Zusammenfassung

Die Vorsteuerberichtigung ist einer der zentralen Punkte, die regelmäßig bei der Erstellung der Umsatzsteuererklärung zu prüfen sind. Aber nicht nur rückwirkend können sich für einen Unternehmer für einen abgeschlossenen Veranlagungszeitraum erhebliche finanzielle Auswirkungen durch die Vorsteuerberichtigung ergeben, auch in Voranmeldungszeiträumen kann schon die Verpflichtung bestehen, Vorsteuerberichtigungsbeträge anzumelden und zu entrichten bzw. sich erstatten zu lassen. Die Frage, ob, wann und in welchem Umfang eine geltend gemachte oder eine nicht geltend gemachte Umsatzsteuer berichtigt werden muss, hat sich durch Ausweitung der Anwendungsfälle in der Vergangenheit in der laufenden Beratung sowie in Betriebs- und Umsatzsteuer-Sonderprüfungen von einem Nischen- zu einem Alltagsproblem gewandelt.

1 Problematik

Das geltende Umsatzsteuersystem beurteilt die Ausgangs- und die Eingangsleistung streng getrennt. Bezieht ein Unternehmer von einem anderen Unternehmer eine Leistung, entsteht aufgrund dieses Leistungsbezugs im Regelfall bei dem leistenden Unternehmer[1] eine Umsatzsteuer, die er seinem Kunden in einer Rechnung gesondert ausweist. Dies erfolgt unabhängig davon, ob der Leistungsempfänger diese ihm berechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen kann oder nicht. Der Leistungsempfänger muss nun seinerseits prüfen, für welche Art Ausgangsleistung er die bezogene Leistung verwenden wird.

Dabei kommt es für die Vorsteuerabzugsberechtigung nach § 15 UStG nicht darauf an, für welche Ausgangsleistung der Unternehmer die bezogene Leistung tatsächlich verwenden wird. Es ist für den Vorsteuerabzug nach § 15 UStG allein entscheidend, für welche Ausgangsleistung der Unternehmer die bezogene Leistung im Moment des Leistungsbezugs verwenden möchte (sog. Sofortabzug der Vorsteuer); dies muss im Rahmen einer sachgerechten Prognose erfolgen. Dabei können sich grundsätzlich die folgenden Möglichkeiten ergeben:

  1. Der Unternehmer beabsichtigt, die bezogene Leistung ausschließlich für Ausgangsleistungen zu verwenden, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. In diesem Fall kann er die gesamte ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen. Soweit sich später eine Änderung der Verhältnisse dahingehend ergibt, dass die geplante Verwendung nicht der tatsächlichen Verwendung entspricht – er also auch vorsteuerabzugsschädliche Ausgangsleistungen ausführt –, ergibt sich eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zulasten des Unternehmers.
  2. Der Unternehmer beabsichtigt, die bezogene Leistung ausschließlich für Ausgangsleistungen zu verwenden, die den Vorsteuerabzug ausschließen. In diesem Fall kann er die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen. Soweit sich später eine Änderung der Verhältnisse dahingehend ergibt, dass die geplante Verwendung nicht der tatsächlichen Verwendung entspricht – er also auch vorsteuerabzugsberechtigende Ausgangsleistungen ausführt –, ergibt sich eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zugunsten des Unternehmers.
  3. Der Unternehmer beabsichtigt, die bezogene Leistung zum Teil für den Vorsteuerabzug ausschließende Ausgangsleistungen und zum Teil für den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Ausgangsleistungen zu verwenden. Der Unternehmer kann in diesem Fall die ausgewiesene Umsatzsteuer in dem Umfang abziehen, in dem er die bezogene Leistung für den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Ausgangsleistungen verwenden will (sog. Vorsteueraufteilung; § 15 Abs. 4 UStG). Bei einer Änderung der Verhältnisse, die für den Vorsteuerabzug maßgebend waren, kann es zu einer Vorsteuerberichtigung zulasten oder zugunsten des Unternehmers kommen.

Dabei ist die Vorsteuerberichtigung nicht nur auf die Fälle beschränkt, in denen langlebige Wirtschaftsgüter (Anlagevermögen) innerhalb des Berichtigungszeitraums von 5 Jahren bzw. von 10 Jahren bei Immobilien[2] anders verwendet werden, als dies bei der Beurteilung des Vorsteuerabzugs maßgeblich war. Die Berichtigung kann auch bei veränderter Verwendung des Umlaufvermögens, bei Änderungen im Zusammenhang mit Arbeiten an Gegenständen (Werklieferungen oder sonstigen Leistungen) oder bei Änderungen im Zusammenhang mit erhaltenen sonstigen Leistungen notwendig werden.

[1] Von den Fällen der Übertragung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG (Reverse-Charge-Verfahren) wird hier aus Vereinfachungsgründen abgesehen.
[2] Maximal ist aber der Berichtigungszeitraum auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer beschränkt, § 15a Abs. 5 Satz 2 UStG.

2 Fall: Bau, Anbau und Reparatur

2.1 Sachverhalt

Rechtsanwalt R ist Eigentümer eines Grundstücks in Köln, auf dem er 2018 und 2019 ein Gebäude (im Folgenden Hauptgebäude) errichtet hatte. Die erstmalige unternehmerische Nutzung erfolgte zum 1.9.2019.

In der Bauphase zog R aus allen ihm gegenüber erbrachten Bauleistungen 70 % Vorsteuer ab, da er seinem Finanzamt nachweisen konnte, dass 70 % der Fläche auf durch Option steuerpflichtige Vermietung entfallen würde. Von den Baukosten i. H. v. netto 2 Mio. EUR und der darauf entfallenden Umsatzsteuer von 380.000 EUR zog R somit 266.000 EUR als Vors...

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