Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagebegehren und Klageantrag

 

Leitsatz (NV)

Für die Bestimmung der Klageart kommt es nicht auf die Fassung des Klageantrags, sondern auf den Inhalt des Klagebegehrens an; dieser ist ggf. im Wege der Auslegung zu ermitteln.

 

Normenkette

FGO § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 2 S. 1, § 96 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) machte in der Einkommensteuererklärung 1989 Fahrtkosten als Werbungskosten geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nicht in voller Höhe zum Abzug zuließ. Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger deswegen Klage. Die Klageschrift enthielt den Antrag "festzustellen, daß der Bescheid für 1989 über Einkommensteuer ... unwirksam ist". Zur Begründung war im einzelnen ausgeführt, das FA hätte höhere Werbungskosten berücksichtigen müssen. Außerdem hieß es in der Klageschrift, der Steuerbescheid könne "in der vorliegenden Form keinen Bestand haben und (sei) aufzuheben und durch einen neuen rechtmäßigen Bescheid zu ersetzen". Der Vorsitzende des zuständigen Senats des Finanzgerichts (FG) regte bei den Bevollmächtigten des Klägers an zu überprüfen, ob die Erhebung einer Feststellungsklage im Hinblick auf § 41 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig sei. Nunmehr änderte der Kläger den Klageantrag dahingehend, daß der angefochtene Steuerbescheid aufzuheben sei. In der mündlichen Verhandlung beantragte er, den Bescheid in der Weise zu ändern, daß die Fahrtkosten entsprechend der Steuererklärung berücksichtigt würden.

Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, mit dem Feststellungsantrag als Gegenstand sei die Klage unzulässig. Der Kläger habe nicht dargelegt, daß er durch den Rechtsschein eines nichtigen Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt sein könnte. Insoweit sei der Streitgegenstand einer Feststellungsklage nicht bezeichnet. Auch der Übergang zur Anfechtungsklage sei nicht zulässig. Der Kläger habe eine objektive Klageänderung vorgenommen. Hierfür müsse auf jeden Fall die Klagefrist eingehalten werden. Dies sei hier nicht geschehen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht, weil der fachkundig vertretene Kläger nicht schuldlos an der fristgerechten Erhebung der Anfechtungsklage gehindert gewesen sei.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Er trägt vor, die Klage sei zu Unrecht als unzulässig abgewiesen worden. Für eine Sachentscheidung sei lediglich die Bezeichnung des Streitgegenstandes durch den Sachvortrag, nicht aber ein Klageantrag erforderlich (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99). Das FG habe die Klage allein wegen des ursprünglichen falschen Antrags als Feststellungsklage angesehen, obwohl durch den Sachvortrag eindeutig der Streitgegenstand einer Anfechtungsklage bezeichnet worden sei. Die Klage sei auch begründet. Der Nachweis der beruflich veranlaßten Fahrtkosten sei durch ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch erbracht worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Einspruchsentscheidung die Fahrtkosten entsprechend der Steuererklärung zu berücksichtigen, hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Das FA hält die Klage für zulässig, da es sich rügelos auf die geänderte Klage eingelassen habe. Die Revision sei daher mit dem Hilfsantrag begründet. Mit dem Hauptantrag in der Sache sei die Revision dagegen unbegründet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen.

1. Der Ausgangspunkt der Vorinstanz, der Kläger habe ursprünglich eine Feststellungsklage erhoben und sei erst später im Wege der Klageänderung zur Anfechtungsklage übergegangen, hält der Überprüfung nicht stand. Bei der vorliegenden Klage handelte es sich von vornherein um eine Anfechtungsklage i. S. von § 40 Abs. 1, § 100 Abs. 2 FGO.

a) Für die Einordnung und Würdigung einer Klageart kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt des Klagebegehrens, d. h. auf den Charakter des begehrten Urteilsspruchs an, der ggf. im Wege der Auslegung zu ermitteln ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 1983 II R 71/82, BFHE 140, 13, BStBl II 1984, 446; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 40 Anm. 11). In der Auslegung prozessualer Willenserklärungen, die im erstinstanzlichen Klageverfahren abgegeben worden sind, ist das Revisionsgericht frei; es ist insoweit auch nicht an die Auslegung durch die Vorinstanz gebunden (BFH-Urteil vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH/NV 1986, 171).

b) Das Wesen der vorliegenden Klage wird nicht durch den unpassenden Feststellungsantrag bestimmt, sondern durch das Klagebegehren, das sich auf die Berücksichtigung höherer als der vom FA anerkannten Fahrtkosten im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit richtet. Hierfür kommt nach dem Klagensystem der FGO nur die Anfechtungsklage in Betracht. Zwar ist es nach dem Textzusammenhang der Klageschrift auch denkbar, daß die Prozeßbevollmächtigte des Klägers irrigerweise annahm, zunächst müsse die Unwirksamkeit des angefochtenen Steuerbescheids durch das Gericht festgestellt werden und sodann habe das FA einen berichtigten Bescheid zu erlassen. Diese Auslegung ist jedoch bereits deshalb abzulehnen, weil ihr Ergebnis der Gesetzeslage (§§ 40 Abs. 1, 41 Abs. 2 Satz 1 FGO) widersprechen würde und eine derartige Fehleinschätzung bei einem Rechtsanwalt völlig untypisch wäre. Prozeßerklärungen sind nach dem Grundsatz auszulegen, daß im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 10. März 1994 IX ZR 1523/93, Neue Juristische Wochenschrift 1993, 1537, 1538, m. w. N.).

c) Die Auffassung des FG, wegen der Fassung des Klageantrags manifestiere sich in der Klageschrift eine Feststellungsklage, verkennt die Unterscheidung zwischen Klagebegehren und Klageantrag (vgl. dazu BFH-Urteil vom 23. November 1988 X R 1/86, BFHE 155, 521, BStBl II 1989, 376). Der Kläger hatte mit der Darlegung, inwiefern der angefochtene Einkommensteuerbescheid rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze, dem FG das Ziel der Klage, d. h. das Klagebegehren, zur Kenntnis gebracht. Allein hieran war das Gericht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Mit der in offensichtlichem Widerspruch zum Inhalt des Klagebegehrens stehenden Antragfassung durfte es den Kläger nicht an einer anderen Klageart festhalten.

d) Im Hinblick darauf, daß von Beginn an eine Anfechtungsklage vorlag, stellt sich im Gegensatz zur Auffassung des FG die Frage einer Klageänderung nicht.

2. Da das FG die Klage als unzulässig behandelt hat, obwohl es hätte in der Sache entscheiden müssen, war die Vorentscheidung wegen Verfahrensmangels aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird über die mit der Klage geltend gemachten höheren Werbungskosten eine Sachentscheidung zu treffen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421804

BFH/NV 1997, 249

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