Rn 2

In den Anwendungsbereich des § 84 fallen die Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 741 ff. BGB (bei Miteigentumsgemeinschaft zusätzlich §§ 1008 ff. BGB), andere nicht rechtsfähige Gemeinschaften, z. B. die Erbengemeinschaft nach §§ 2032 ff. BGB, sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Als "Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit" nennt § 11 Abs. 2 Nr. 1 die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB), die oHG (§§ 105 ff. HGB), die KG (§§ 161 ff. HGB), die Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG, die Partenreederei (§§ 489 ff. HGB)[3] und die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung. Unter § 84 fällt auch das Gemeinschaftskonto des Insolvenzschuldners mit einem Dritten, und zwar nicht nur, wenn beide Kontoinhaber nur gemeinschaftlich verfügungsbefugt sind (sog. Und-Konto),[4] sondern auch bei Einzelverfügungsbefugnis jedes Kontoinhabers (sog. Oder-Konto).[5] Denn die Verfügungsbefugnis im Außenverhältnis besagt nichts über die Verteilung eines Guthabens im Innenverhältnis. Hierfür bedarf es vielmehr einer Auseinandersetzung.

Bei einigen Gemeinschaften ist ein Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft gesetzlich ausgeschlossen, und zwar auch für den Fall der Insolvenzeröffnung gegen einen Beteiligten, so bei der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 11 Abs. 1 und 2 WEG und bei der Miteigentümergemeinschaft hinsichtlich der von Kapitalanlagegesellschaften zu bildenden Sondervermögen nach § 38 Abs. 5 Investmentgesetz.[6] Daraus wird verschiedentlich die Unanwendbarkeit des § 84 für diese Gemeinschaften gefolgert.[7] Dem ist nicht zu folgen.[8] Denn der Insolvenzverwalter kann den Anteil des Insolvenzschuldners durch Verkauf verwerten, und dies ist auch eine "sonstige Auseinandersetzung" i. S. des § 84 Abs. 1.[9]

 

Rn 3

Nicht anwendbar ist § 84, wenn während des Bestehens einer ehelichen Gütergemeinschaft (§§ 1415 ff. BGB) das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines der Ehegatten eröffnet wird. Zwar handelt es sich bei dem Gesamtgut um gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten (§ 1416 Abs. 1 BGB). Aber die insolvenzrechtliche Behandlung orientiert sich nicht an dieser Vermögenszuordnung, sondern daran, wer das Gesamtgut verwaltet (§ 1421 BGB, § 37). Danach gilt:

  • Bei einem Insolvenzverfahren über das Vermögen des allein verwaltenden Ehegatten gehört das Gesamtgut vollständig, also einschließlich des Anteils des anderen Ehegatten, zur Insolvenzmasse; eine Auseinandersetzung findet nicht statt (§ 37 Abs. 1 Satz 1 und 2).
  • Durch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des nicht verwaltenden Ehegatten wird das Gesamtgut nicht berührt (§ 37 Abs. 1 Satz 3). Es bleibt also insolvenzfreies Vermögen, und der verwaltende Ehegatte kann Gegenstände des Gesamtguts aussondern.[10]
  • Bei gemeinschaftlicher Verwaltung der Ehegatten wird das Gesamtgut durch die Insolvenzeröffnung über das Vermögen eines der Ehegatten ebenfalls nicht berührt (§ 37 Abs. 2). Wohl aber ist dann ein selbstständiges Insolvenzverfahren über das Gesamtgut zulässig (§§ 11 Abs. 2 Nr. 2, 333).

Anwendbar ist § 84 dagegen auf eine bei Verfahrenseröffnung bereits beendete (vgl. §§ 1414 Satz 2, 1449 Abs. 1, 1470 Abs. 1 BGB), aber noch nicht auseinandergesetzte Gütergemeinschaft. Denn § 37, der § 84 verdrängen würde, setzt voraus, dass während des Bestehens einer (ehelichen oder fortgesetzten) Gütergemeinschaft ("bei") das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Beteiligten eröffnet wird.[11]

Keine Anwendung findet § 84 schon nach seinem Wortlaut ("ohne Rechtspersönlichkeit") auf Anteile eines Insolvenzschuldners an einer juristischen Person (Aktiengesellschaft, GmbH, eingetragene Genossenschaft, eingetragener Verein[12]). Hier fehlt es an einem gemeinschaftlichen Vermögen der Mitglieder, das eine Auseinandersetzung erforderlich machen würde. Vielmehr besteht nur ein von den Vermögen der Mitglieder streng getrenntes Vermögen der juristischen Person. Auch führt die Insolvenz eines Anteileigners regelmäßig weder zur Auflösung der juristischen Person noch zum Ausscheiden des betreffenden Mitglieds. Der Anteil des Gesellschafters (Aktie, Geschäftsanteil bei einer GmbH etc.) fällt in die Insolvenzmasse und kann durch Veräußerung verwertet werden.[13] Etwas anderes gilt aber bei einem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien. Dieses hat regelmäßig das Ausscheiden dieses Gesellschafters und seine Abfindung oder Nachschusspflicht zur Folge (§ 278 Abs. 2 AktG i. V. m. § 161 Abs. 2, § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 105 Abs. 3 HGB, §§ 738 ff. BGB). Hierfür bedarf es einer Auseinandersetzungsrechnung, auf die § 84 anzuwenden ist.

 

Rn 4

Streitig ist, ob § 84 Abs. 1 Satz 1[14] bei reinen Innengesellschaften, also bei Gesellschaften ohne gemeinschaftliches Vermögen, z. B. bei der stillen Gesellschaft (§§ 230 ff. HGB), anwendbar ist.[15] Dies ist indessen eher ein Streit um Worte als um Ergebnisse. Die Anwendung des § 84 Abs. 1 Satz 1, d. h. die Ansiedlung der – auch hier erforderlichen (v...

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