Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Das Finanzgericht des Saarlandes war im Dezember 1962 ordnungsmäßig konstituiert, da damals der im Urteil VI 186/59 S vom 29. Juni 1962 (BStBl 1962 III S. 426, Slg. Bd. 75 S. 437) festgestellte Verstoß gegen die rechtsstaatliche Ordnung behoben war.

Zur Ablehnung von Richtern der Steuergerichte wegen Befangenheit.

Gegen die Regelung in § 6 FGO-Saar über die Wahl der ehrenamtlichen Finanzrichter bestehen keine Bedenken.

Ob der Wert eines Gebäudes, das auf fremdem Grund und Boden errichtet wird, bereits mit der Fertigstellung oder erst später dem Grundstückseigentümer als Einnahme im Sinne von §§ 21, 11 Abs. 1 EStG zuzurechnen ist, hängt von dem Vertrag zwischen dem Erbauer und dem Grundstückseigentümer ab.

Erlangt der Eigentümer von Grund und Boden mit der Fertigstellung nicht nur bürgerlich-rechtlich, sondern auch wirtschaftlich das Eigentum an dem Haus, so kann ihm entsprechend den Grundsätzen über die Behandlung von Baukostenzuschüssen für jedes Jahr der Nutzung durch den Erbauer ein entsprechender Anteil der Baukosten als Mieteinnahme zugerechnet werden.

FGO-Saar vom 15. Mai 1951 (Amtsblatt des Saarlandes 1951 S. 660) §§ 2, 6; AO § 69; EStG §§ 11,

 

Normenkette

EStG §§ 11, 21

 

Tatbestand

Die Bfin., eine kaufmännische Angestellte, ist Eigentümerin eines Grundstücks, dessen Vordergebäude durch Kriegseinwirkung nahezu völlig zerstört wurde. Im Jahre 1951 schloß sie mit einem Gewerbetreibenden einen Vertrag, durch den sie diesem gestattete, auf dem Grundstück ein Geschäftsgebäude zu errichten, dessen Räume er nach der Fertigstellung des Hauses für zehn Jahre mietfrei benutzen durfte. Dafür, daß dieser für die Dauer des Vertrags auch die Grundsteuer und Vermögensteuer für das Haus übernahm, wurde ihm die mietfreie Nutzung für ein weiteres Jahr zugestanden. Für die Aufnahme von Belastungen des Aufbaus bedurfte er der Zustimmung der Bfin., ebenso für eine Vermietung von Räumlichkeiten, falls er diese nicht für eigene Zwecke benötigte. Als das Finanzamt im Jahre 1956 von dem Wiederaufbau des Hauses gelegentlich einer Vorsprache der Bfin. erfuhr, bei der diese erstmals angab, Eigentümerin des Neubaus zu sein, nahm das Finanzamt berichtigte Einkommensteuer-Veranlagungen für die Jahre 1952, 1953 und 1954 vor sowie eine erste Veranlagung für 1955, bei denen es der Bfin. je ein Elftel der Baukosten vermindert um die anteiligen Absetzungen für Abnutzung (AfA) als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zurechnete. Ihr dagegen gerichteter Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Ihre Berufung führte dagegen zur Freistellung von der Einkommensteuer. Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hob das damals zuständige Oberverwaltungsgericht des Saarlandes dieses Urteil wegen unrichtiger Besetzung des Finanzgerichts auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück.

Das Finanzgericht sah bei seiner erneuten Entscheidung die Berufung der Bfin. nunmehr als unbegründet an. Es bejahte seine Beschlußfähigkeit und stellte fest, daß die Beteiligten trotz der Aufforderung, sich zur Beschlußfähigkeit des Gerichts zu äußern, hierzu keine Erklärung abgegeben hätten. In sachlicher Hinsicht führte das Finanzgericht aus, die Bfin. habe dem Mieter für die Dauer des Vertrags das Grundstück zur Verfügung gestellt und er habe sich zum Bau eines Geschäftshauses nach den genehmigten Plänen auf seine Kosten verpflichtet. Die Bfin. habe ihrerseits das nach § 94 BGB mit der Errichtung in ihr Eigentum übergehende Gebäude dem Mieter für die Dauer des Vertrags mietfrei zur Benutzung überlassen. Die Bfin. sei mit der Fertigstellung des Hauses aber nicht nur rechtliche, sondern auch wirtschaftliche Eigentümerin des Hauses geworden; denn nach § 5 des Vertrages habe der Mieter zur Weitervermietung der Zustimmung der Bfin. bedurft. Das wirtschaftliche Eigentum der Bfin. ergebe sich auch aus § 2 des Vertrages, in dem sie dem Mieter das Recht eingeräumt habe, sämtliche Räume nach ihrer Fertigstellung zu nutzen und aus § 3, in dem sie für ein weiteres Jahr über ihre Rechte aus dem Eigentum verfügt habe, sowie schließlich auch aus § 4 des Vertrages, nach dem Belastungen des Hauses nur mit ihrer Zustimmung zulässig gewesen seien. Entsprechend der Rechtsprechung über die Wiederaufbauverträge sei ein unverzinsliches Darlehen des Mieters in Höhe der Baukosten anzunehmen, das während der Vertragsdauer durch die anteiligen jährlichen Mieten abgedeckt werde (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 196/53 U vom 15. Oktober 1953, BStBl 1953 III S. 317, Slg. Bd. 58 S. 66). Nur bei dieser Auslegung werde eine zutreffende und wirtschaftlich gerechte Besteuerung herbeigeführt. Diese Beurteilung verdiene den Vorzug vor der älteren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der ein Zufließen in Höhe des Wertes des Gebäudes mit der Vertragsbeendigung angenommen habe.

Die Bfin. rügt mit ihrer Rb. verfahrensrechtlich, der Vorsitzende des Finanzgerichts sei früher der Vorsteher des an diesem Rechtsstreit beteiligten Finanzamts gewesen und sei außerdem mit dem derzeitigen Vorsteher dieses Finanzamts verschwägert. Auch sei das Finanzgericht deshalb nicht richtig besetzt gewesen, weil die Rechtsanwaltskammer, die Steuerberaterkammer, die Kammer für Helfer in Steuersachen und schließlich auch die Arbeitskammer des Saarlandes bei der Wahl der ehrenamtlichen Richter nicht beteiligt gewesen seien. Sachlich habe das Finanzgericht zu Unrecht angenommen, daß ihr bereits in den Streitjahren Mieteinnahmen zugeflossen seien. Der wirtschaftliche Wert des Neubaues fließe ihr erst nach dem Auszug des Mieters zu.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Das Finanzgericht hat zunächst geprüft, ob es dem Gesetz entsprechend konstituiert ist. Dazu bestand nicht nur wegen der Verfahrensrügen der Bfin. Anlaß, sondern auch deshalb, weil der Senat in der Entscheidung VI 186/59 S vom 29. Juni 1962 (BStBl 1962 III S. 426, Slg. Bd. 75 S. 437) festgestellt hatte, daß das Finanzgericht Saarbrücken im Juli 1959 nicht ordnungsmäßig konstituiert war. In der nunmehr angefochtenen Entscheidung vom 18. Dezember 1962 hat das Finanzgericht die Ordnungsmäßigkeit seiner Besetzung bejaht. Es hat ausgeführt, daß die in dem Urteil VI 186/59 S (a. a. O.) als schwerer Verstoß festgestellte fehlende Aufteilung der 72 ehrenamtlichen Beisitzer auf die beiden Kammern des Finanzgerichts im Dezember 1962 behoben war. Damit entsprach die Besetzung des Finanzgerichts Saarbrücken dem § 6 der Finanzgerichtsordnung des Saarlandes (FGO-Saar) vom 15. Mai 1951 (Amtsblatt des Saarlandes 1951 S. 660), so daß das Finanzgericht bei Erlaß des angefochtenen Urteils den gesetzlichen Bestimmungen gemäß konstituiert war.

Das Finanzgericht hat allerdings darauf hingewiesen, daß § 6 FGO-Saar bezüglich der Wahl von Vertretern der Notarkammer nicht mit § 34 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) übereinstimme und daß die Arbeitskammer nach der FGO-Saar kein Präsentationsrecht für Laienbeisitzer hat. Hier ist in erster Linie darauf hinzuweisen, daß es grundsätzlich im Ermessen des Gesetzgebers steht, welche Organisationen er bei der Gestellung von Laienbeisitzern beteiligt. Er ist verfassungsrechtlich nicht gehalten, alle oder bestimmte Organisationen heranzuziehen oder andere Organisationen auszuschließen. Daß in § 6 FGO-Saar die Kammer für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte ebenso wie die Rechtsanwaltskammer in der Aufzählung der zur Wahl der Beisitzer des Finanzgerichts berechtigten öffentlich-rechtlichen berufsständischen Vertretungen nicht aufgeführt ist, ergibt sich im übrigen aus dem Grundgedanken des § 50 Abs. 2 Satz 2 AO in Verbindung mit § 34 Abs. 1 Ziff. 4 GVG, daß Interessen-Kollisionen von vornherein ausgeschlossen sein sollen. Ob die Aufnahme der Notarkammer des Saarlands in § 6 Abs. 4 FGO-Saar unter diesen Umständen sinnvoll war, mag zweifelhaft sein. Da bei den Notaren aber erfahrungsgemäß die gerichtliche Vertretung in Steuersachen im Vergleich zu den Rechtsanwälten und insbesondere zu den Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten eine wesentlich geringere Bedeutung hat, ist eine unterschiedliche Behandlung vertretbar. Hinsichtlich der Nichterwähnung der Arbeitskammer in der Aufstellung der wahlberechtigten öffentlich-rechtlichen Körperschaften in § 6 FGO-Saar sei im übrigen noch darauf hingewiesen, daß diese Kammer erst durch das Gesetz vom 30. Juni 1951 (Amtsblatt des Saarlandes 1951 S. 980) errichtet wurde.

Daß der Präsident des Finanzgerichts Saarbrücken den Vorsitz in den beiden Kammern des Gerichts führt, ist gleichfalls kein Grund, die Besetzung des Finanzgerichts zu beanstanden, wie der I. Senat des Bundesfinanzhofs im Urteil I 80/63 U vom 28. April 1964 (BStBl 1964 III S. 388, Slg. Bd. 79 S. 429) entschieden hat. Der erkennende Senat tritt dieser Beurteilung bei.

Ebenso berechtigt der Umstand, daß der Vorsitzende der Kammer des Finanzgerichts früher der Vorsteher des an diesem Verfahren beteiligten Finanzamts war, nicht zu der Annahme, das Finanzgericht sei wegen Befangenheit dieses Richters nicht ordnungsmäßig besetzt gewesen. Es mag zweifelhaft sein, ob die in den §§ 67 ff. AO getroffene Regelung auch den heutigen rechtsstaatlichen Vorstellungen über die Ausschließung und die Ablehnung von Richtern entspricht. Die in diesen Vorschriften verwendete Bezeichnung "Amtsträger" läßt erkennen, daß sich diese Bestimmungen in erster Linie auf die bei den Behörden der Finanzverwaltungen tätigen Beamten beziehen, bei denen eine Befangenheit nicht die gleichen Auswirkungen hat wie bei einem Richter. Die Anwendung dieser Vorschriften auf Richter ist vor allem deshalb bedenklich, weil sie keine Ablehnung eines Richters durch die Prozeßbeteiligten vorsehen, wie dies z. B. in § 42 der Zivilprozeßordnung (ZPO) der Fall ist, der entsprechend auch für das Verfahren bei den Verwaltungsgerichten gilt (§ 54 der Verwaltungsgerichtsordnung). Im Streitfall braucht hierzu jedoch nicht näher Stellung genommen zu werden. Denn ihrem Sinn und Zweck gemäß muß - wie dies auch in § 42 ZPO bestimmt ist - die Ablehnung eines Richters immer bei dem Gericht erfolgen, dem der abgelehnte Richter angehört. Der Einwand der Befangenheit des Kammervorsitzenden des Finanzgerichts wäre daher im Streitfall allenfalls bei dem Finanzgericht vorzubringen gewesen. Das ist aber nicht geschehen. In der Rechtsbeschwerdeinstanz kann diese Rüge jedenfalls nicht nachgeholt werden. Im übrigen wären die in der Rb. hierzu gemachten Ausführungen auch nicht geeignet, die Befangenheit des Kammervorsitzenden des Finanzgerichts ausreichend zu begründen. Sie käme nur in Betracht, wenn dieser Richter während seiner früheren Tätigkeit in der Finanzverwaltung mit der Bearbeitung des vorliegenden Steuerfalles befaßt gewesen wäre. Ebensowenig ist die Schwägerschaft des Kammervorsitzenden zu dem gegenwärtigen Vorsteher des Finanzamts ein Grund für die Befangenheit des Kammervorsitzenden.

In dem sachlichen Streitpunkt ist die Rb. gleichfalls nicht begründet. Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das wiederaufgebaute Haus zwar nach § 94 BGB als wesentlicher Bestandteil des Grund und Bodens in das Eigentum der Bfin. als Grundstückseigentümerin übergegangen ist. Dieser bürgerlich- rechtliche Vorgang bedeutete aber nicht ohne weiteres auch einen Zufluß des Gebäudewertes bei der Bfin. im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung. Ein solcher Zufluß im Sinne von § 11 Abs. 1 EStG liegt erst vor, wenn der Grundstückseigentümer über das auf seinem Grund und Boden errichtete Gebäude tatsächlich verfügen kann. Das ist oft erst der Fall, wenn das Nutzungsrecht des Mieters oder Pächters erloschen ist und das von ihm errichtete Gebäude in die uneingeschränkte Verfügungsgewalt des Grundstückseigentümers gelangt. Das gilt vor allem, wenn der Mieter oder Pächter des Grundstücks vertraglich berechtigt ist, das Gebäude während der Dauer der Nutzung nach Belieben umzubauen oder es wieder abzureißen. Ist dagegen der Mieter oder Pächter nicht in diesem Sinn der wirtschaftliche Eigentümer des von ihm auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäudes, so kann je nach der Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen ihm und dem Grundstückseigentümer entweder bereits mit der Errichtung des Bauwerks oder zu einem späteren Zeitpunkt während der Vertragsdauer der Gebäudewert als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung dem Grundstückseigentümer zufließen.

Ist anzunehmen, daß das Gebäude bereits mit seiner Errichtung in die Verfügungsgewalt des Grundstückseigentümers gelangt ist, so kann es sinnvoll sein, die Grundsätze über die Baukostenzuschüsse entsprechend anzuwenden (siehe Urteil des Bundesfinanzhofs IV 196/53 U a. a. O.; Urteil des Reichsfinanzhofs VI 375/38 vom 22. Juni 1938, RStBl 1938 S. 879, Slg. Bd. 44 S. 274), die nach der Rechtsprechung des Senats eine vertretbare Auslegung des EStG enthalten (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 308/61 S vom 4. Dezember 1962, BStBl 1963 III S. 120, Slg. Bd. 76 S. 329). Das kann insbesondere gerechtfertigt sein, wenn die Errichtung eines Gebäudes im Interesse sowohl des Grundstückseigentümers als auch des Mieters oder Pächters lag.

Im Streitfall hat das Finanzgericht angenommen, daß die Bfin. mit der Fertigstellung des Hauses nicht nur das rechtliche, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum erworben habe. Es hat aber die Grundsätze über die Mietzuschüsse angewendet (z. B. Abschn. 163 Abs. 2 Ziff. 1 EStR 1955) und jährliche Mieteinnahmen in Höhe von je 1/11 der Baukosten angenommen. Daß die Bfin. bereits mit der Errichtung des Gebäudes dessen wirtschaftliche Eigentümerin wurde, ist eine auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegende Feststellung, an die der Senat nach § 288 Ziff. 1 AO gebunden ist, da sie weder einen Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten noch gegen das geltende Recht oder die Denkgesetze erkennen läßt. Diese Beurteilung ist vor allem deshalb möglich, weil der Erbauer des Hauses während der ihm für 11 Jahre zustehenden Nutzung nicht völlig frei über das Haus verfügen konnte, insbesondere bei einer Vermietung und bei Belastungen. Auch die vertragliche Festlegung der Verpflichtung des Erbauers zur Errichtung des Hauses nach den genehmigten Bauplänen unter Erwähnung der ungefähren Baukosten spricht für das wirtschaftliche Eigentum der Bfin. bereits bei Fertigstellung des Bauwerks. Schließlich spricht hierfür auch § 4 des Vertrages, in dem die Bfin. sich das Recht vorbehielt, über die dritte Etage des Hauses zu verfügen.

Der Senat hat nach allem keine Bedenken dagegen, daß das Finanzgericht die Sachbehandlung des Finanzamts gebilligt hat, das entsprechend den für die Baukostenzuschüsse entwickelten Grundsätzen für jedes Jahr 1/11 der Baukosten vermindert um die nach der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Hauses ermittelte AfA, als Mieteinkünfte der Bfin. besteuert hat.

Das Verlangen der Bfin., ihr für die Streitjahre überhaupt keinen Teil des Wertes des Hauses oder der dafür aufgewendeten Baukosten als Mieteinnahmen zuzurechnen, ist nicht berechtigt, da sie nach der vertraglichen Gestaltung vom Finanzgericht ohne Rechtsirrtum als wirtschaftliche Eigentümerin des Gebäudes mit dessen Fertigstellung angesehen werden konnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411418

BStBl III 1965, 125

BFHE 1965, 347

BFHE 81, 347

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