Gesetzestext

 

(1) Beantragt der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund.

(2) 1Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. 2In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.

(3) Wird bei einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persönlich haftenden Gesellschaftern oder allen Abwicklern gestellt, so ist Absatz 1 nur anzuwenden, wenn der oder die Antragsteller zur Vertretung der juristischen Person oder der Gesellschaft berechtigt sind.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Vorschrift statuiert einen Auslösetatbestand für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Als weiterer Eröffnungsgrund neben der Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 und der Überschuldung gem. § 19 besteht zudem bei einem Schuldnerantrag der Insolvenzgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit.

 

Rn 2

Insbesondere der Zeitpunkt der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens soll deutlich vorverlagert werden können, um der bisherigen Masselosigkeit der Insolvenzverfahren aufgrund verspäteter Antragstellungen entgegenzuwirken. Die drohende Zahlungsunfähigkeit, die auf einen Eigenantrag des Schuldners hin den Weg in das Insolvenzverfahren weist, steht begrifflich für einen Zustand, in der die vollständige Befriedigung der Gläubiger gefährdet ist.[1]

 

Rn 3

Sofern sich der Eintritt einer Insolvenz bereits deutlich abzeichnet, soll neben der Möglichkeit von außergerichtlichen Sanierungsbemühungen die Option der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens bestehen, auch mit dem Ziel einer Krisenbewältigung.[2] Kommt eine Sanierung des Schuldnerunternehmens nicht in Betracht, so kann die Vorverlagerung der möglichen Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zumindest dazu führen, dass die Befriedigungsaussichten für die Gläubiger verbessert werden.

 

Rn 4

Um die Möglichkeiten außergerichtlicher Sanierungsversuche nicht einzuschränken und der Gefahr von Gläubigeranträgen auf der Grundlage der drohenden Zahlungsunfähigkeit vorzubeugen, mit denen insolvenzfremde Zwecke verfolgt werden, kann sich nur der Schuldner in zulässiger Weise zur Begründung eines Eigenantrags auf Verfahrenseröffnung auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit berufen.[3] Nur bei einem Eigenantrag kommt der Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit in Betracht.[4]

 

Rn 5

Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist ebenso wie die Zahlungsunfähigkeit unter dem Aspekt allgemeiner Eröffnungsgrund, dass sie grundsätzlich bei allen Rechtsträgern und Vermögensmassen, die insolvenzfähig sind, in Betracht kommen kann. Ausnahme bilden die Versicherungsunternehmen, bei denen nach §§ 311, 312 VAG nur die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung als Eröffnungsgründe in Betracht kommen.[5]

 

Rn 6

Der Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit gibt dem Schuldner ein Antragsrecht, aber keine entsprechende Pflicht.[6] Soweit für den Schuldner mit einem Antragsrecht grundsätzlich korrespondierende, sanktionsbewehrte Antragspflichten existieren, betrifft dies nicht den Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit, sodass die Unterlassung der Antragstellung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Schadensersatzverpflichtungen oder Erstattungsverpflichtungen gem. § 26 Abs. 3 nicht begründet.

[1] BT-Drs. 19/24181, S. 90.
[2] BT-Drs. 12/2443, S. 114.
[3] BT-Drs. 12/2443, S. 114.
[5] HambKomm-Schröder, § 18 Rn. 4.
[6] HambKomm-Schröder, § 18 Rn. 4.

2. Legaldefinition der drohenden Zahlungsunfähigkeit (Abs. 2)

 

Rn 7

Ebenso wie die Eröffnungsgründe der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit legal definiert.

Danach droht der Schuldner zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

Der Begriff der "drohenden Zahlungsunfähigkeit" existiert bereits im Strafrecht (§§ 283, 283d StGB), ohne dass dieser Begriff bislang vom Gesetzgeber definiert wurde. Die Legaldefinition des Abs. 2 soll auch für die strafrechtlichen Bedingungen Relevanz bekommen.[7]

 

Rn 8

Die Beantwortung der Frage, ob Zahlungsunfähigkeit droht, bedarf einer Prognose der zukünftigen Entwicklung der Liquiditätslage des Schuldners.

Bereits für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nach dem früheren Insolvenzrecht wurde vereinzelt gefordert, nicht nur die bereits aktuell fälligen (und ggf. von den Gläubigern ernsthaft eingeforderten) Zahlungspflichten zu berücksichtigen, sondern auch die bereits begründeten, demnächst fällig werdenden Zahlungspflichten, um den Anwendungsbereich der Zahlungsunfähigkeit zu erweitern und der einschränkenden Auslegung des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit entgegenzuwirken.[8]

 

Rn 9

Diesen Gedanken der sog. Zeitraumilliquidität im Gegensatz zur Zeitpunktilliquidität hat der Gesetzgeber mit Schaffung des Eröffnungsgrunds der drohenden Zahlungsunfähigkeit ...

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