Leitsatz (amtlich)

1. Ein von einem mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Ehemann eingelegter Rechtsbehelf hat nicht ohne weiteres auch die Wirkung eines von der Ehefrau eingelegten Einspruchs.

2. Die Vorschriften über die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften bei wesentlicher Beteiligung (§ 17 Abs. 1 bis 3 EStG) gelten entsprechend, wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird. Die in § 17 Abs. 4 Satz 1 letzter Satzteil EStG enthaltene Einschränkung "soweit die Rückzahlung nicht als Gewinnanteil (Dividende) gilt" hat nur Bedeutung für den Fall der Kapitalherabsetzung.

 

Normenkette

AO § 238 Abs. 1 (AO 1977 § 357 Abs. 1); EStG § 17 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet. Sie wurden für das Streitjahr (1966) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Mit Wirkung vom 1. April 1965 gründeten sie die LL-GmbH. Das Stammkapital dieser Gesellschaft betrug 50 000 DM. Der Kläger war mit 80 v. H. und die Klägerin war mit 20 v. H. beteiligt. Die GmbH-Anteile gehörten zum Privatvermögen der Kläger.

Bis zum 31. März 1965 betrieb der Kläger die Vermittlung von Holzgeschäften in der Form eines Einzelunternehmens. Vom 1. April 1965 an wurde diese Tätigkeit durch die LL-GmbH fortgeführt. Am 31. März 1966 stellte die LL-GmbH ihre werbende Tätigkeit ein. Die Einzelfirma L übernahm wieder die Vermittlung der Holzgeschäfte. Eine anschließend beschlossene Änderung des Gesellschaftszwecks der LL-GmbH, nach der Gegenstand des Unternehmens die Verwaltung eigenen Vermögens und damit zusammenhängende Geschäfte sein sollten, wurde vom Amtsgericht beanstandet.

Am 27. Mai 1966 errichteten die Kläger die Verwaltungsgesellschaft V-GmbH. Deren Stammkapital betrug 20 000 DM. Der Kläger übernahm 15 000 DM, die Klägerin 5 000 DM.

Am 4. August 1966 veräußerten die Kläger ihre Anteile an der LL-GmbH an die V-GmbH. Der Veräußerungspreis betrug 525 000 DM. Hiervon entfielen auf den Kläger 420 000 DM und auf die Klägerin 105 000 DM. Der Veräußerungspreis setzte sich wie folgt zusammen:

Anteilswert 30 000 DM

Ausschüttungsfähiger Gewinn 1965/66 450 000 DM

Gewinn vom 1. April bis 30. Juni 1966 45 000 DM

525 000 DM.

Am 5. August 1966 beschloß die LL-GmbH eine Gewinnausschüttung von 450 000 DM an die V-GmbH. Diese nahm daraufhin eine Teilwertabschreibung in Höhe von 426 000 DM auf die mit den Anschaffungskosten aktivierten Anteile an der LL-GmbH vor. Am 16. September 1966 beschloß die V-GmbH die Umwandlung der LL-GmbH auf sich selbst.

Die Kläger wurden mit Bescheid vom 16. Mai 1968 für das Streitjahr zur Einkommensteuer veranlagt. Dabei wurde entsprechend der am 21. Dezember 1967 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) eingegangenen Einkommensteuererklärung der Gewinn des Klägers aus der Veräußerung seiner Anteile an der LL-GmbH (420 000 DM ./. 40 000 DM Anschaffungskosten = 380 000 DM) als gemäß §§ 17, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tarifbegünstigter Gewinn berücksichtigt. Der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile der Klägerin an der LL-GmbH (105 000 DM ./. 10 000 DM Anschaffungskosten = 95 000 DM) blieb unberücksichtigt. Der Bescheid war "hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb" vorläufig gemäß § 100 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung (AO).

Bereits am 4. März 1968 war beim FA ein Schreiben des FA H vom 28. Februar 1968 eingegangen, aus dem sich alle Tatsachen ergeben, die mit der Veräußerung der Anteile an der LL-GmbH zusammenhängen und in dem es heißt, die Kläger hätten den Umweg über die Neu- und Umgründung gewählt, um mißbräuchlich Steuervorteile zu erlangen. Im Fall einer Gewinnausschüttung an die Kläger hätten Einkünfte aus Kapitalvermögen vorgelegen, die mit dem vollen Steuersatz zu besteuern gewesen wären.

Vier Jahre später, nämlich am 26. Juni 1972, änderte das FA den Steuerbescheid 1966 nach § 225 AO. Bei dieser Änderung wurden unter Hinweis auf § 6 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) statt eines tarifbegünstigten Gewinns aus Gewerbebetrieb von 380 000 DM nicht tarifbegünstigte Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 475 000 DM (525 000 DM Veräußerungspreis der LL-GmbH-Anteile ./. 50 000 DM Anschaffungskosten) berücksichtigt, wovon auf den Kläger 380 000 DM und auf die Klägerin 95 000 DM entfielen.

Der "im Auftrag von Herrn L ... wegen der Behandlung der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Firma LL-GmbH als Einkünfte aus Kapitalvermögen gegen den endgültigen Einkommensteuerbescheid 1966" eingelegte Einspruch wurde durch eine an die Kläger gerichtete Einspruchsentscheidung zurückgewiesen.

Die von den Klägern erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

Die Klage der Klägerin hat das Finanzgericht (FG) als unzulässig abgewiesen, weil nur der Kläger Einspruch eingelegt habe.

Die Klage des Klägers hat das FG als unbegründet abgewiesen, weil das FA berechtigt gewesen sei, bei der nach § 225 AO durchgeführten endgültigen Veranlagung für das Streitjahr, den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile des Klägers an der LL-GmbH als nicht tarifbegünstigte Einkünfte zu behandeln. Die Beschränkung der Vorläufigkeit des ursprünglichen Steuerbescheids für 1966 auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb steht dem nach Meinung der Vorinstanz aus folgenden Gründen nicht entgegen:

1. § 34 EStG komme auch dann, wenn der Betrag von 380 000 DM Gewinn i. S. von § 17 EStG sei, nicht in Betracht, weil es sich bei diesem Betrag nicht um außerordentliche Einkünfte handele.

2. Selbst wenn diese Auffassung nicht zutreffend sein sollte und der Betrag von 380 000 DM unter Anwendung des § 6 Abs. 1 StAnpG als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln sei, stehe die Beschränkung der Vorläufigkeit der Änderung nach § 225 AO nicht im Wege, weil eine Nachforderung aufgrund vorläufig ergangener Steuerbescheide unter dem Grundsatz von Treu und Glauben stehe.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die unzutreffende Anwendung der §§ 17, 34 Abs. 1 und 2 EStG, § 6 Abs. 1 StAnpG, §§ 100 Abs. 1 und 2, 225, 236 ff. AO und §§ 44, 60 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie die unrichtige Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben sowie des einkommensteuerrechtlichen Prinzips der Exklusivität der Einkunftsarten.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Einkommensteuerbescheid 1966 vom 26. Juni 1972 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer um 148 016 DM niedriger festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aufhebung der Einspruchsentscheidung, soweit diese Entscheidung gegen die Klägerin ergangen ist, im übrigen zur Abweisung der Klage der Klägerin.

1. Der Senat ist mit dem FG der Meinung, daß der gemäß § 225 AO endgültige Einkommensteuerbescheid 1966 vom 26. Juni 1972 der Klägerin gegenüber bestandskräftig geworden ist, weil sie gegen diesen Bescheid keinen Rechtsbehelf eingelegt hat.

a) Das Einspruchsschreiben vom 20. Juli 1972 ist von dem Steuerberater D lediglich im Auftrag des Klägers eingelegt worden.

b) Aus der Tatsache, daß der Einspruch sich inhaltlich auf die "Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der Firma LL-GmbH als Einkünfte aus Kapitalvermögen" bezieht, kann nichts anderes entnommen werden, weil der Kläger berechtigt ist, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid auch insoweit anzugreifen, wie dieser Bescheid von seiner Ehefrau bezogene Einkünfte betrifft.

c) Der Senat teilt nicht die Auffassung der Revision, daß ein vom Ehemann eingelegter Rechtsbehelf auch für die Ehefrau eingelegt wird. Aus der in der Literatur (v. Wallis in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 155 AO Anm. 31) vertretenen Auffassung, daß bei Abgabe einer gemeinsamen, von beiden Ehegatten unterschriebenen Einkommensteuererklärung beide Ehegatten sich gegenseitig wirksam zur Vornahme aller im Besteuerungsverfahren erforderlichen Handlungen, also auch zur Rechtsbehelfseinlegung bevollmächtigt hätten, kann nichts anderes hergeleitet werden. Denn - die Richtigkeit dieser Auffassung unterstellt - es ist für eine wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den anderen erforderlich, daß der das Rechtsmittel einlegende Ehegatte klar und unmißverständlich zum Ausdruck bringt, daß er den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten einlegt.

2. Obgleich der gemäß § 225 AO endgültige Einkommensteuerbescheid 1966 vom 26. Juni 1972 gegenüber der Klägerin bestandskräftig geworden ist, weil sie diesen Bescheid nicht mit einem Rechtsbehelf angefochten hat, durfte das FG ihre Klage nicht einfach abweisen; denn die Klägerin hatte im finanzgerichtlichen Verfahren auch die Aufhebung der auch gegen sie gerichteten Einspruchsentscheidung beantragt. Insoweit war ihr Klageantrag begründet; denn die Einspruchsentscheidung des FA vom 24. Januar 1973 durfte nicht gegen die Klägerin ergehen, weil sie - wie unter Nr. 1 dargelegt - keinen Einspruch eingelegt hatte. Die FG-Entscheidung muß daher auch mit Wirkung gegenüber der Klägerin aufgehoben werden. Die Sache ist insoweit spruchreif. Der Senat kann aussprechen, daß die Einspruchsentscheidung, insoweit sie gegenüber der Klägerin ergangen ist, aufgehoben wird. Das hat zur Folge, daß der gemäß § 225 AO endgültige Einkommensteuerbescheid 1966 vom 26. Juni 1972, der am selben Tage zur Post gegeben worden ist, am 31. Juli 1972 der Klägerin gegenüber bestandskräftig geworden ist.

3. Im übrigen ist die Klage der Klägerin abzuweisen.

II. Die Revision der Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des gemäß § 225 AO endgültigen Einkommensteuerbescheids vom 26. Juni 1972, soweit diese Entscheidungen bzw. dieser Bescheid gegen den Kläger wirken. Damit erlangt dem Kläger gegenüber der Einkommensteuerbescheid 1966 vom 16. Mai 1968 wieder Wirksamkeit.

1. Der Kläger greift mit seiner Revision auch die Behandlung des seiner Ehefrau zugerechneten Überschusses aus der Veräußerung der Anteile an der LL-GmbH in Höhe von 95 000 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen an.

a) Die Revision des Klägers ist auch insoweit zulässig, weil der Kläger auch insoweit durch den endgültigen Einkommensteuerbescheid 1966 vom 26. Juni 1972 beschwert ist. Seine Beschwer besteht darin, daß er als Gesamtschuldner für die gesamte Steuerschuld haftet, die durch den gegen beide Ehegatten gerichteten einheitlichen Bescheid i. S. des § 210 Abs. 2 AO festgesetzt worden ist (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 40 FGO Anm. 17).

b) Das FG hat die Abweisung der Klage des Klägers bezüglich des hier erörterten Streitpunktes nicht begründet. Das ist zwar ein absoluter Revisionsgrund (§ 119 Nr. 6 FGO). Trotzdem war die Sache nicht an die Vorinstanz zurückzuverweisen, weil der Umstand, daß die Vorentscheidung in dem dargestellten Umfang nicht mit Gründen versehen ist, nicht gerügt worden ist (Tipke/Kruse, a. a. O., § 119 FGO Anm. 5 und 9).

c) Das FA durfte in dem endgültigen Einkommensteuerbescheid 1966 vom 26. Juni 1972 den der Ehefrau des Klägers zuzurechnenden Überschuß aus der Veräußerung der Anteile an der LL-GmbH in Höhe von 95 000 DM nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zurechnen, weil der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid 1966 vom 16. Mai 1968 nur hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für vorläufig, im übrigen für endgültig erklärt worden war und die Ehefrau des Klägers keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb hatte. Der ursprüngliche Einkommensteuerbescheid vom 16. Mai 1968 muß demzufolge als endgültig angesehen werden, soweit er sich auf die Einkünfte der Ehefrau des Klägers aus der Anteilsveräußerung bezieht. Eine Änderung dieses Bescheids war demzufolge insoweit nach § 225 AO nicht zulässig.

2. Soweit der Kläger mit seiner Revision die Behandlung des ihm zugerechneten Überschusses aus der Veräußerung der Anteile an der LL-GmbH in Höhe von 380 000 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen angreift, kann dahingestellt bleiben, ob das FA berechtigt war, einen endgültigen Bescheid gemäß § 225 AO zu erlassen und ob es dabei - wegen der Einschränkung der Vorläufigkeit auf die "Einkünfte aus Gewerbebetrieb" - die Überschüsse aus der Veräußerung der GmbH-Anteile unter Änderung seiner früheren rechtlichen Beurteilung als solche aus Kapitalvermögen behandeln durfte; denn selbst wenn diese verfahrensrechtliche Möglichkeit zu bejahen wäre, durfte das FA aus materiell-rechtlichen Gründen nicht zu dem Ergebnis kommen, es lägen Einkünfte aus Kapitalvermögen vor, weil entgegen der Auffassung des FG im Streitfall die Voraussetzungen einer Steuerumgehung i. S. des § 6 Abs. 1 StAnpG nicht erfüllt sind.

a) Nach dieser Vorschrift kann die Steuerpflicht nicht durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten umgangen oder gemindert werden. Im Streitfall wurde durch die von den Klägern gewählte Gestaltung die Steuerpflicht weder umgangen noch gemindert.

b) Das FG geht davon aus, daß der einfachste Weg zur Realisierung der Vermögenswerte der LL-GmbH die Liquidation dieser Gesellschaft gewesen wäre. Das FG irrt jedoch, wenn es meint, in einem solchen Falle hätte der Liquidationserlös nach § 20 EStG als Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuert werden müssen. Das ist nicht der Fall, weil einer solchen Besteuerung hinsichtlich der dem Kläger zuzurechnenden Anteile § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG 1965 entgegensteht. Dort ist vorgeschrieben, daß die Absätze 1 bis 3 des § 17 EStG entsprechend anzuwenden sind, wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird.

c) Das FG irrt, wenn es meint, diese Regelung finde auf Rückzahlungen, die als Gewinne (Dividenden) gelten, keine Anwendung; denn diese einschränkende Regelung gilt nach dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 EStG nur für den Fall der Kapitalherabsetzung, aber nicht auch für den der Auflösung. Die beiden Alternativen des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG: "wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird" und "wenn ihr Kapital herabgesetzt ... wird" sind voneinander durch das Wort "oder" getrennt, so daß sich das Wort "zurückgezahlt", das mit der zweiten Alternative durch das Wort "und" verbunden ist, ebenso wie der folgende, mit "soweit" beginnende Satzteil nur auf diese zweite Alternative beziehen kann (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 17 EStG Anm. 292 ff., wo das Tatbestandsmerkmal "Rückzahlungen, die Gewinne (Dividenden) sind" nur in dem die zweite Alternative "Kapitalherabsetzung" behandelnden Abschnitt (Anm. 296 ff.), nicht aber auch in dem die erste Alternative "Auflösung der Kapitalgesellschaft" betreffenden Abschnitt (Anm. 292) abgehandelt wird). Für die hier vertretene Auffassung spricht auch die Tatsache, daß die Gleichstellung des Gewinns aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft mit der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung bereits in § 53 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) ohne die in § 17 Abs. 4 Satz 1 letzter Satzteil vorgeschriebene Einschränkung enthalten war.

d) Ein Mißbrauch i. S. des § 6 StAnpG kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß die Kläger im Endergebnis noch Anteilseigner einer GmbH, nämlich der V-GmbH waren. Sie hätten nämlich, wenn es ihnen auf das Bestehen dieser GmbH angekommen wäre, dieses Ziel auch dadurch erreichen können, daß sie nach Auflösung der LL-GmbH die V-GmbH gegründet hätten.

e) Unzutreffend ist die Auffassung des FG, wonach der dem Kläger zuzurechnende Überschuß von 380 000 DM aus der Anteilsveräußerung, der nach § 17 EStG der Einkommensteuer unterliegt, nicht tarifbegünstigt sei.

Es ist zwar richtig, daß der Sinn und Zweck der Regelung des § 34 Abs. 2 EStG darauf abzielt, die Tarifprogression der in der Vorschrift bezeichneten Einkünfte zu mildern, soweit sie sich als außerordentliche darstellen. Deshalb ist die Tarifvergünstigung nicht zu gewähren bei Veräußerungen gegen laufende Bezüge (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Dezember 1959 IV 223/58 S, BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72 ). Hiervon abgesehen ist bei Veräußerungsgewinnen i. S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG und bei Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter nach § 89b des Handelsgesetzbuches - HGB - (Abschn. 199 Abs. 1 letzter Satz der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -), wenn es sich um die Zahlung einmaliger Beträge handelt, davon auszugehen, daß ein außerordentlicher Charakter stets vorliegt (vgl. Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., § 34 Anm. 7; Blümich/Falk/Uelner/Haas, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 34 Anm. III 2a). Die gegenteilige, vom FG vertretene Auffassung ist auch deshalb abzulehnen, weil sie mit der Forderung nach Vereinfachung des Steuerrechts nicht vereinbar ist. Sie würde es nämlich erforderlich machen, alle Veräußerungsgewinne darauf zu untersuchen, ob ihr Charakter außerordentlich ist oder nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 426124

BStBl II 1985, 296

BFHE 1985, 32

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