Rn 5

Auch nach Inkrafttreten der InsO gestaltet sich bis heute das Verfahren der Auswahl und Bestellung des Insolvenzverwalters im Einzelfall vielerorts höchst unterschiedlich, vor allem aber meist intransparent. So gab es so genannte geschlossene Listen, in die ein Verwalterkandidat nur aufgenommen wurde, wenn ein bisher regelmäßig bestellter Verwalter aus der Liste ausschied. Daneben gab es vermeintliche Gerechtigkeitslisten, nach denen Verfahren ungeachtet ihrer Anforderungen schlicht durch Abzählen auf der Liste verteilt wurden. Schließlich gab es Gerichte, die vorgeblich keine Listen führten, sondern lediglich einen kleinen Kreis von so genannten erprobten und vertrauenswürdigen Verwaltern regelmäßig bestellten. Oft war eine Begründung für die jeweils getroffenen Auswahlentscheidungen gar nicht zu erhalten, so dass sich für Außenstehende der Eindruck eines willkürlichen oder zumindest auch von sachfremden Erwägungen beeinflussten Vorgehens der Gerichte ergab.

 

Rn 6

Diese Praxis und die zunehmende Konkurrenz unter Verwalteraspiranten führte dann relativ bald zu den ersten Rechtsmittelverfahren gegen Nichtberücksichtigung einzelner Bewerber um ein Verwalteramt.[13] Bis dahin entsprach es einmütiger Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass Auswahl und Bestellung des Verwalters ausschließlich im gerichtlichen Ermessen stehen[14] und deshalb auch kein Rechtsan-spruch auf Bestellung zum Insolvenzverwalter im einzelnen Verfahren besteht, selbst wenn man zum Kreis der regelmäßig beschäftigten Verwalter gehört.[15]

 

Rn 7

Zunächst ging es aber um die Frage, ob die Entscheidung des Insolvenzgerichts, den Bewerber überhaupt in den Kreis der Auswahlkandidaten aufzunehmen, als Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 EGGVG justiziabel oder als Akt der Rechtsprechung zu qualifizieren ist. Nach knapp vier Jahren Verfahrensdauer hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2004 auf eine Verfassungsbeschwerde eines abgelehnten Verwalterkandidaten entschieden, dass das so genannte Vorauswahlverfahren zur Insolvenzverwalterbestellung als Maßnahme der vollziehenden Gewalt anzusehen und dagegen Rechtsschutz zuzulassen ist.[16] Danach muss jeder Bewerber um eine Tätigkeit als Insolvenzverwalter unabhängig von persönlichen Beziehungen oder sonstigen sachwidrigen Erwägungen eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner gesetzlich vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden. Damit ist die Aufnahme in den Kreis der bei der endgültigen Auswahlentscheidung zu berücksichtigenden Verwalter einer gerichtlichen Kontrolle zumindest im Hinblick auf willkürliche Maßnahmen des Insolvenzgerichts unterworfen. Das Bundesverfassungsgericht ließ in seiner Entscheidung allerdings offen, welche Auswirkungen eine ermessensfehlerhafte oder willkürliche Vorauswahlentscheidung des Insolvenzgerichts im Hinblick auf eine Verwalterernennung im konkreten Einzelfall nach sich ziehen kann.[17] Außerdem hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass eine auch wiederholte bloße Bekundung des Insolvenzgerichts, den jeweiligen Bewerber zwar zu berücksichtigen, wenig plausibel sei, wenn dieser Bewerber dann über einen längeren Zeitraum nicht bestellt werde. Es lag also zunächst die Annahme nahe, dass bei dauerhafter Nichtberücksichtigung eines in die Vorauswahl gelangten Verwalterkandidaten Willkür anzunehmen ist, die dann nach Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. § 23 EGGVG einer gerichtlichen Kontrolle unterworfen ist.

 

Rn 8

Mit der Betonung der Vorauswahl der Verwalterkandidaten nach deren Eignung hat das BVerfG den Weg geebnet, die (Vor-)Auswahl der Verwalterkandidaten zukünftig mehr nach qualitativen Kriterien als nach unüberprüfbaren subjektiven und möglicherweise sachfremden Erwägungen des einzelnen Insolvenzrichters vorzunehmen.[18] Zu den einzelnen Kriterien einer Vorauswahl (persönliche und fachliche Eignung, Ortsnähe, Meidung von Interessenkollisionen etc.) hat sich in der Folgezeit eine rege obergerichtliche Rechtsprechung entwickelt.[19]

 

Rn 9

Nach zwei weiteren obergerichtlichen Entscheidungen des OLG Koblenz[20] und des OLG Stuttgart[21] hat dann auch das BVerfG mit seinem Beschluss vom 23.5.2006[22] die konkrete Verwalterernennung im Einzelfall als Exekutivakt und nicht als spruchrichterliche Tätigkeit angesehen. Außerdem wird ein subjektives Recht des Bewerbers dem Grunde nach durch das BVerfG anerkannt, das sich allerdings in einem Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung des grundsätzlich weiten Auswahlermessens des Insolvenzrichters erschöpft. Aufgrund einer umfassenden Interessenabwägung lässt das BVerfG wegen der insoweit vorrangigen Interessen der am Verfahren beteiligten Gläubiger sowie des Schuldners Rechtsschutz gegen Bestellungsentscheidungen nur sehr eingeschränkt zu. In dieser Entscheidung wird nochmals klargestellt, dass die gerichtliche Auswahlentscheidung nicht zu dem Zweck geschaffen wurde, Insolvenzverwaltern eine berufliche Betätigung zu ermöglichen, so dass sich aus dieser Vorschrift noch kein subjektiv öffentliches Recht ableite. Ungeac...

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