Gesetzestext

 

(1) 1Sind auf Grund des gestaltenden Teils des Insolvenzplans Forderungen von Insolvenzgläubigern gestundet oder teilweise erlassen worden, so wird die Stundung oder der Erlass für den Gläubiger hinfällig, gegenüber dem der Schuldner mit der Erfüllung des Plans erheblich in Rückstand gerät. 2Ein erheblicher Rückstand ist erst anzunehmen, wenn der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit nicht bezahlt hat, obwohl der Gläubiger ihn schriftlich gemahnt hat und ihm dabei eine mindestens zweiwöchige Nachfrist gesetzt hat.

(2) Wird vor vollständiger Erfüllung des Plans über das Vermögen des Schuldners ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, so ist die Stundung oder der Erlass für alle Insolvenzgläubiger hinfällig.

(3) 1Im Plan kann etwas anderes vorgesehen werden. 2Jedoch kann von Absatz 1 nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Vorschrift des § 255 wurde dem Grunde nach dem früheren Vergleichsrecht entnommen und entspricht im Wesentlichen der in § 9 Abs. 1, 2, 4 VerglO verankerten Wiederauflebensklausel.[1] Regelmäßig wird das Insolvenzverfahren mit der Rechtskraft der Bestätigung nach § 258 aufgehoben, so dass auch das Amt des Insolvenzverwalters erlischt (§ 259 Abs. 1).[2] Damit der Schuldner aber auch ohne Überwachung seinen Verpflichtungen aus einem Insolvenzplan nachkommt, hat der Gesetzgeber den Gläubigern mit der sog. Wiederauflebensklausel des § 255 ein erhebliches Druckmittel zur Verfügung gestellt.[3] Allerdings ist § 255 nur dann anwendbar, wenn die Gläubiger auch durch den Schuldner befriedigt werden sollen. Ist hingegen die Befriedigung der Gläubiger durch einen Dritten, insbesondere eine Auffanggesellschaft vorgesehen oder regelt der Plan lediglich die Art der Verwertung des Schuldnervermögens, ist § 255 nicht anzuwenden.[4] Im Zeitpunkt der vollständigen Insolvenzplanerfüllung ist der Anwendungsbereich der Vorschrift ebenfalls nicht mehr eröffnet.[5]

[1] Uhlenbruck-Lüer, § 255 Rn. 1.
[2] Nur wenn die Überwachung der Planerfüllung nach den §§ 260 ff. angeordnet wird, bleibt der Insolvenzverwalter im Amt (vgl. § 261 Abs. 1 Satz 1).
[3] Bork, Rn. 347; Uhlenbruck-Lüer, § 255 Rn. 1.
[4] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I S. 497.
[5] Chardon/Flitsch, DZWIR 2004, 485 ff.

2. Individuelle Hinfälligkeit gegenüber einzelnen Gläubigern

 

Rn 2

Gerät der Schuldner mit der Erfüllung einer gestundeten oder teilweise erlassenen Forderung erheblich in Rückstand, werden Stundung und Erlass für den betroffenen Gläubiger gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 hinfällig.

 

Rn 3

Nach § 255 Abs. 1 Satz 2 ist ein erheblicher Rückstand – unabhängig von inhaltlichen Voraussetzungen (siehe dazu Rn. 7) – in jedem Fall erst dann anzunehmen, wenn der Gläubiger den Schuldner schriftlich (§ 126 BGB) zur Erfüllung seiner fälligen Verbindlichkeit gemahnt, ihm eine zweiwöchige Nachfrist zur Erfüllung gesetzt und der Schuldner dennoch nicht gezahlt hat.[6]

 

Rn 4

Der Mindestzeitraum für die dem Schuldner zu gewährende Nachfrist wurde auf zwei Wochen festgesetzt.

 

Rn 5

Eine von dem Gläubiger auf weniger als zwei Wochen anberaumte Frist setzt nicht "automatisch" die zweiwöchige Frist des § 255 Abs. 1 in Gang; vielmehr ist eine erneute schriftliche Mahnung nötig.[7] Der Begriff des "Verzugs" wird vermieden, da er im Zivilrecht geringere Voraussetzungen hat[8] und dort insbesondere unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Fristsetzung eintreten kann (z.B. kalendermäßige Bestimmtheit der Leistung, endgültige Erfüllungsverweigerung). Würden diese Grundsätze in das Insolvenzrecht übernommen, könnte der Schuldner Gefahr laufen, den Vorteil einer planmäßigen Abwicklung zu verlieren, ohne noch einmal ausdrücklich informiert und gewarnt zu werden.

 

Rn 6

Durch die in § 255 Abs. 1 Satz 2 angeordnete schriftliche Mahnung und Wartezeit soll dem Schuldner auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich die fehlenden Mittel ggf. aus anderen Quellen doch noch zu beschaffen, bevor ihm die Vergünstigungen des Insolvenzplans wieder entzogen werden.

 

Rn 7

Das formale Element des fruchtlosen Verstreichens der von dem Gläubiger gesetzten Frist genügt für einen erheblichen Rückstand i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 1. Weitere materielle Anforderungen, insbesondere ein rückständiger Betrag von hinreichendem Gewicht sind nicht erforderlich.[9] Entsprechend § 279 BGB a.F hat der Schuldner für seine unbedingte Leistungsfähigkeit einzustehen.[10]

 

Rn 8

Die an die Erheblichkeit gestellten Anforderungen werden dann verschärft, wenn der Gläubiger lediglich zweifelhafte Forderungen geltend macht. Handelt es sich um bestrittene Forderungen (vgl. § 179 Rn. 3 f.) oder bloß um unbestimmte Ausfallforderungen von Absonderungsberechtigten, muss der Schuldner, um einen erheblichen Rückstand zu verhindern, lediglich diese Forderungen in Höhe der gerichtlichen Entscheidung über das Stimmrecht des betreffenden Gläubigers befriedigen (§ 256 Rn. 4).

 

Rn 9

Die Rechtsfolgen des § 255 Abs. 1 treten nur für denjenigen Gläubiger ein, in dessen Person die Voraussetzungen erfüllt sind.[11] Gegenüber allen anderen kann der Insolvenzschuldner weiterhin die im Plan vorgesehene...

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