Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Besicherung als Kriterium des Fremdvergleichs bei Darlehensvertrag zwischen nahen Angehörigen

 

Leitsatz (NV)

Bei Darlehen zwischen nahen Angehörigen, die nach ihrem Anlass wie von einem Fremden gewährt worden sind, ist eine fehlende Besicherung als Kriterium des Fremdvergleichs zu berücksichtigen; ihr kommt aber für sich alleine genommen keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, §§ 12, 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 05.07.2006; Aktenzeichen 2 K 10/06; DStRE 2008, 801)

 

Tatbestand

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Eheleute in den Streitjahren 1996 und 1997 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im Jahr 1994 erwarb die Klägerin zwei Eigentumswohnungen; die Anschaffungskosten betrugen insgesamt 444 278 DM. Zur Finanzierung des Erwerbs nahm sie zwei Darlehen bei der Volksbank (G) über 330 000 DM und über 60 000 DM auf, welche durch auf den Eigentumswohnungen lastende Gesamtgrundschulden in Höhe von 390 000 DM und eine Bürgschaft des Klägers in gleicher Höhe gesichert wurden. Außerdem schloss die Klägerin mit dem Kläger im Januar 1995 einen Darlehensvertrag über 70 000 DM, in dem die Kläger lediglich einen jährlichen Zinssatz von 9 % vereinbarten; der Zinssatz wurde im Hinblick auf die Bürgschaft des Klägers mit 1 % über dem Darlehenszins der Volksbank G festgelegt. Im August 1995 und im Oktober 1996 gewährte der Kläger der Klägerin zu den gleichen Bedingungen weitere Darlehen in Höhe von 6 000 DM und in Höhe von 4 000 DM. Im Dezember 1997 änderten die Kläger die Darlehensverträge dahingehend, dass die Darlehensbeträge mit Wirkung zum 1. Januar 1998 jährlich mit 6 % zu verzinsen seien.

Die Klägerin machte in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre an den Kläger gezahlte Schuldzinsen in Höhe von 6 901 DM (1996) und in Höhe von 7 200 DM (1997) als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte diese Beträge nicht. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 801 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Nach ihrer Auffassung seien die Darlehensverträge zwischen den Klägern auch steuerrechtlich anzuerkennen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre dahin zu ändern, dass bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in Höhe von 6 901 DM (1996) und in Höhe von 7 200 DM (1997) berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Beurteilung der Darlehensverträge zwischen den Klägern am Maßstab des Fremdvergleichs durch das FG hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Vertragsverhältnisse zwischen nahen Angehörigen steuerrechtlich grundsätzlich anzuerkennen, wenn die Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Diese Anforderungen gründen auf der Überlegung, dass es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem Interessensgegensatz fehlt und zivilrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden können. Im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung ist es daher geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (BFH-Urteil vom 7. Juni 2006 IX R 4/04, BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294, m.w.N.).

Die besonderen Anforderungen der Rechtsprechung bilden Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes) zugehörig sind (BFH-Urteil in BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294). Die revisionsrechtliche Überprüfung der Gesamtwürdigung des FG durch den BFH beschränkt sich darauf, ob das FG von zutreffenden Kriterien ausgegangen ist, alle maßgeblichen Beweisanzeichen einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat (BFH-Urteil vom 24. August 2004 IX R 28/03, BFH/NV 2005, 50, unter II.3.b, m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben ist die Gesamtwürdigung des FG rechtsfehlerhaft.

a) Zutreffend hat das FG allerdings --entgegen der Auffassung der Kläger-- die fehlende Besicherung sowie die Vereinbarung nachschüssig zu entrichtender Zinsen als Kriterien des Fremdvergleichs berücksichtigt. Bei einem Darlehen ist die Fremdüblichkeit anhand der Vereinbarung über die Laufzeit und Rückzahlbarkeit des Darlehens, der regelmäßigen Entrichtung der Zinsen sowie der Darlehensbesicherung zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 2000 VIII R 50/97, BFHE 191, 267, BStBl II 2000, 393, m.w.N.).

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich hinsichtlich der fehlenden Besicherung auch nicht daraus, dass die Darlehen nach ihrem Anlass wie von einem Fremden gewährt worden sind; der Kläger stellte der Klägerin die Geldbeträge aus seinem Vermögen zur Verfügung, weil die Klägerin das Geld für die teilweise Finanzierung der Wohnungen und den Ausgleich von Negativsalden benötigte. Zwar kommt bei solchen Darlehen den Modalitäten der Darlehenstilgung und der Bestellung von Sicherheiten erheblich geringere Bedeutung zu als der Abgrenzbarkeit zum in Wahrheit zinslosen Darlehen oder zur verschleierten Schenkung des Betrags (BFH-Urteil vom 4. Juni 1991 IX R 150/85, BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838). Dies bedeutet aber nicht, dass eine fehlende Besicherung nicht in die Gesamtwürdigung einzubeziehen wäre. Ihr kommt nur für sich allein keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

b) Zu Unrecht hat das FG jedoch den Umstand, dass die Kläger den jährlichen Zinssatz mit Wirkung zum 1. Januar 1998 von 9 % auf 6 % reduziert haben, als Kriterium für den Fremdvergleich herangezogen. Abgesehen davon, dass dieser Umstand nur ein Beweisanzeichen dafür sein könnte, ob die Darlehensverträge ggf. auch nach dem 31. Dezember 1997 steuerrechtlich anzuerkennen sind, ist die Vereinbarung eines relativ niedrigen Zinssatzes grundsätzlich hinzunehmen (BFH-Urteil in BFHE 165, 53, BStBl II 1991, 838). Demgegenüber hat das FG in seine Gesamtwürdigung nicht einbezogen, ob die Klägerin die vereinbarten Darlehenszinsen tatsächlich fortlaufend an den Kläger gezahlt hat.

3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH kann den Fremdvergleich, der die Würdigung der Beweisanzeichen bedeutet, nicht selbst vornehmen. Das FG hat daher im zweiten Rechtsgang die streitbefangenen Darlehensverhältnisse insgesamt neu zu beurteilen.

Es muss jedoch vorrangig prüfen, ob die Darlehensverträge nur zum Schein (§ 41 Abs. 2 der Abgabenordnung) abgeschlossen wurden (vgl. zur Prüfung, ob ein Scheingeschäft vorliegt BFH-Urteil vom 28. Januar 1997 IX R 23/94, BFHE 182, 542, BStBl II 1997, 655, m.w.N.). Denn nach den tatsächlichen Feststellungen des FG --die Klägerin bezog im Streitjahr 1997 nur einen Arbeitslohn in Höhe von 16 104 DM, die auf den Eigentumswohnungen zugunsten der Volksbank G lastenden Gesamtgrundschulden überschritten die übliche Beleihungsgrenze, die Schuldzinsen überstiegen in den Streitjahren die Mieteinnahmen und der Kläger gewährte die weiteren Darlehen zum Ausgleich von Negativsalden-- ist fraglich, ob die Klägerin wirtschaftlich in der Lage war, Zins- und Tilgungsleistungen aufzubringen. Dass der Darlehensnehmer wirtschaftlich nicht oder nur schwer in der Lage ist, die Zins- und/oder Tilgungsleistungen aufzubringen, kann ein Beweisanzeichen für das Vorliegen eines Scheingeschäfts sein (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 7. November 2006 IX R 4/06, BFHE 216, 479, BStBl II 2007, 372).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2078301

BFH/NV 2009, 12

HFR 2009, 353

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