Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht. Rechtsmittelzug

 

Leitsatz (amtlich)

Der Rechtsmittelzug richtet sich nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften, wenn das Insolvenzgericht kraft besonderer Zuweisung funktional als Vollstreckungsgericht entscheidet.

 

Normenkette

ZPO §§ 766, 793; InsO § 6 Abs. 1, § 36 Abs. 4, § 89 Abs. 3; RpflG § 20 Nr. 17 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Beschluss vom 14.03.2003)

AG Meldorf

 

Nachgehend

LG Bochum (Beschluss vom 18.08.2010; Aktenzeichen I-7 T 433/09)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Itzehoe v. 14.3.2003 wird auf Kosten des Schuldners als unstatthaft verworfen.

Die beantragte Prozesskostenhilfe für das Rechtsmittel wird mangels Erfolgsaussicht abgelehnt.

 

Gründe

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO unstatthaft, weil sie von dem Beschwerdegericht in dem angefochtenen Beschluss nicht zugelassen worden ist.

I.

Der Schuldner ging im Jahre 1980 mit einer Bäckerei in Konkurs. Er war seit dieser Zeit überschuldet. Aus seither getilgten Beitragsansprüchen der Gläubigerin (Innungskrankenkasse) machte diese gegen den Schuldner nach hälftigem Erlass Ende 2002 noch restliche Säumniszuschläge i. H. v. 8.455,12 EUR geltend. Gegen den Rückstand verrechnet die Drittschuldnerin (Landesversicherungsanstalt) monatlich einen Teilbetrag der Altersrente des Schuldners auf Grund fortdauernder Ermächtigung v. 9.7.1981. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen am 6.3.2002 beantragte der Schuldner bei dem Insolvenzgericht, den Rentenabzügen der Landesversicherungsanstalt die Pfändungsfreigrenzen für Arbeitseinkommen zu Grunde zu legen.

Das AG stellte die "Zwangsvollstreckung aus dem Verrechnungsersuchen der Gläubigerin vom 09.07.1981" einstweilen ein und ordnete an, dass die unpfändbaren Teile der Altersrente an den Schuldner auszuzahlen, die pfändbaren Teile an den Insolvenzverwalter abzuführen seien. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hob das LG den angefochtenen Beschluss auf. Hiergegen wendet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde des Schuldners.

II.

Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist ein Beschluss des AG, für den es seine Zuständigkeit nach § 89 Abs. 3 InsO oder § 36 Abs. 4 InsO angenommen hat. Allerdings hätte nach § 20 Nr. 17 S. 2 RpflG dann statt des Rechtspflegers der Richter entscheiden müssen (AG Hamburg NZI 2000, 96; Ganter in MünchKomm/InsO, § 6 Rz. 64). Das LG hat die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts als besonderes Vollstreckungsgericht überhaupt verneint, weil für das Rechtsschutzbegehren des Schuldners die Zuständigkeit des SG als Prozessgericht bestehe.

III.

Gegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts als besonderes Vollstreckungsgericht gem. § 36 Abs. 4, § 89 Abs. 3 InsO hat die Insolvenzordnung keine Beschwerde vorgesehen. Deshalb findet hiergegen gem. § 6 Abs. 1, § 7 InsO auch keine Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohne Zulassung des Beschwerdegerichts statt, an der es vorliegend fehlt.

Dieses, aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut folgende Ergebnis wird nicht durch unabweisbare Gründe der Rechtsschutzgleichheit infrage gestellt. Denn § 793 ZPO eröffnet die Beschwerde gegen Entscheidungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, ohne Einschränkung und allgemein. Die schwebende Insolvenz des Schuldners kann kein Grund sein, ihm oder seinen Gläubigern den Rechtsschutz zur Durchsetzung oder Verhinderung einer Einzelzwangsvollstreckung zu verkürzen. Dies muss auch dann gelten, wenn auf Grund besonderer Zuweisung gem. § 36 Abs. 4, § 89 Abs. 3 InsO das Insolvenzgericht über Erinnerungen gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (§ 766 ZPO; vgl. dazu auch den RegE zur Insolvenzordnung BT-Drucks. 12/2443, 138; Landfermann, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 159 ff., Rz. 35) entscheidet.

Zwar ergibt sich die Spaltung der Rechtsmittelzüge in diesen Fällen noch nicht aus dem Grundsatz, dass § 6 Abs. 1 InsO keine Entscheidungen der Anfechtung entzieht, die lediglich aus Anlass eines Insolvenzverfahrens ergehen, dieses sachlich aber nicht betreffen (vgl. zu dieser Fallgruppe Kirchhof in HK/InsO, 3. Aufl., § 6 Rz. 12, m. w. N.). Denn die Zuständigkeit des Insolvenzgerichts hat das Gesetz hier gerade wegen des Sachzusammenhangs zwischen Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenzverfahren angeordnet; das Insolvenzverfahren ist insoweit unmittelbar durch die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Einzelzwangsvollstreckung betroffen. Die Vorschrift des § 793 ZPO ist aber als die speziellere Norm vorrangig gegenüber § 6 Abs. 1 InsO, wenn das Insolvenzgericht als besonderes Vollstreckungsgericht entscheidet. Daher greift insoweit der allgemeine Vollstreckungsrechtsschutz ein (vgl. LG Traunstein NZI 2000, 438; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, Losebl., 10. Lfg., § 89 Rz. 35; Ganter in MünchKomm/InsO, § 6 Rz. 64), der die Rechtsbeschwerde nur auf Zulassung des Beschwerdegerichts kennt.

 

Fundstellen

BB 2004, 853

BGHR 2004, 910

EBE/BGH 2004, 5

EWiR 2004, 1231

WM 2004, 834

ZIP 2004, 732

DZWir 2004, 208

InVo 2004, 511

MDR 2004, 766

NZI 2004, 278

Rpfleger 2004, 436

ZInsO 2004, 391

VE 2004, 136

ZVI 2004, 197

NJOZ 2004, 3422

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