Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbliche Nebentätigkeit eines Steuerberaters

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anerkennung einer Genossenschaft als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen steht der Annahme einer gewerblichen Tätigkeit ihrer Organmitglieder nicht entgegen.

 

Normenkette

StBerG § 57 Abs. 2, 4 Nrn. 1-2; WGG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 27.05.1987; Aktenzeichen 2 StO 1/87)

 

Tatbestand

I. Dem Steuerberater wird in der Anschuldigungsschrift zur Last gelegt, durch die Wahrnehmung seiner Aufgaben als Vorstandsmitglied der H.-R. Baugenossenschaft e.G. Gemeinnütziges Wohnungsunternehmen habe er schuldhaft gegen die Berufspflicht verstoßen, sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit dem Beruf eines Steuerberaters unvereinbar ist; er sei „einer gewerblichen und arbeitnehmerähnlichen Tätigkeit nachgegangen” (§ 57 Abs. 1, 2 und 4 Nrn. 1 und 2 StBerG). Nachdem er in erster Instanz freigesprochen worden war, hatte das Oberlandesgericht auf die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen ihn eine Warnung ausgesprochen und diese Verurteilung maßgeblich darauf gestützt, daß er „jedenfalls eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit” ausgeübt habe. Der vom Betroffenen eingelegten Revision hatte der Bundesgerichtshof entsprochen, das Urteil aufgehoben und hierzu ausgeführt, die tatrichterlichen Feststellungen würden eine Verurteilung des Steuerberaters unter diesem Gesichtspunkt nicht rechtfertigen.

Auf Grund der neuen Hauptverhandlung ist das Berufungsgericht zu folgenden Feststellungen gelangt:

Der Betroffene wurde 1980 zum Steuerberater bestellt. Seit Januar 1982 gehört er dem Vorstand der erwähnten Baugenossenschaft an. Diese verfügt über einen Bestand von 1.650 Sozialwohnungen. Im Jahr 1986 ließ sie 41 solcher Wohnungen bauen. Zur Zeit befinden sich 6 Eigentumswohnungen im Bau. Durch § 2 Nr. 4 ihrer Satzung wird festgelegt, daß sie lediglich die durch das Recht über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen zugelassenen Geschäfte und Maßnahmen betreiben darf. Der Vorstand besteht aus insgesamt drei Mitgliedern. Nur eines von ihnen ist hauptamtlich tätig. Vertreten wird die Genossenschaft durch eines der Vorstandsmitglieder zusammen mit einem der beiden anderen oder mit einem Prokuristen. Nach außen tritt „faktisch” das hauptamtliche Mitglied auf. Der Steuerberater ist zwar in erster Linie für die Kontrolle der Buchhaltung zuständig. „Vornehmlich behandelt er mit seinen beiden Vorstandskollegen” aber „allgemeine Geschäftsvorgänge”, u.a. die Vergabe von Aufträgen. Diese Tätigkeiten übt er jeweils montags und mittwochs ab 17.30 Uhr bis höchstens 19.30 Uhr aus. Im Anschluß daran nimmt er ein- bis zweimal monatlich Vorstandssitzungen wahr. Als Entschädigung erhält er jährlich 15.660 DM. Die Satzung bestimmt, daß der Vorstand die Genossenschaft unter eigener Verantwortung leitet und nur die im Gesetz und in der Satzung festgelegten Beschränkungen beachten muß.

Das Oberlandesgericht hat die gegen das freisprechende Urteil des Landgerichts eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft diesmal verworfen. Unter Hinweis auf die Ausführungen des Revisionsgerichts verneint es das Vorliegen der Voraussetzungen des § 57 Abs. 4 Nr. 2 StBerG (Arbeitnehmertätigkeit). Nach seiner Auffassung ist aber auch der Tatbestand des § 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG nicht erfüllt. Hierzu heißt es im Urteil, maßgebend von erwerbswirtschaftlichem Gewinnstreben bestimmte Aktivitäten, wie sie für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit erforderlich seien, hätten weder bezüglich der Vorstandstätigkeit des Steuerberaters selbst noch hinsichtlich des unternehmerischen Handelns der Genossenschaft festgestellt werden können. Das Entgelt, das er von ihr erhalte, sei nicht so hoch, daß deshalb ein derartiges Gewinnstreben des Steuerberaters anzunehmen wäre. Die Genossenschaft als solche verfolge ausschließlich gemeinnützige Zwecke nach Maßgabe des Rechts über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen. Dies stehe einer Bewertung ihrer Tätigkeit als maßgeblich auf Gewinn ausgerichtet entgegen. Zudem ergebe sich aus ihrer Anerkennung als gemeinnütziges Unternehmen, daß ihr wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb über den Rahmen einer Vermögensverwaltung nicht hinausgehe (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (WGG) vom 29. Februar 1940 – RGBl. I 438). Auch deshalb fehle es an einem gewerblichen Handeln der Genossenschaft. Anhaltspunkte für eine sonstige Unvereinbarkeit der Vorstandstätigkeit des Betroffenen mit dem Beruf eines Steuerberaters seien nicht ersichtlich.

Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten – vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revision Verletzung sachlichen Rechts.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 129 Abs. 1 Nr. 3 StBerG) und auch begründet.

1. Das Berufungsgericht verneint eine gewerbliche Tätigkeit der Genossenschaft schon wegen ihrer Anerkennung als gemeinnütziges Wohnungsunternehmen. Gemäß § 1 Abs. 2 WGG gilt die Genossenschaft auf Grund dieser Anerkennung als ein Unternehmen, das ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient und dessen wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb über den Rahmen einer Vermögensverwaltung nicht hinausgeht. Damit werden Umstände für gegeben erachtet, die mit der Annahme einer gewerblichen Tätigkeit an sich unvereinbar wären. Indessen kann fraglich erscheinen, ob aus jener Bestimmung des WGG für das Berufsrecht eine derartige Konsequenz gezogen werden muß.

a) Nach der Amtlichen Begründung zum WGG (abgedruckt in Werner-Meier/Draeger, Die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen, 2. Aufl. S. 80) ist es „Sinn und Zweck der Sonderregelung der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen …, den Trägern des sozial- und staatspolitisch als notwendig und unterstützungswert erkannten Wohnungsbaues eine sichere Rechtsgrundlage für ihre Behandlung im öffentlichen Leben, vor allem im Steuerrecht zu geben. Das macht ihre klare und einwandfreie Kennzeichnung erforderlich. Diese soll durch die im Gemeinnützigkeitsrecht seit Anfang eingeführte 'Anerkennung' gegeben werden. Liegt eine solche vor, so soll eine weitere Prüfung der Frage, ob die von den Steuergesetzen geforderten Voraussetzungen für Befreiungen und dergl. im Einzelfall vorliegen, nicht mehr stattfinden”. Der Schwerpunkt der Regelung ist danach zwar in den steuerrechtlichen Auswirkungen zu sehen. Ihre Bedeutung geht aber hierüber hinaus. Dem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen wird ein Anspruch auf alle Vergünstigungen zuerkannt, die in irgendwelchen Rechtsnormen für gemeinnützige Einrichtungen vorgesehen sind, sofern nicht das Wohnungswesen ausdrücklich ausgeschlossen ist. Dennoch erscheint es nicht selbstverständlich, daß die mit der Gemeinnützigkeitsanerkennung verbundene Feststellung, das Unternehmen diene ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken und ihr wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gehe über den Rahmen einer Vermögensverwaltung nicht hinaus, zur Verneinung der ein Vorstandsmitglied des Unternehmens betreffenden berufsrechtlichen Frage zwingt, ob dieses sich gewerblich betätigt. Das gilt um so mehr, als es sich bei einem gemeinnützigen Wohnungsunternehmen immerhin um ein eigenwirtschaftliches, selbstverantwortliches Unternehmen mit – wenn auch begrenzter – Gewinnorientierung handelt. § 7 Abs. 2 WGG bestimmt zwar, daß das Wohnungsunternehmen für Wohnungsüberlassungen nur einen angemessenen, in der Durchführungsverordnung zu diesem Gesetz geregelten Preis fordern darf. Das in § 13 Abs. 1 dieser Verordnung (WGGVO) i.d.F. vom 24. November 1969 – BGBl. I 2142 – festgelegte Kostendeckungsprinzip schließt aber Gewinne des gemeinnützigen Wohnungsunternehmens nicht aus. Insbesondere können ihm aus der Betreuung fremder Bauherren und aus dem Verkauf von Wohnungen Gewinne erwachsen. Nach § 6 Abs. 3 WGG i.V.m. § 9 Abs. 1 WGGVO darf es verfügbare Mittel in inländischen Wertpapieren und in Anteilscheinen für Fonds aus inländischen Wertpapieren oder in Grundstücken anlegen und sich an Kreditunternehmen sowie Bausparkassen beteiligen. Auch kann ihm durch eine gemäß § 6 Abs. 3 WGG i.V.m. § 10 WGGVO erteilte Ausnahmegenehmigung gestattet werden, einen Gewerbebetrieb zu unterhalten oder andere als „Kleinwohnungen” zu errichten und zu erwerben sowie andere als die in den §§ 6 bis 9 dieser Verordnung bezeichneten Geschäfte zu tätigen, sofern durch sie die Gemeinnützigkeit nicht beeinträchtigt wird. Den Urteilsfeststellungen ist zu entnehmen, daß sich die Baugenossenschaft im vorliegenden Fall in einem solch weiteren Bereich betätigt (zur Zeit Bau von sechs Eigentumswohnungen). Hiernach läßt sich ein Gewinnstreben des gemeinnützigen Wohnungsunternehmens nicht verneinen. Für ihre Mitglieder oder Gesellschafter sind die Gewinne allerdings generell eingeschränkt (§ 9 WGG). Das gilt jedoch – abgesehen von der erwähnten Begrenzung – nicht für das Unternehmen selbst, auch wenn ihm die Verpflichtung obliegt, den erlangten Gewinn, soweit er die zulässigen Ausschüttungen übersteigt, wieder in der Wohnungswirtschaft zu investieren.

b) Betätigt sich ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen in einem derart umfassenden Bereich, wie er vorstehend gekennzeichnet wurde, so gehen seine Aktivitäten – trotz der in § 1 Abs. 2 WGG ausgesprochenen Anerkennungswirkung – in Wirklichkeit über den Rahmen einer bloßen Verwaltung eigenen Vermögens hinaus.

2. Danach kommt eine gewerbliche Betätigung der Baugenossenschaft durchaus in Betracht. In diesem Fall wäre aber auch ein solches Tätigwerden des Steuerberaters gegeben. Sein organschaftliches Handeln wird notwendig vom gewerblichen Charakter der Unternehmenstätigkeit der Genossenschaft geprägt; unerheblich ist, daß er nicht alleiniges Vorstandsmitglied ist, sondern nur gemeinschaftlich mit einem anderen die Genossenschaft vertreten darf (vgl. BGH, Beschluß vom 11. Mai 1981 – AnwZ (B) 34/80).

Der Steuerberater ist in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied auch nach außen erwerbswirtschaftlich in Erscheinung getreten. Durch die nach § 25a Abs. 1 Genossenschaftsgesetz erforderliche Angabe seines Namens auf allen Geschäftsbriefen der Genossenschaft sowie seiner gemäß § 10 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz notwendigen Eintragung in das Genossenschaftsregister war seine Tätigkeit als Vorstandsmitglied der Genossenschaft für jedermann nach außen erkennbar (vgl. BGH EGE XIII, 19, 20).

3. Ob unter diesen Umständen ein Verstoß des Steuerberaters gegen das spezielle Verbot gewerblicher Tätigkeit (§ 57 Abs. 4 Nr. 1 StBerG) angenommen werden muß oder einer solchen Einordnung § 1 Abs. 2 WGG entgegensteht, braucht jedoch im vorliegenden Fall nicht entschieden zu werden. Denn unabhängig von einer dahingehenden Bewertung ist eine mit dem Beruf eines Steuerberaters unvereinbare Tätigkeit (§ 57 Abs. 2 StBerG) gegeben. Das Handeln des Betroffenen weist zumindest so viel Ähnlichkeit mit einer derartigen Tätigkeit auf, daß sich eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen läßt.

Diese Gleichartigkeitsbetrachtung ist hier zulässig, da sich im Zusammenhang mit dem Begriff der gewerblichen Tätigkeit nicht die im Urteil des Senats vom 15. Dezember 1986 – StbSt(R) 2/86 (BGHSt 34, 242, 246ff) erörterte Sonderproblematik ergibt, die nur in bezug auf das Merkmal der Arbeitnehmertätigkeit besteht.

4. Zu einer abschließenden Entscheidung der Sache sieht sich der Senat indes nicht in der Lage. Er kann nicht ausschließen, daß das Berufungsgericht in einer erneuten Hauptverhandlung zu dem Ergebnis gelangt, daß der Steuerberater einem unvermeidbaren Verbotsirrtum erlegen war.

5. Die Entscheidung über die Zurückverweisung der Sache an das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen beruht auf § 130 Abs. 3 Satz 2 StBerG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1974786

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