulegen. Kriterien, die nach nationalem Recht eine Verbundenheit begründen, sind daher bei der Entscheidung über den KMU-Status irrelevant.

 

Link zur Entscheidung

Thüringer FG, Urteil vom 31.05.2012, 2 K 897/10

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