Beteiligte

Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen

Bergbau-Berufsgenossenschaft

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. Juli 1997 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um Versichertenansprüche auf Verletztenrente und Pflegegeld, die die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres an den Folgen einer Berufskrankheit (BK) verstorbenen Ehegatten geltend macht.

Nachdem der 1922 geborene Versicherte von 1936 bis 1939 den Beruf des Maschinenschlossers erlernt hatte, arbeitete er im Oktober 1939 bei den D. A., S., und von Oktober 1939 bis Mai 1941 bei den M. S. L. und R.. Ab Januar 1948 arbeitete er ein Jahr als Schlosser in der Bauwirtschaft. Von 1949 bis 1969 war er im Aachener Steinkohlebergbau als Schlepper, Lehrhauer und Maschinenhauer tätig. Nach seiner Abkehr vom Steinkohlebergbau arbeitete er zunächst für ca ein Jahr als Schlosser. Anschließend war er von 1970 bis 1979 in der technischen Betriebsdirektion der T. H. A. zunächst für zwei Jahre mit der Wartung von Katastrophenschutzräumen betraut und dann als Klimamonteurhelfer, später als Klimamonteur und zuletzt als Hausmeister tätig. Danach bezog er Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit und anschließend Knappschaftsruhegeld.

Berufsbedingte Asbestfaserstaubeinwirkungen ermittelte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten zumindest für die Jahre 1939 bis 1941, 1948 bis 1949 sowie für Tätigkeiten im Aachener Steinkohlenbergbau. Darüber hinaus sind Asbeststaubbelastungen zwischen den Beteiligten umstritten.

Seit Dezember 1990 befand sich der Versicherte wegen zunehmender Luftnot und rechtsthorakaler Schmerzen in ärztlicher Behandlung. Vom 16. April bis 8. Mai 1991 unterzog er sich einer stationären Behandlung in der R. klinik der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz. In einem dort am 2. Mai 1991 angefertigten Computer-Tomogramm zeigte sich eine ausgedehnte Pleuraverdickung, die „mit der Annahme eines Pleuramesothelioms gut vereinbar” sei. Der Versicherte wurde am 8. Mai 1991 in schlechtem, tumorkachektischem Allgemeinzustand entlassen; der Entlassungsbericht vom 8. Juli 1991 spricht von einem „dringenden Verdacht auf das Vorliegen eines asbestinduzierten Pleuramesothelioms”. Der Versicherte verstarb am 20. Mai 1991.

Am 21. Mai 1991 informierte als erster der behandelnde Hausarzt die Beklagte telefonisch vom Tod des Versicherten und dem Verdacht auf Vorliegen einer Asbestose. Die Ruhrlandklinik zeigte ein „Pleuramesotheliom rechts 4105” am 6. Juni 1991 durch förmliche BK-Anzeige vom 31. Mai 1991 an, in der der Tod des Versicherten bereits vermerkt war. Die von der Beklagten veranlaßte Obduktion ergab als alleinige Todesursache ein morphologisch eindeutig identifiziertes Pleuramesotheliom; es habe eine BK-Nr 4105 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) vorgelegen. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 8. März 1994 Witwenrente. Die Zahlung von Verletztenrente und Pflegegeld für die Zeit vor dem Tod des Versicherten lehnte sie mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Juli 1994, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 23. November 1994, ab, da die BK-Anzeige erst nach dem Tode des Versicherten erstattet worden sei und der Anspruch auf diese Leistungen in Ermangelung eines anhängigen Verwaltungsverfahrens erloschen sei.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Aachen hat dieses eine schriftliche Zeugenaussage der Stationsärztin der R. klinik, Dr. R., beigezogen. Diese hat bekundet, sie habe in einem Angehörigen-Arzt-Gespräch die Klägerin und deren Schwiegersohn über das Grundleiden des Versicherten und „die Notwendigkeit einer BK-Meldung durch uns” informiert, die wohl wegen eines Engpasses im Schreibbüro erst deutlich nach dem Tod des Versicherten der Beklagten übersandt worden sei. Mit Urteil vom 26. Februar 1996 hat das SG die Klage abgewiesen.

Mit ihrer Berufung hat die Klägerin über ihren bisherigen Vortrag hinaus die Ansicht vertreten, noch zu Lebzeiten des Versicherten wirksam Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung beantragt zu haben, indem sie gegenüber den bei der LVA Rheinprovinz beschäftigten Ärzten der R. klinik geäußert habe, daß sie Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung ihres Mannes stellen wolle.

Mit Urteil vom 31. Juli 1997 hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die streitigen Ansprüche des Versicherten seien nach §59 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) erloschen. Ein Verwaltungsverfahren nach §8 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), das gemäß §19 Satz 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) von Amts wegen betrieben werden müsse, sei zur Überzeugung des Gerichts entgegen den Angaben im Entlassungsbericht vom 8. Juli 1991 vor dem Tod des Versicherten nicht begonnen worden. Die Klägerin habe für ihren Ehemann vor seinem Tod keinen Antrag gestellt. Ein solcher könne auch nicht nach §16 Abs 2 Satz 2 SGB I fingiert werden. Es sei bereits fraglich, ob eine Äußerung gegenüber den Ärzten der R. klinik, wegen der BK ihres Ehemannes Ansprüche noch zu dessen Lebzeiten stellen zu wollen, überhaupt als Antrag zu qualifizieren sei. Jedenfalls seien die bei der LVA Rheinprovinz beschäftigten Ärzte nicht für eine Antragsentgegennahme zuständig, so daß der Antrag nicht gegenüber einem Leistungsträger iS der §§12, 23 Abs 2 SGB I erfolgt sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch der Klägerin scheitere am Vorliegen einer Pflichtverletzung. Aus dem Untersuchungsgrundsatz des §20 SGB X folge keine Verpflichtung der Beklagten, bei Ärzten und Krankenhäusern Erkundigungen nach möglichen BK-Fällen der Nr 4105 der Anlage 1 zur BKVO einzuziehen. Die §§1552 ff, 1746 ff, 551 Abs 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm §§4 und 5 BKVO verpflichteten lediglich, BKen anzuzeigen. Diese Verpflichtung sei für Ärzte rein standesrechtlich. Ein Organisationsverschulden der LVA Rheinprovinz durch Unterbesetzung des Schreibbüros liege nicht vor, da die BK-Anzeige nur drei Tage nach der Tumorkonferenz geschrieben worden und sechs Tage später bei der Beklagten eingegangen sei.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§16, 56, 59 Satz 2 SGB I. Ihre Äußerung gegenüber den Ärzten der R. klinik, Ansprüche noch zu Lebzeiten ihres Ehemannes stellen zu wollen, habe wegen §16 Abs 2 SGB I das Verwaltungsverfahren noch vor dem Tod des Versicherten in Gang gesetzt. Darüber hinaus hätte die BK-Anzeige sofort nach Diagnosestellung gefertigt und versandt werden müssen, da in jedem Fall eines Mesothelioms der Verdacht einer BK nach Nr 4105 der Anlage 1 zur BKVO bestehe. Deshalb hätte das LSG weiter ermitteln müssen, weshalb die Anzeige erst einige Tage nach der Tumorkonferenz erfolgt sei. Im übrigen könne sich die Beklagte auf die verspätete Meldung nicht berufen, da sie auf eine sofortige Meldung von Mesotheliomverdachtsfällen hinzuwirken habe und der Klägerin vom Sozialleistungsträger LVA Rheinprovinz durch die Ärzte der R. klinik unstreitig zugesagt worden sei, daß eine BK-Meldung sofort erfolge.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtenen Urteile und Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin des am 20. Mai 1991 verstorbenen Versicherten wegen der Folgen der BK Nr 4105 der Anlage 1 zur BKVO Verletztenrente sowie Pflegegeld für die Zeit vor dessen Tod mindestens seit 1. Dezember 1990 zu gewähren.

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an und bittet, aus dem Verfahren entlassen zu werden, da der verstorbene Ehemann der Klägerin im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen nicht asbestgefährdend tätig gewesen sei und die Beklagte dementsprechend bereits Hinterbliebenenleistungen gewähre.

II

Die Revision der Klägerin erweist sich als iS einer Zurückverweisung des Rechtsstreits begründet (§170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Klägerin die begehrten Leistungen zustehen.

Zwar wurde nicht bereits zu Lebzeiten ein Antrag auf Leistungen der Beklagten für den Versicherten gestellt (1); jedoch kann die Verzögerung einer BK-Anzeige durch die Ärzte der Ruhrlandklinik einen Herstellungsanspruch begründen, kraft dessen die Klägerin so zu stellen wäre, als sei bereits zu Lebzeiten des Versicherten ein Verwaltungsverfahren über die begehrten Leistungen anhängig geworden (2). Besteht ein derartiger Herstellungsanspruch, wird zu prüfen sein, ob die Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind (3).

Die Ansprüche der Klägerin richten sich noch nach den bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der RVO sowie der BKVO, da sie sich auf Zeiträume vor dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch (SGB VII) am 1. Januar 1997 beziehen (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ≪UVEG≫, §214 SGB VII; vgl Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, 1997, §214 RdNrn 2, 9; Brackmann/Krasney, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, §214 RdNr 7).

(Zu 1) Der Klägerin stehen als Sonderrechtsnachfolgerin (§56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I) des Versicherten diejenigen Leistungen zu, die ihm noch zu Lebzeiten zustanden, wenn im Zeitpunkt von dessen Tode diese Leistungen entweder festgestellt waren oder ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig war (§59 Satz 2 SGB I). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelung sieht der Senat nicht. Wenn der Gesetzgeber mit Wirkung ab 1. Juli 1990 durch Streichung des §847 Abs 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫ (durch Gesetz vom 14. März 1990, BGBl I 478) die Übertragbarkeit des Schmerzensgeldanspruchs nicht mehr von dessen Rechtshängigkeit abhängen läßt, so hat dies keinen Einfluß auf die Anwendbarkeit des §59 Satz 2 SGB I.

Da eine entsprechende Leistungsfeststellung jedenfalls nicht vorliegt, setzt ein Anspruch der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung für den Versicherten voraus, daß die Behörde iS des §18 Satz 2 Nr 1 SGB X tätig geworden ist, dh entweder von Amts wegen intern tätig geworden ist (Mrozynski, SGB I, 2. Aufl 1995, §59 RdNr 3) oder ein Antrag beim Leistungsträger eingegangen ist. Beides war jedoch, wie zwischen den Beteiligten unstreitig, nicht der Fall.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat auch nicht ihr gegenüber den Ärzten der R. klinik geäußertes Anliegen, Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung für den Versicherten anzustreben, iS des §59 Satz 2 SGB I ein Verwaltungsverfahren anhängig gemacht.

Zwar würde dafür genügen, daß ein entsprechender Antrag bei einem unzuständigen Leistungsträger eingegangen ist. Nach §16 Abs 2 Satz 2 SGB I gilt der bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellte Antrag, der von diesem nach §16 Abs 2 Satz 1 SGB I an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten ist, bereits als mit dem Eingang beim unzuständigen Leistungsträger gestellt. Diese Regelung gilt auch – über ihren unmittelbaren Wortlaut hinaus – für das von Amts wegen einzuleitende Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) an. Dieses hat (mit Urteil vom 18. Mai 1995, BVerwGE 98, 248, 252 ff) entgegenstehende frühere Rechtsprechung aufgegeben und wendet §16 Abs 2 SGB I auch im Sozialhilferecht an, wo – ebenso wie in der gesetzlichen Unfallversicherung – die Leistungen von Amts wegen zu erbringen und nicht antragsabhängig sind. Ebenso wie ausdrücklich in §5 Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geregelt, setzen auch die nach §19 Satz 2 SGB IV von Amts wegen zu erbringenden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung voraus, daß der Unfallversicherungsträger von möglicherweise leistungserheblichen Tatbeständen Kenntnis erhält (s Kasseler Komm/Seewald, §19 SGB IV RdNr 5). Dann aber trifft auch hier die Argumentation des BVerwG (aaO 253) zu, daß die fragliche Leistung (dort: Sozialhilfe; hier: Leistungen der Unfallversicherung) jedenfalls insoweit antragsabhängig ist, als sie – hat der Träger nicht bereits anderweitig Kenntnis von leistungserheblichen Umständen erlangt – von der mit dem Antrag vermittelten Kenntnis abhängt. Dies aber genügt für die Anwendbarkeit des §16 Abs 2 Satz 2 SGB I mit der Folge, daß ein Antrag auf die hier streitigen Leistungen der Unfallversicherung den Übergang der entsprechenden Ansprüche nach §59 Satz 2 SGB I ermöglichen würde, wäre er vor dem Tode des Versicherten bei einer unzuständigen Behörde eingegangen. Ein Antrag auf Leistung der gesetzlichen Unfallversicherung kann schon deswegen auch mündlich gestellt werden, weil ein solcher, wie oben gezeigt, gleichermaßen geeignet sein kann, das grundsätzlich von Amts wegen einzuleitende Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung in Gang zu setzen (siehe BSG vom 22. September 1988, BSGE 64, 89, 93 f; BSG vom 27. Februar 1980, SozR 2200 §1613 Nr 1 S 1 f).

Die R. klinik, bei der die Klägerin meint, einen entsprechenden Antrag abgegeben zu haben, war auch Teil eines unzuständigen Leistungsträgers iS des §16 Abs 2 Satz 1 SGB I. Ihr Träger ist die LVA Rheinprovinz und damit Leistungsträger iS dieser Vorschrift (s §12 iVm §23 Abs 2 Nr 1 SGB I). Hieran ändert nichts, daß das Krankenhaus eines Sozialleistungsträgers nicht die Aufgabe hat, Verwaltungsverfahren iS des §8 SGB X zu bearbeiten und damit – möglicherweise – keine Behörde iS des §1 Abs 2 SGB X ist (hierzu Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl 1996, §1 RdNr 7; Krasney in: Kasseler Komm, §1 SGB X, RdNr 8 ff, Stand: 1993). Denn in den Materialien zu §16 SGB I ist ausdrücklich ausgeführt, daß nach dieser Vorschrift auch alle von den Gemeinden betriebenen Krankenhäuser zur Antragsentgegennahme befugt werden (BT-Drucks 7/868, S 26 zu §16). Nachdem aber die Gemeinden in §16 Abs 2 Satz 1 SGB I gleichberechtigt neben den (übrigen) Sozialleistungsträgern genannt sind, so kann hieraus nur der Schluß gezogen werden, daß iS der genannten Vorschrift der Antrag auch bei einem Krankenhaus des unzuständigen Sozialleistungsträgers gestellt werden kann. Hiergegen läßt sich nicht einwenden, daß die Einbeziehung bereits gemeindlicher Krankenhäuser (wie nach den Gesetzesmaterialien) nicht unproblematisch erscheine, weil sie nach ihrer Organisation und personellen Ausstattung nicht auf die Entgegennahme von Anträgen auf Sozialleistung eingestellt seien (so jedoch Wannagat/Rüfner, SGB, §16 SGB I RdNr 4; SGB-SozVers-GesamtKomm/Bley, §16 SGB I Anm 5b). Denn jedenfalls inzwischen dürfte die Ausstattung von Krankenhäusern mit Sozialdiensten zum Standard gehören (siehe §6 Abs 1 Satz 1 Krankenhausgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, GVBl NRW 1987, 392: „Das Krankenhaus hat einen sozialen Dienst sicherzustellen.” Abs 2: „Der soziale Dienst hat die Aufgabe ... ≪den Patienten≫ in sozialen Fragen zu beraten, ...”); entsprechend gehen auch die Sozialleistungsträger selbst davon aus, daß in Krankenhäusern anderer Träger Anträge iS des §16 Abs 2 SGB I gestellt werden können (vgl MittLVA Oberfr 1995, 149).

Jedoch kann ein mündlicher Antrag nicht – wie von der Klägerin behauptet – wirksam gegenüber den mit der Krankenbehandlung betrauten Ärzten eines Krankenhauses gestellt werden. Der Zugang eines schriftlichen Antrags setzt voraus, daß dieser auf dem üblichen, hierfür vorgesehenen Weg in den Machtbereich der Behörde gelangt, damit auch erwartet werden kann, daß sie hiervon Kenntnis nimmt, dh zB entweder in der für den Posteingang üblichen Art und Weise oder durch direkte Abgabe beim Sachbearbeiter. Hingegen reicht dazu nicht etwa das Zurücklassen eines schriftlichen Antrages auf dem Stuhl oder Tisch eines Wartezimmers aus. Ganz entsprechend gilt für mündliche Anträge, daß diese zumindest zur Kenntnis eines Beamten (Bediensteten) gelangen müssen, von dem erwartet werden kann, daß er mit deren Befassung betraut ist, wenn nicht sogar zu verlangen ist, daß der Bedienstete für die Entgegennahme solcher Erklärungen zuständig ist (so das LSG; entsprechend auch Soergel/Hefermehl, Komm zum BGB, 12. Aufl 1988, §130 RdNr 32). Äußerungen gegenüber dazu unzuständigen, mit andersartigen Tätigkeiten betrauten Personen, zB gegenüber einem Hausmeister, einem Kraftfahrer, einem Krankenhausapotheker oder – eben gerade – einem mit der Behandlung von Patienten eines Krankenhauses betrauten Arzt können jedenfalls nicht als Stellung bzw Eingang eines Antrages iS des §16 Abs 2 Satz 1 bzw Satz 2 SGB I gewertet werden. Offenbleiben kann im vorliegenden Zusammenhang, wie zu entscheiden wäre, wenn über den behaupteten mündlichen Antrag der Klägerin eine Niederschrift (siehe hierzu BSG vom 22. September 1988, BSGE 64, 89, 94) aufgenommen worden wäre. Eine solche liegt nicht vor.

(Zu 2) Auch wenn, wie oben (zu 1) näher erläutert, iS des §59 Satz 2 SGB I im Zeitpunkt des Todes des Versicherten kein Verwaltungsverfahren über die ihm zustehenden Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung anhängig war, kann doch die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin einen Anspruch darauf haben, so gestellt zu werden. Ein solcher kann sich aus dem Gesichtspunkt des sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ergeben. Dieser setzt voraus, daß der Sozialleistungsträger eine gesetzliche oder aus einem bestehenden Sozialrechtsverhältnis resultierende Verpflichtung objektiv rechtswidrig verletzt hat, die ihm gerade gegenüber dem Betroffenen – hier gegenüber der Klägerin – oblag. Die Pflichtverletzung muß als nicht hinwegdenkbare Bedingung – zumindest gleichwertig neben anderen Bedingungen – ursächlich einen Nachteil des Betroffenen bewirkt haben. Die verletzte Pflicht muß darauf gerichtet sein, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren. Die Nachteile müssen durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden können (BSG vom 15. Dezember 1994, SozR 3-2600 §58 Nr 2 S 5 f; BSG vom 25. Januar 1996, SozR 3-3200 §86a Nr 2, S 5; BSG vom 24. April 1996, SozR 3-2940 §124 Nr 1 S 4; jeweils mwN).

Eine Pflichtverletzung der Beklagten (oder der Beigeladenen) ist insoweit nicht ersichtlich. Die Unfallversicherungsträger sind entgegen der Meinung der Klägerin nicht nach dem Amtsermittlungsgrundsatz des §20 SGB X gehalten, für eine selbständige Ermittlung oder sofortige Meldung von Mesotheliomfällen Sorge zu tragen. Der Amtsermittlungsgrundsatz des §20 Abs 1 SGB X schreibt vor, daß die Behörde den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Diese Pflicht setzt voraus, daß der Verfahrensgegenstand wenigstens gewisse Konturen hat. Die Vorschrift betrifft nicht die Frage, ob ein Verfahren durchzuführen ist, sondern schreibt Pflichten innerhalb eines begonnenen Verfahrens vor (Kasseler Komm/Krasney, §20 SGB X RdNr 3). Aufgrund welcher Umstände in der gesetzlichen Unfallversicherung in der Regel ein Verfahren zu beginnen hat, ergibt sich aus den im Unfallversicherungsrecht geregelten Anzeigepflichten (Anzeigepflicht des Unternehmers: §1552 RVO bzw §4 BKVO/§193 SGB VII; Anzeigepflicht der Ärzte: §5 BKVO/§202 Satz 1 SGB VII).

Das von der Klägerin angesprochene Sammelbesuchsverfahren, das in den Unfallkliniken zur „Erfassung der einschlägigen Fälle” durchgeführt werde, betrifft ausschließlich den Bereich der Rehabilitation. Zweck des Verfahrens ist die rechtzeitige Steuerung medizinischer, beruflicher und sozialer Rehabilitationsmaßnahmen durch den Einsatz von Berufshelfern, die in diesem Rahmen nicht nur für die eigene Berufsgenossenschaft (BG) tätig werden (Schröfl, BG 1991, 602 f). Hierfür kam der Versicherte von vornherein nicht in Betracht.

Ein Herstellungsanspruch besteht damit nur dann, wenn sich die Beklagte (oder die Beigeladene) ein eventuelles Fehlverhalten Dritter zurechnen lassen müßte. „Dritte” in diesem Sinne waren die Ärzte der R. klinik. Als Fehlverhalten wird zu prüfen sein, daß deren BK-Anzeige erst am 6. Juni 1991, also nicht mehr zu Lebzeiten des Versicherten, bei der Beklagten eingegangen ist.

Voraussetzung für die Zurechnung des Verhaltens Dritter im Rahmen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist, daß zwischen der die Pflichtverletzung begehenden und der in Anspruch genommenen Stelle eine „Funktionseinheit” besteht (BSG vom 29. Oktober 1992, BSGE 71, 217, 218 ff; BSG vom 25. August 1993, SozR 3-1200 §14 Nr 9 S 27 f, jeweils mwN). Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG kann dies der Fall sein, wenn mehrere Behörden mit einer Aufgabe arbeitsteilig betraut sind, also eine andere Behörde in die Abwicklung eines konkreten Versicherungsverhältnisses mit eingeschaltet ist, oder wenn zwei Sozialleistungen eng miteinander verknüpft sind. Das BSG hat jedoch auch – in ähnlicher Weise wie beim Herstellungsanspruch – der Krankenkasse das Fehlverhalten eines Kassenarztes bei der nicht rechtzeitigen Weiterleitung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zugerechnet (BSG vom 28. Oktober 1981, BSGE 52, 254, 259 ff). Den dieser Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsgedanken überträgt der Senat auch auf den vorliegenden Fall.

In dem bereits entschiedenen Fall hat das BSG darauf abgestellt, daß Regelungen der Krankenkassen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen von der Pflicht des Arztes ausgingen, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Krankenkasse weiterzuleiten; damit war eine Verletzung dieser Pflicht nicht dem Versicherten, sondern der Krankenkasse zuzurechnen. Nichts anderes kann jedoch dann gelten, wenn – wie möglicherweise im vorliegenden Fall – ein Arzt die ihm durch §5 Abs 1 Satz 1 BKVO auferlegte Pflicht verletzt, dem Träger der Unfallversicherung oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle unverzüglich anzuzeigen, daß er den begründeten Verdacht hat, bei einem Versicherten bestehe eine BK. In das Verwaltungsverfahren über die Gewährung von Leistungen bei BK sind, wie sich bereits aus Obigem ergibt, die Ärzte hinsichtlich ihrer Meldepflicht geradezu exemplarisch einbezogen; hängt doch die Gewährung der von Amts wegen zu gewährenden Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung entscheidend davon ab, daß der zuständige Träger von möglichen Leistungsfällen erfährt und erst dadurch seinen gesetzlichen Auftrag erfüllen kann (für die Möglichkeit der Zurechnung von Fehlern „in Dienst genommener” Privater im Rahmen des Herstellungsanspruchs bereits BSG vom 23. Februar 1988 - 12 RK 47/86, USK 8871).

Gegen die Auferlegung dieser Pflicht bestehen keinerlei Bedenken aus höherrangigem Recht. §5 Abs 1 BKVO beruht auf der gesetzlichen Ermächtigung in §551 Abs 4 Nr 1 RVO. Zu der hierin geregelten „Indienstnahme” aller Ärzte (also jedenfalls auch Privater im oa Sinne) war der Gesetzgeber berechtigt. Ein Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) liegt nicht vor. Der Eingriff in die Berufsausübung ist durch Gründe des Gemeinwohls (hier: Erfassung der BK-Fälle und entsprechende Leistungsgewährung) gerechtfertigt und verhältnismäßig (vgl BVerfG vom 14. Juli 1987, BVerfGE 76, 196, 207; BVerfG vom 4. April 1990, BVerfGE 82, 18, 28). Selbst wenn insoweit Bedenken bestehen sollten, können diese jedenfalls nicht hinsichtlich solcher Ärzte gelten, die – wie im vorliegenden Fall – Bedienstete von Körperschaften des öffentlichen Rechts, hier insbesondere von (anderen) Sozialleistungsträgern, sind.

Diese Pflicht bestand auch der Klägerin gegenüber: Durch eine nach den Maßstäben des §5 BKVO verspätete Anzeige kann nicht nur ein Herstellungsanspruch des Versicherten begründet werden; entsprechendes gilt gegenüber dem nach dem Willen des Gesetzes an die Stelle des Versicherten tretenden Sonderrechtsnachfolger (§56 SGB I). Hier besteht ja die Besonderheit, daß, wäre der Versicherte noch am Leben gewesen, die BK-Anzeige der R. klinik, die am 6. Juni 1991 bei der Beklagten eingegangen war, für diesen in keinerlei Hinsicht einen Rechtsnachteil bedeutet hätte. Es geht also nicht um einen Anspruch aus einem Herstellungsanspruch, der bereits beim Versicherten entstanden und sodann auf die Klägerin als dessen Sonderrechtsnachfolgerin übergegangen wäre (wie im Fall BSG vom 22. September 1988, BSGE 64, 89, 95), sondern um eine Pflichtverletzung nur gegenüber der Klägerin als (solange die Pflicht noch bestand: künftiger) Sonderrechtsnachfolgerin. Daß auch nach dem Willen des Verordnungsgebers zugunsten dieses Personenkreises ebenfalls die Pflicht des §5 BKVO besteht, entnimmt der Senat dem Hinweis in den „Erläuterungen zur ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit”, die Bestandteil der Anlage 3 zur BKVO (s dort §6) ist. Hierin heißt es: „Die vorschriftsmäßige und rechtzeitige Anzeige einer Berufskrankheit liegt im Interesse des Versicherten: Je schneller der Träger der Unfallversicherung von der Berufskrankheit Kenntnis erhält, desto eher kann er mit der Gewährung der Leistungen (Heilbehandlung, Berufshilfe, Leistungen in Geld) an den Versicherten oder seine Angehörigen beginnen.” Auch wenn diesen Ausführungen keine normative Bedeutung zukommt, da sie nicht über den Wortlaut des §5 BKVO hinaus Pflichten des Arztes begründen können (hierzu im einzelnen später), bringen sie doch zum Ausdruck, daß nach dem Willen des Verordnungsgebers die Meldepflichten auch die Leistungen an Angehörige sichern wollen; damit werden aber die Sonderrechtsnachfolger (s §56 Abs 1 SGB I) miterfaßt.

Nicht gegen die Berücksichtigung einer Verletzung der Anzeigepflicht nach §5 Abs 1 BKVO im Rahmen des Herstellungsanspruchs schließlich spricht der Umstand, daß diese für den Arzt nicht unmittelbar sanktioniert ist, sondern allenfalls standesrechtlich geahndet werden kann (SGB-SozVers-GesamtKomm/Gitter, §5 BKVO Anm 3; Stand: 1990). Daß die Pflichtverletzung zu negativen Folgen für den Betroffenen, gar einer Bestrafung, führen kann, ist nicht Voraussetzung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Wenn eine entsprechende Pflichtverletzung einen Herstellungsanspruch auslöst, bedeutet dies im übrigen auch nicht, daß damit den Ärzten zusätzliche oder weitergehende Pflichten aufgebürdet würden als bisher, oder daß sie neue Sanktionen oder Ersatzansprüche zu befürchten hätten. Folge der Auffassung des Senats ist lediglich, daß die Unfallversicherungsträger auch bei verspäteter Meldung diejenigen Leistungen zu erbringen haben, die sie bei rechtzeitiger Meldung ohnehin hätten erbringen müssen.

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann jedoch nicht entschieden werden, ob die Ärzte der Ruhrlandklinik in der Tat ihre Anzeigepflicht nach §5 Abs 1 BKVO verletzt haben. Das LSG hat zwar festgestellt, daß spätestens nach dem Befund des in der Ruhrlandklinik am 2. Mai 1991 angefertigten Computer-Tomogramms der Verdacht eines asbestinduzierten Pleuramesothelioms zumindest nahelag. Hieraus allein kann jedoch nicht geschlossen werden, daß bei ordnungsgemäßem Vorgehen die BK-Anzeige bereits vor dem Tod des Versicherten bei der Beklagten (oder einem sonstigen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung) eingegangen wäre. Zum einen bedarf der näheren Aufklärung, wann ein „begründeter Verdacht” iS des §5 Abs 1 Satz 1 BKVO bei einem den Versicherten behandelnden Arzt vorlag; zum anderen, wann er diesen „unverzüglich” (ohne schuldhaftes Zögern: §121 BGB) der BG hätte anzeigen müssen. In diesem Rahmen kann uU durchaus berücksichtigt werden, ob ggf kraft interner Regelung oder auch aufgrund persönlicher Einschätzung der Problematik in bestimmten Fällen eine BK-Anzeige erst dann veranlaßt wurde, nachdem sich zB ein leitender Arzt oder eine ärztliche Konferenz mit dem Fall befaßt hatte. Dies setzt jedoch voraus, daß die Einschaltung jener weiteren Instanzen selbst ebenfalls unverzüglich vorgenommen wurde. Darüber hinaus kann die Diagnose einer bedrohlichen Erkrankung mit typischerweise geringer Lebenserwartung auch ein außergewöhnlich beschleunigtes Vorgehen erfordern. Ob beim Versicherten ein derartiger Fall vorlag, wird das LSG aufzuklären haben.

Jedenfalls liegt eine für den Herstellungsanspruch erhebliche Pflichtverletzung nicht bereits darin, daß die Ärzte der Ruhrlandklinik den Verdachtsfall des Versicherten nicht sofort fernmündlich oder telegraphisch der Beklagten (oder der Beigeladenen) gemeldet hatten. Eine derartige Pflicht ist nicht in §5 BKVO geregelt. Vielmehr ist lediglich dem Vordruck für die ärztliche Anzeige über eine BK (§5 Abs 1 Satz 2, §6 Abs 1 BKVO, insbesondere Anlage 3 zur BKVO; hier einschlägig die Fassung nach Art 2 der Verordnung zur Änderung der Siebenten BKVO vom 8. Dezember 1976, BGBl I 3329), ein Erläuterungsblatt (Bestandteil des verbindlichen Musters: §6 Abs 1 Satz 2 BKVO) vorangestellt, das ua folgenden Passus enthält:

„Was ist bei Todesfällen, besonders schweren Berufskrankheiten und Massenerkrankungen zu beachten?

Todesfälle, besonders schwere Berufskrankheiten und Massenerkrankungen sind außerdem sofort fernmündlich oder telegraphisch dem zuständigen Versicherungsträger (oder dessen zuständiger Bezirksverwaltung) und bei gewerblichen Betrieben dem Gewerbeaufsichtsamt zu melden.”

Diese „Erläuterungen” haben insoweit Bedeutung, als sie das in §5 Abs 1 BKVO genannte Tatbestandsmerkmal „unverzüglich” auslegen und darauf hinweisen, daß – wie oben dargelegt – in den dort genannten Fällen besondere Eile geboten ist.

Jedoch kann den „Erläuterungen” eine normative Wirkung nicht beigemessen werden, soweit sie über die in §5 Abs 1 BKVO geregelte Anzeigepflicht hinausgehen. Dies ist aber insoweit der Fall, als sie in allen genannten Fällen eine „sofortige Meldung” (dh nicht nur „unverzüglich”: §5 Abs 1 Satz 1 BKVO) „fernmündlich oder telegraphisch” (dh nicht auf dem Vordruck: §5 Abs 1 Satz 2 BKVO) nur gegenüber der BG (dh nicht – alternativ – auch gegenüber der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle) verlangen. Daß die „Erläuterungen” den Arzt zu Tätigkeiten veranlassen wollen, die nicht bereits nach §5 Abs 1 BKVO vorgeschrieben sind, verrät bereits das Wort „außerdem”, nachdem zuvor die Voraussetzungen jener Vorschrift näher umschrieben wurden. Eine Verbindlichkeit kommt ihnen in dieser Hinsicht jedoch nicht zu.

Zwar ist die Anlage 3 der BKVO mit dem darin geregelten Erläuterungsblatt und dem Vordruck zur ärztlichen BK-Anzeige Bestandteil der BKVO und mit ihr verkündet worden. Bindend sind insoweit jedoch nach §6 Abs 1 Satz 1 und 2 BKVO nur „Inhalt, Form und Farbe” der Muster, einschließlich der vorangestellten Erläuterungsblätter, nicht jedoch die darin enthaltenen Hinweise auf ärztliche Pflichten.

Weder die Amtlichen Begründungen der BKVO vom 20. Juni 1968 (BR-Drucks 128/68 ≪in deren Anlage 3 im übrigen eine Pflicht zur sofortigen Anzeige bei besonders schweren Berufskrankheiten noch gar nicht erwähnt war; hier hieß es lediglich: „bei Todesfällen oder Massenerkrankungen soll der zuständige Träger der Unfallversicherung ... unverzüglich telegraphisch oder fernmündlich benachrichtigt werden”≫) noch die der Verordnung zur Änderung der Siebenten BKVO vom 8. Dezember 1976 (BR-Drucks 563/76) enthalten nähere Ausführungen zu der Ausgestaltung der Vordrucke.

Der hier vertretenen Auffassung entspricht im übrigen auch der gegenwärtige Rechtszustand. Die Regelung über die Anzeigepflicht nach §5 Abs 1 BKVO entsprach der gesetzlichen Ermächtigung in §551 Abs 4 Nr 1 RVO („Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung ... 1. die Anzeige von Berufskrankheiten durch Unternehmer und Ärzte, ...”). Seit dem SGB VII ist die ärztliche Anzeigepflicht direkt im Gesetz geregelt; §202 Satz 1 SGB VII hat die Regelung in §5 Abs 1 Satz 1 BKVO inhaltlich übernommen: „Haben Ärzte oder Zahnärzte den begründeten Verdacht, daß bei Versicherten eine BK besteht, haben sie dies dem Unfallversicherungsträger oder der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle in der für die Anzeige von Berufskrankheiten vorgeschriebenen Form (§193 Abs 8) unverzüglich anzuzeigen.” Dementsprechend enthält das SGB VII keine dem §551 Abs 4 Nr 1 RVO entsprechende Ermächtigungsgrundlage mehr. Die BKVO vom 31. Oktober 1997 (BGBl I 2623) beruft sich als Ermächtigungsgrundlage auf §9 Abs 1 und 6 und §193 Abs 8 SGB VII; hierbei ermächtigt §9 Abs 1 zum Erlaß der BK-Liste, §9 Abs 6 zur Regelung von Leistungen zur Verhütung von Berufskrankheiten, zur Regelung der Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen sowie zur Regelung der entsprechenden Gebühren; §193 Abs 8 SGB VII ermächtigt zur Bestimmung des „für Aufgaben der Prävention und der Einleitung eines Feststellungsverfahrens erforderlichen Inhalt(s) der Anzeige, ihre(r) Form sowie (der) Empfänger, (der) Anzahl und (des) Inhalt(s) der Durchschriften.”. Damit ist klargestellt, daß die Anlage 3 der BKVO, auf die §7 der BKVO nach wie vor verweist, nach gegenwärtigem Rechtszustand mangels Ermächtigungsgrundlage von vornherein keine besondere ärztliche Anzeigepflicht (zB bei einer besonders schweren BK) regeln kann.

Für die Prüfung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil der Klägerin ist darauf hinzuweisen, daß die Ärzte, sollte die Ermittlung der aus ihrer Sicht zuständigen BG die BK-Anzeige verzögert haben, der Pflicht nach §5 Abs 1 Satz 1 BKVO auch durch eine Anzeige gegenüber der „für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stelle” (hier: gegenüber dem Staatlichen Gewerbearzt) hätten nachkommen können. Diese Stelle wiederum war verpflichtet, die Anzeige ihrerseits „unverzüglich” an die BG weiterzuleiten (§7 Abs 1 Satz 2 BKVO). Sollte es hierauf ankommen, wird das LSG zu prüfen haben, ob nicht bereits durch den Eingang der BK-Anzeige beim Staatlichen Gewerbearzt die Voraussetzung des §59 Satz 2 Alternative 2 SGB I (anhängiges Verwaltungsverfahren im Zeitpunkt des Todes) erfüllt sein kann.

Als einen Herstellungsanspruch gegen die Beklagte auslösende Pflichtverletzung kommt jedenfalls nicht der Umstand in Betracht, daß die Ärzte der Ruhrlandklinik die Klägerin – wie man dem Zusammenhang ihres Vortrags entnehmen könnte – dadurch von einem eigenen Tätigwerden gegenüber der Beklagten abgehalten hätten, daß sie ein baldiges Erstatten einer BK-Anzeige in Aussicht stellten. Selbst wenn dies zuträfe, könnte es einen Herstellungsanspruch nicht begründen. Die Ärzte sind nur hinsichtlich der Pflicht der Anzeige einer BK (§5 Abs 1 BKVO) in das Verwaltungsverfahren der BG eingebunden; anderweitige Beratungsfehler oä können der BG nicht zugerechnet werden.

(Zu 3) Sollte sich nach alledem ergeben, daß die fehlende Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens bereits im Zeitpunkt des Todes des Versicherten (§59 Satz 2 SGB I) durch einen der Klägerin zustehenden Herstellungsanspruch ersetzt werden kann, bleibt zu prüfen, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch des Versicherten auf Leistungen noch zu seinen Lebzeiten bestanden. Auch hierfür fehlen Feststellungen des LSG, die nicht durch den Hinweis darauf ersetzt werden können, daß die Beklagte bereits der Klägerin Witwenrente gewährt. Eine Bindungswirkung geht hiervon weder hinsichtlich des Bestehens einer BK beim Versicherten noch hinsichtlich der Leistungspflicht der Beklagten als zuständiger BG aus. Aus diesem Grunde hat auch der Senat entgegen der Anregung der Beigeladenen deren Beiladung im Revisionsverfahren nicht aufgehoben.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 543035

SGb 1998, 653

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge