Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit einer unter Berufung auf den BVerfGBeschluß vom 15. Mai 1984 1 BvR 464/81 u.a. (BStBl II 1984, 608)* erhobenen Restitutionsklage

 

Leitsatz (NV)

1. Für eine auf § 580 Nr. 6 ZPO gestützte Restitutionsklage ist trotz der Regelung in § 134 FGO i.V.m. § 584 Abs. 1 letzter Teilsatz ZPO das Revisionsgericht zuständig, wenn mit der Restitutionsklage keine tatsächlichen Feststellungen angefochten werden, sondern ausschließlich geltend gemacht wird, das Revisionsgericht habe sich zur Begründung seiner Entscheidung auf ein Urteil gestützt, dem das BVerfG nicht gefolgt sei.

2. Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmales ,,gegründet" in § 580 Nr. 6 ZPO.

3. Aus dem Umstand, daß das BVerfG mit Gesetzeskraft entschieden hat, § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG sei verfassungskonform dahin auszulegen, daß bei belastet erworbenem Vermögen im Ausmaß der Belastung neben SchenkSt nicht GrESt erhoben werden dürfe, ergibt sich kein Wiederaufnahmegrund.

 

Normenkette

BVerfGG § 31 Abs. 2, § 79; ErbStG 1974 § 25; FGO § 134; GrEStG 1940 § 3 Nr. 2; ZPO § 580 Nr. 6, § 584 Abs. 1, § 586

 

Tatbestand

Dem Kl. war von seiner Mutter und von deren Schwester ein bebautes Grundstück, das ihnen je zur ideellen Hälfte gehört hatte, schenkungshalber unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen worden. Den Erwerb der Grundstückshälfte durch den Kl. von seiner Tante hatte das beklagte FA im Ausmaß der Nießbrauchsbelastung der GrESt gemäß § 3 Nr. 2 Satz 2 des damals geltenden GrEStG der GrESt unterworfen. Außerdem hatte es SchenkSt festgesetzt, die es bis zum Erlöschen der Nießbrauchsbelastung zinslos stundete.

Die gegen den GrESt-Bescheid erhobene Klage, mit der der Kl. geltend gemacht hatte, daß für die Erhebung der GrESt aus der Nießbrauchsbelastung wegen des § 25 ErbStG 1974 kein Raum mehr sei, ist ohne Erfolg geblieben. Der erkennende Senat hat die gegen das klagabweisende Urteil des FG eingelegte Revision durch Vorbescheid vom 8. Oktober 1980 II R 160/78 zurückgewiesen und sich dabei auf sein Urteil vom 8. Oktober 1980 II R 56/79 (BFHE 131, 532, BStBl II 1981, 74) gestützt.

Nach Rechtskraft des Vorbescheides erging am 15. Mai 1984 der Beschluß des BVerfG 1 BvR 464/81 u.a. (BStBl II 1984, 608), der § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG verfassungskonform dahin auslegte, daß bei belastet erworbenem Vermögen im Ausmaß der Belastung neben der SchenkSt keine GrESt zu erheben sei. Das BVerfG ist damit nicht der Auffassung des erkennenden Senats in seinem Urteil in BFHE 131, 532, BStBl II 1981, 74, gefolgt, das allerdings nicht Gegenstand des Verfassungsbeschwerdeverfahrens war.

Der Kl. hat durch Schriftsatz vom 28. November 1984 Restitutionsklage erhoben und sich dabei auf § 580 Nr. 6 ZPO gestützt. Hilfsweise hat er beantragt, die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Restitutionsklage ist als unzulässig abzuweisen.

1. Der erkennende Senat bejaht seine Zuständigkeit für die Entscheidung über die Restitutionsklage.

Grundsätzlich ist allerdings ein Revisionsgericht in den Fällen des § 580 Nr. 6 ZPO nicht für die Entscheidung über das Wiederaufnahmegesuch zuständig, wie sich aus § 584 Abs. 1 Halbsatz 3 ZPO, der über § 134 FGO auch für das finanzgerichtliche Verfahren gilt, ergibt. Die Rechtsprechung hat jedoch eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts bei einer Restitutionsklage auch dann angenommen, wenn vom Revisionsgericht getroffene tatsächliche Feststellungen angefochten werden (vgl. das Urteil des BFH vom 30. Oktober 1967 VI K 1/67, BFHE 90, 454, BStBl II 1968, 119). Darüber hinaus ist nach der Auffassung des erkennenden Senats eine Zuständigkeit des Revisionsgerichts in den Fällen des § 580 Nr. 6 ZPO auch dann anzunehmen, wenn durch die Restitutionsklage keine tatsächlichen Feststellungen angefochten werden, sondern vielmehr ausschließlich geltend gemacht wird, das Revisionsgericht habe sich zur Begründung seiner Entscheidung auf ein Urteil gestützt, dem das BVerfG nicht gefolgt sei. Denn in einem solchen Falle bedarf es in einem Restitutionsverfahren keiner weiteren Feststellungen durch die Tatsacheninstanz.

2. Offenbleiben kann, ob die Restitutionsklage fristgerecht (vgl. § 134 FGO i.V.m. § 586 ZPO) erhoben worden ist. Denn die Restitutionsklage ist deshalb unzulässig, weil der Kl. keinen zugelassenen Restitutionsgrund schlüssig behauptet hat (vgl. Beschluß des Kammergerichts vom 25. November 1968 1 W 338/68, OLGZ 1969, 114, 121).

Entgegen der Auffassung des Kl. ist nicht das Urteil in BFHE 131, 532, BStBl II 1981, 74 vom BVerfG aufgehoben worden. Aufgehoben worden ist der in einer anderen Sache ergangene Beschluß vom 16. Dezember 1981 II B 53/81, durch den eine wegen Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen worden ist.

Aber auch wenn das BVerfG das Urteil in BFHE 131, 532, BStBl II 1981, 74 aufgehoben hätte, käme eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 580 Nr. 6 ZPO nicht in Betracht. Die Wiederaufnahme nach dieser Vorschrift ist nur für den Fall vorgeschrieben, daß das Urteil, dessen Aufhebung im Wiederaufnahmeverfahren betrieben wird, auf die aufgehobene Entscheidung ,,gegründet" worden ist. Ein Urteil ist nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht schon dann auf ein aufgehobenes Urteil gegründet, wenn es in gleicher Weise begründet worden ist, wie das Urteil, dessen Aufhebung im Wiederaufnahmeverfahren begehrt wird. Sollte sich aus dem Beschluß des Kammergerichts vom 25. November 1968 1 W 338/68 (OLGZ 1969, 114, 121) etwas anderes ergeben, so könnte der erkennende Senat dieser Auffassung nicht folgen.

Der Ausdruck ,,gegründet" setzt voraus, daß zwischen dem aufgehobenen Urteil und dem Urteil, das dem Wiederaufnahmeverfahren zugrunde liegt, ein konkreter Ursachenzusammenhang besteht, was bei einer gleichlautenden Begründung nicht der Fall ist. Dabei kann unerörtert bleiben, ob eine unmittelbare Wirkung des aufgehobenen Urteils auf das Urteil, dessen Aufhebung im Wiederaufnahmeverfahren begehrt wird, ausreicht (so der Beschluß des BFH vom 27. September 1977 VII K 1/76, BFHE 123, 310, BStBl II 1978, 21) oder ob es erforderlich ist, daß das Urteil, dessen Aufhebung begehrt wird, mindestens eine tatsächliche Feststellung aus dem aufgehobenen Urteil benutzt hat (so Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 43. Aufl., § 580 Tz. 3).

Auch aus der Tatsache, daß das BVerfG mit Gesetzeskraft (vgl. § 31 Abs. 2 BVerfGG) dahin entschieden hat, daß § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG verfassungskonform dahin auszulegen ist, daß bei belastet erworbenem Vermögen im Ausmaß der Belastung neben der SchenkSt keine GrESt zu erheben ist, ergibt sich kein Wiederaufnahmegrund, wie § 79 Abs. 2 BVerfGG zeigt. Eine Wiederaufnahme ist nur für den Strafprozeß vorgesehen (vgl. § 79 Abs. 1 BVerfGG).

Anmerkung

* § 3 Nr. 2 Satz 2 des GrEStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, daß bei belastet erworbenem Vermögen im Ausmaß der Belastung neben der SchenkSt keine GrESt zu erheben ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414054

BFH/NV 1986, 164

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