Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsentscheidung; Verarbeitung von Rechtsausführungen in den Entscheidungsgründen; Änderbarkeit von im Rechtsbehelfsverfahren geänderten Vorbehaltsbescheiden; Sachaufklärungsrüge; einheitlicher Gewerbebetrieb bei GbR
Leitsatz (NV)
1. Das Übergehen eines selbständigen Angriffsmittels in den Entscheidungsgründen führt nicht zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung, wenn es zur Begründung des Klageantrags ungeeignet ist.
2. Bis zur abschließenden Prüfung dürfen auf Einspruch erlassene Änderungsbescheide, in denen der Vorbehalt der Nachprüfung aufrechterhalten worden ist, erneut geändert werden. Ihnen kommt keine erhöhte Bestandskraft allein deswegen zu, weil sie im Rechtsbehelfsverfahren ergangen sind.
3. Gewerbesteuerrechtlich bilden - wie bei Personenhandelsgesellschaften - auch die von einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts unterhaltenen, an sich selbstänigen Betriebe einen einheitlichen Gewerbebetrieb.
Normenkette
AO 1977 § 164 Abs. 2, § 365 Abs. 1, § 367 Abs. 2 S. 1; BGB §§ 133, 157, 705; EStG 1986 § 15 Abs. 3 Nr. 1; FGO §§ 76, 96 Abs. 2, § 118 Abs. 2, § 120 Abs. 2 S. 2; GewStG 1984 § 2 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). An der Gesellschaft sind die Gesellschafter X und Y je hälftig beteiligt.
Die Gesellschaft wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Mai 1980 zum Zwecke des gemeinschaftlichen Betriebs einer Gaststätte gegründet (§ 1). Nach § 3 des Vertrags waren die Gesellschafter im Rahmen der dort bestimmten Grenzen allein zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft befugt. Zu im einzelnen aufgeführten Grundlagengeschäften, u.a. zur Eröffnung einer Zweigstelle, war Stimmenmehrheit erforderlich. Zu einer Abänderung des Gesellschaftsvertrags ist gemäß § 11 die Zustimmung aller Beteiligter notwendig. Änderungen des Vertrags sollen nur wirksam sein, wenn sie schriftlich niedergelegt und von beiden Gesellschaftern unterzeichnet werden.
Am 1. Januar 1984 wurde die Schank- und Speisewirtschaft ,,A" eröffnet. Die Klägerin erstellte für die Gaststätten getrennte Jahresabschlüsse und reichte für die Streitjahre 1984 und 1985 ebenfalls getrennte Gewerbesteuererklärungen ein.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) faßte jedoch in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Gewerbesteuermeßbescheiden für 1984 und 1985 die Besteuerungsgrundlagen zuasammen. Im Rechtsbehelfsverfahren bestritt die Klägerin eine wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Verknüpfung der Betriebe.
Das FA erließ daraufhin unter Aufrechterhaltung des Nachprüfungsvorbehalts gesonderte Gewerbesteuermeßbescheide. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ das FA erneut gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Gewerbesteuermeßbescheide, in denen es die Ergebnisse wiederum für beide Gaststätten zusammenfaßte. Die Einsprüche wies das FA unter Hinweis auf § 2 Abs. 2 Nr.1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) 1984 als unbegründet zurück.
Mit der Klage wandte sich die Klägerin gegen die Annahme eines einheitlichen Gewerbebetriebs. Bei einer Mehrheit von Betrieben einer Personengesellschaft gälten ähnliche Grundsätze wie bei Einzelunternehmern. Im übrigen sei durch den ersten Änderungsbescheid bestandskräftig über den Streitpunkt entschieden worden. Trotz des Nachprüfungsvorbehalts sei insoweit keine erneute Änderung mehr zulässig.
Im Anschluß an eine zur wirtschaftlichen, finanziellen und organistorischen Trennung der Gaststätten durchgeführten Beweisaufnahme nach der die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, wies das Finanzgericht (FG) die Klage ab.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts (§ 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, § 2 Abs. 2 Nr.1 GewStG).
1. Die angefochtene Entscheidung stelle ein Überraschungsurteil dar. Die Klägerin habe mit dieser Begründung nach Durchführung der Beweisaufnahme nicht rechnen können. Diese wäre überflüssig gewesen, wenn BGB-Gesellschaften grundsätzlich keine selbständigen Betriebe i.S. des GewStG unterhalten könnten. In der Beweisaufnahme sei darauf hingewiesen worden, es sei über die wesentliche Frage zu befinden, ob eine geringfügige organisatorische Überschneidung bereits zu einer Verflechtung beider Betriebe führe. Wäre auf die geänderte Rechtsauffassung hingewiesen worden, so hätte geprüft werden müssen, ob bezüglich des ,,A" eine weitere BGB-Gesellschaft geschlossen worden sei.
2. Es müsse zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen werden, ob eine weitere BGB-Gesellschaft bestanden habe für den Betrieb der Speisegaststätte ,,A".
3. Die Möglichkeit, Zweigstellen zu errichten, berechtigte nicht zu der Annahme, das ,,A" sei eine solche unselbständige Zweigstelle. Dagegen spreche schon die Betriebsstruktur.
4. Das FG setze sich nicht mit der unzutreffenden Anwendung des § 164 As.2 AO 1977 auseinander. Die ersten Änderungsbescheide seien aufgrund abschließender Prüfung und nach umfassender schriftlicher Erörterung in einem Rechtsbehelfsverfahren ergangen. Somit berechtige auch ein Nachprüfungsvorbehalt nicht zu einer erneuten Änderung bezüglich desselben Streitpunktes. Das Einspruchsverfahren solle eine gerichtliche Instanz ersetzen. Den Entscheidungen über den in vollem Umfang geprüften Sachverhalt müsse - auch im Interesse effektiven Rechtsschutzes - eine entsprechende Bindungswirkung zukommen (Urteil des FG Köln vom 2. Juli 1980 VIII 227/77 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 47).
5. § 2 Abs. 2 Nr.1 GewStG könne auf BGB-Gesellschaften nicht angewendet werden. Die zu einer AG ergangene Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Februar 1989 III R 78/86 (BFHE 156, 320, BStBl II 1989, 467) sei nicht auf den Streitfall zu übertragen. Für die BGB-Gesellschaft sei nicht die Form, sondern der gemeinsame Zweck das entscheidende Merkmal.
Dieser Zweck richte sich nach dem vorhandenen wirtschaftlichen Organismus und damit nach dem Gewerbebetrieb, wie er sich auch bei Einzelunternehmern finde. Anders als bei der Personenhandelsgesellschaft könnten Mitunternehmer bei anderen Zusammenschlüssen mehrere Zwecke verfolgen. Die Zusammenfassung in einem schriftlichen Gesellschaftsvertrag sei ohne Bedeutung (Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 2. Aufl., § 2 Anm.15). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 2 GewStG gebiete, die für Einzelunternehmer geltenden Grundsätze auch auf die BGB-Gesellschaft anzuwenden. Eine freie Rechtsformwahl gebe es nämlich insoweit nicht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
a) Die Klägerin legt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) nicht schlüssig dar (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO; Beschluß des BFH vom 21. April 1986 IV R 190/85, BFHE 146, 357, BStBl II 1986, 568).
aa) Soweit die Klägerin rügt, das FG habe seine Entscheidung nach dem Verfahrensablauf überraschend auf die Einheitsbeurteilung nach § 2 Abs. 2 Nr.1 GewStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung gestützt, trägt sie nicht vor, was sie bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch ausgeführt hätte. Diese Substantiierungspflicht folgt daraus, daß eine Verletzung des rechtlichen Gehörs immer voraussetzt, daß dem Betroffenen - gleich durch welche Maßnahme - die Möglichkeit zu weiteren Ausführungen genommen worden ist (BFH-Beschluß vom 16. Januar 1986 III B 71/84, BFHE 145, 497, BStBl II 1986, 409; Urteil vom 23. Januar 1985 I R 292/81, BFHE 143, 325, BStBl II 1985, 417).
bb) Ebensowenig ist die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs schlüssig erhoben, soweit die Klägerin behauptet, das FG habe sich mit seinen rechtlichen Ausführungen zur Nichtanwendbarkeit des § 164 Abs. 2 AO 1977 auf im Einspruchsverfhren unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Änderungsbescheide wegen erhöhter Bestandskraft nicht auseinandergesetzt.
Art. 103 Abs. 1 GG gewährt das Recht, sich über Tatsachen, Beweisergebnisse und die Rechtslage zu äußern (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 30. Oktober 1990 2 BvR 562/88, BVerfGE 83, 24, 25; vom 17. Mai 1983 2 BvR 731/80, BVerfGE 64, 135, 143; vom 9. Juli 1980 2 BvR 701/80, BVerfGE 55, 1, 6, ständige Rechtsprechung). Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß ein Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen nicht nur zur Kenntnis, sondern auch in Erwägung gezogen hat. Ein Verstoß gegen diese Pflicht läßt sich nur feststellen, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des konkreten Falles ergibt (Beschlüsse des BVerfG vom 25. Mai 1956 1 BvR 128/56, BVerfGE 5, 22, 24; vom 19. Juli 1967 2 BvR 639/66, BVerfGE 22, 267, 274; vom 12. Oktober 1988 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51, 61, ständige Rechtsprechung; BFH-Urteile vom 4. Juli 1989 IX R 192/85, BFH/NV 1990, 229; vom 6. Dezember 1983 VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227).
Diese Vermutung wird nicht bereits dadurch entkräftet, daß das betreffende Vorbringen nicht in den schriftlichen Entscheidungsgründen angesprochen wird (Beschluß des BVerfG vom 8. Oktober 1985 1 BvR 33/83, BVerfGE 70, 288, 293; Urteil des BFH vom 29. November 1985 VI R 13/82, BFHE 145, 125, BStBl II 1986, 187). Hinsichtlich der Berücksichtigung von Rechtsausführungen werden im Vergleich zu Tatsachenbehauptungen überdies geringere Anforderungen gestellt (Schmidt/Aßmann in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 103 Abs. 1 Rdnr.99 m.w.N.).
Das FG hebt das Vorbringen der Klägerin im Tatbestand des angefochtenen Urteils (vgl. S. 4) ausdrücklich hervor. Die Revision trägt im übrigen keine besonderen Umstände hervor, daß das Gericht dieses Vorbringen zwar zur Kenntnis genommen, gleichwohl aber nicht erwogen haben könnte. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage sind solche besonderen Umstände auch nicht ohne weiteres erkennbar.
b) Diese Verfahrensrüge ist im Ergebnis auch ohne Erfolg unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Begründung i.S. von § 119 Nr.6 FGO.
aa) Ein Urteil ist zwar auch dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht ein selbständiges Angriffs- oder Verteidigungsmittel mit Stillschweigen übergeht (BFH-Urteil vom 11.Juni 1969 I R 27/68, BFHE 95, 529, BStBl II 1969, 492). Es muß sich um Angriffs- oder Verteidigungsmittel handeln, die den gesamten Tatbestand einer mit eigenständiger Wirkung ausgestalteten Rechtsnorm bilden (BFH-Beschlüsse vom 20. November 1990 IV R 80/90, BFH/ NV 1991, 609; vom 9. Februar 1977 I R 136/76, BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Wäre die von der Klägerin behauptete Änderungssperre anzunehmen, so hätten die angefochtenen, gemäß § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 geänderten Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre nicht ergehen dürfen. Die maßgeblichen Überlegungen des Gerichts sind insoweit auch nicht erkennbar (BFH-Urteil vom 15. April 1986 VIII R 325/84, BFHE 147, 101, BStBl II 1987, 195; BFH-Beschluß in BFHE 121, 298, BStBl II 1977, 351).
bb) Ein Begründungsmangel in diesem Sinne führt gleichwohl nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, wenn das übergangene Angriffs- oder Verteidigungsmittel zur Begründung des Klageanspruchs ungeeignet war (vgl. § 126 Abs. 4 FGO; BFH-Urteile vom 11.April 1990 I R 80/89, BFH/NV 1991, 440; in BFHE 95, 529, BStBl II 1969, 492; Ruban/Gräber, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Tz.25; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 119 FGO Tz.10). In einem solchen Falle könnten
Aufhebung und Zurückverweisung nur zur Wiederholung des aufgehobenen Urteils führen (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1967 III 343/63, BFHE 90, 519, BStBl II 1968, 208).
So liegt der Fall hier.
Das FA war gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 zur Änderung der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Gewerbesteuermeßbescheide berechtigt. Ein Steuermeßbescheid (§ 184 Abs. 1 Satz 3 AO 1977), der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, kann grundsätzlich - bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 164 Abs. 4 AO 1977) - ohne jede sachliche Einschränkung geändert werden, sei es aus Anlaß eines neu bekanntgewordenen Sachverhalts, sei es aufgrund einer geänderten rechtlichen Beurteilung (BFH-Urteil vom 22.Dezember 1987 IX R 149/84, BFH/NV 1988, 497). Die Änderung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 bedarf keiner zusätzlichen besonderen Rechtsgrundlage (BFH-Urteil vom 28. April 1987 IX R 7/83, BFHE 150, 406, BStBl II 1987, 814, 816).
Nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 hatte das FA zwar die Sache - hier die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ersten Gewerbesteuermeßbescheide für 1984 und 1985 - in vollem Umfang erneut zu prüfen. Im Einspruchsverfahren gelten jedoch gemäß § 365 Abs. 1 AO 1977 die für den Erlaß der angefochtenen Meßbescheide anzuwendenden Vorschriften sinngemäß, d.h. auch für die - erneute - Festsetzung und für die Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung. Das FA ist im Einspruchsverfahren nicht gezwungen, eine abschließende Prüfung des Steuerfalls durchzuführen, und zwar auch dann nicht, wenn es dem Einspruch voll abhilft und es deshalb keiner Einspruchsentscheidung bedarf (vgl. § 367 Abs. 2 Satz 3 AO 1977). Das Merkmal der Prüfung ,,in vollem Umfang" bedeutet lediglich, daß das FA nicht an das Einspruchsbegehren gebunden ist. Es kann vielmehr so entscheiden, als ob es die Sache erstmals in einem Verwaltungsakt regelt. Einen bisher beigefügten Nachprüfungsvorbehalt kann es aufheben, wenn es eine abschließende Prüfung durchgeführt hat oder ohne eine solche weiterhin aufrechterhalten.
Die von der Klägerin vertretene Auffassung, den in einem Einspruchsverfahren ergehenden Änderungsbescheiden komme grundsätzlich, selbst wenn sie unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen, eine erhöhte Bestandskraft zu, würde dazu führen, daß das FA stets zu einer abschließenden Prüfung im Rechtsbehelfsverfahren gezwungen wäre. Ein Nachprüfungsvorbehalt könnte überdies allein durch Einlegen eines Einspruchs beseitigt werden, der im Zweifel nicht einmal begründet werden müßte. Das Gesetz überläßt es hingegen der Finanzbehörde, ob sie einen Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen lassen will (vgl. BFH-Urteile vom 22.September 1987 IX R 149/84, BFH/NV 1988, 497; vom 17. September 1986 II R 105/85, BFH/NV 1987, 808; vom 18. April 1986 VI R 51/83, BFH/NV 1986, 715; vom 16. Oktober 1984 VIII R 162/80, BFHE 143, 299, BStBl II 1985, 448; vom 12. Juni 1980 IV R 23/79, BFHE 130, 370, BStBl II 1980, 527; ebenfalls Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 164 AO 1977 Anm.18; Tipke/Kruse, a.a.O., § 164 AO 1977 Tz.10, § 365 AO 1977 Tz.4).
Ob das FA die geänderten Gewerbesteuermeßbescheide zu Recht mit einem Vorbehalt der Nachprüfung versehen hat, kann der Senat nicht nachprüfen; denn diese Bescheide sind bestandskräftig geworden (BFH-Urteil vom 11.Dezember 1986 IV R 334/84, BFH/NV 198
7, 312; BFH/NV 1988, 497).
Die Klägerin setzt danach zu Unrecht die im Rechtsbehelfsverfahren vorgesehene Prüfung mit einer abschließenden Prüfung gleich, die einer erneuten Änderung entgegenstehe. Die Prüfung im Einspruchsverfahren kann und soll grundsätzlich eine abschließende Prüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), insbesondere im Rahmen einer Außenprüfung, nicht ersetzen (vgl. Tipke/ Kruse, a.a.O., § 164 AO 1977 Tz.10).
Das Gesetz mißt im übrigen einer Einspruchsentscheidung auch nicht die Kraft eines Gerichtsurteils zu (BFH-Urteil vom 22.März 1988 VII R 8/84, BFHE 152, 430, BStBl II 1988, 517). Die Änderung eines Steuerbescheids stellt ebensowenig eine Rechtsbehelfsentscheidung dar, selbst wenn sie auf einen Einspruch hin erfolgt (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 172 AO 1977 Tz.21).
Das FG hat nicht festgestellt, daß trotz des aufrechterhaltenen Nachprüfungsvorbehalts eine abschließende Prüfung erfolgt wäre. Die Voraussetzung für eine nur eingeschränkte Änderungsmöglichkeit nach Treu und Glauben - etwa wegen einer Zusage oder aufgrund einer tatsächlichen Verständigung - sind offensichtlich nicht gegeben.
c) Sofern die Klägerin meint, die Frage, ob nur eine oder zwei Personengesellschaften bestanden, sei aufklärungsbedürftig, wird damit keine zulässige Verfahrensrüge i.S. von § 76 FGO erhoben. Die Klägerin trägt nicht vor, welche weitere Aufklärung sich dem FG angesichts des gesamten Sachverhalts und seiner maßgeblich materiell-rechtlichen Rechtsauffassung hätte als notwendig aufdrängen müssen (BFH-Urteil vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459 m.w.N.). Die Klägerin behauptet nicht einmal ausdrücklich, es seien zwei selbständige, beteiligungsidentische GbR gegründet worden. Zu den näheren Umständen fehlt zudem jeglicher Vortrag.
Ob hingegen das FG in Auslegung des Gesellschaftsvertrags vom 19. Mai 1980 zu Recht von nur einer Personengesellschaft ausgegangen ist, betrifft die mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Tatsachenfeststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO; BFH-Urteil vom 22.August 1990 I R 119/86, BFHE 162, 464, BStBl II 1991, 415).
2. Das angegriffene Urteil ist auch materiell-rechtlich im übrigen nicht zu beanstanden.
a) Gemäß § 2 Abs. 2 Nr.1 GewStG 1984 gilt als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der OHG, KG und anderer Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) des Gewerbebetriebs anzusehen sind. Danach ist Gewerbebetrieb jeweils das von den Gesellschaftern als Mitunternehmer betriebene Unternehmen (BFH-Urteil vom 22.November 1972 I R 252/70, BFHE 108, 208, BStBl II 1973, 405).
Nach ständiger Rechtsprechung ist der Anwendungsbereich dieser Vorschrift indessen nicht auf Personenhandelsgesellschaften beschränkt, sondern umfaßt - ebenso wie die durch das Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1986 eingeführte Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - (vgl. zur Gleichbehandlung von Personenhandelsgesellschaften und mitunternehmerisch tätigen GbR auch den Beschluß des Großen Senats vom 25. Februar 1991 GrS 7/79, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691, 702) - die von einer GbR erzielten Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit.
In diesem Sinne ist sowohl entschieden worden bei der Frage, ob die aus einer gemischten Tätigkeit erzielten Einkünfte insgesamt als gewerblich zu behandeln sind, als auch hinsichtlich des Vorliegens eines oder mehrerer Gewerbebetriebe bei einer Personengesellschaft (vgl. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1989 IV R 120/87, BFH/ NV 1991, 319; vom 11.Mai 1989 IV R 43/88, BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797; vom 9. August 1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901; vom 28. Januar 1988 IV R 198/84, BFH/NV 1988, 734; vom 27. November 1984 VIII R 294/81, BFH/NV 1986, 79; vom 10. November 1983 IV R 86/80, BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152; vom 13. Oktober 1977 IV R 174/74, BFHE 123, 505, BStBl II 1978, 73 m.w.N. und zugleich zur sachlichen Begründung). Diese Rechtsprechung findet im wesentlichen auch im Schrifttum Zustimmung (Blümich/Obermeier, Gewerbesteuergesetz, 14. Aufl., § 2 Rdnr.50 und 604; Meyer/Scharenberg/Popp/Woring, Gewerbesteuergesetz, 1989, § 2 Anm.529; Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., § 2 Anm.102; Herzig/Kessler, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1986, 451; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11.Aufl., § 15 Anm.42c; zustimmend für die BGB-Außengesellschaft Glanegger/Güroff, a.a.O., § 2 Anm.13).
Die Revision stützt sich demgegenüber ausschließlich auf die abweichende Meinung von Glanegger/Güroff (a.a.O., § 2 Anm.15), die meinen für BGB-Gesellschaften sei - im Gegensatz zu den als solche auftretenden Personenhandelsgesellschaften - bei an sich selbständigen Betrieben nicht an die Rechtsform, sondern an den gemeinsamen Zweck anzuknüpfen. Bestünden mehrere sachlich selbständige Zwecke, lägen entsprechend unterschiedliche - selbständige - Mitunternehmerschaften vor, und zwar auch bei nur einem schriftlichen Gesellschaftsvertrag.
Ein solches Verständnis der Vorschrift in § 2 Abs. 2 Nr.1 GewStG 1984 wird indessen der Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck (vgl. dazu BFH in BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152, 153) und insbesondere dem Wortlaut - ,,andere Gesellschaften" - nicht gerecht.
Der Gesetzgeber hat die Regelung durch das StBereinG 1986 vom 19. Dezember 1985 (BGBl I, 2436) in die Vorschrift des § 15 Abs. 3 Nr.1 EStG übernommen und wollte sie - ohne sachliche Änderung - fortführen (vgl. Meyer/Scharenberg/Popp/ Woring, a.a.O., Tz.527 unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung in BRDrucks 165/85).
Soll die Einheitsbeurteilung nicht zum Zuge kommen, so ist es den Gesellschaftern zivil- und steuerrechtlich unbenommen, für die sachlich selbständigen Betriebe entsprechend den unterschiedlichen Zwecken auch eigenständige Personengesellschaften zu gründen.
b) Das FG hat zutreffend eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Gesellschafter einer Personengesellschaft gegenüber Einzelunternehmern (zu den dort geltenden Voraussetzungen vgl. BFH-Urteile vom 25. April 1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261; vom 9. August 1989 X R 130/87, BFHE 158, 80, BStBl II 1989, 901) verneint. Denn die Gesellschafter haben es in der Hand, getrennte Gesellschaften zu begründen und damit den - sachlichen - Umfang der Gewerbesteuer wie ein Einzelunternehmer zu begründen und dadurch u.a. auch in den Genuß der Freibeträge für jeden Gewerbebetrieb zu gelangen (vgl. BFHE 123, 505, BStBl II 1978, 73; BFH/NV 1986, 79; BFHE 140, 44, BStBl II 1984, 152; BFH-Urteil vom 10. Februar 1989 III R 78/86, BFHE 156, 320, BStBl II 1989, 467; Schmidt, a.a.O., § 15 Anm.42d, 43).
Gewerbesteuerrechtlich werden andererseits mehrere Personengesellschaften anerkannt, auch wenn an diesen dieselben Personen in demselben Verhältnis beteiligt sind. Sie können nicht mehr - nach Aufgabe der Rechtsfigur der Unternehmenseinheit - zu einem einheitlichen Steuersubjekt zusammengefaßt werden (BFH-Urteile vom 31. Juli 1991 VIII R 23/89, BFHE 165, 398, BStBl II 1992, 375; vom 21. Februar 1980 I R 95/76, BFHE 130, 403, BStBl II 1980, 465; vom 24. März 1983 IV R 123/80, BFHE 138, 337, BStBl II 1983, 598).
c) Das FG hat die Voraussetzungen für einen einheitlichen Gewerbebetrieb der Klägerin in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.
Das FG hat zwar nicht ausdrücklich geprüft, ob nur eine oder zwei Personengesellschaften bestanden haben. Das FG hat jedoch die Auslegung des FA gebilligt, wonach lediglich eine GbR gegründet worden und die Eröffnung der zweiten Gaststätte ,,A" als Zweigbetrieb gemäß § 3 Buchst. b des ursprünglichen Gesellschaftsvertrags vom 19. Mai 1980 erfolgt sei. Das FA hatte auf der Grundlage seiner Würdigung die Gründung einer zweiten Personengesellschaft ausdrücklich verneint. Dem hat sich das FG angeschlossen.
Diese Auslegung des Gesellschaftsvertrags ist möglich und verstößt weder gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) noch gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze (vgl. BFH-Urteile vom 5. Dezember 1990 I R 5/88, BFHE 163, 87, BStBl II 1991, 308, vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, BStBl II 1991, 327, 331; vom 11.Februar 1981 I R 13/77, BFHE 133, 3, BStBl II 1981, 475; Westermann in Erman, Bürgerliches Gesetzbuch, 8. Aufl., § 705 Anm.32f. m.w.N. zur Auslegung von Gesellschaftsverträgen.
Ob gesonderte Personengesellschaften anzunehmen sind, richtet sich entscheidend danach, ob der Rechtsfolgewille der Gesellschafter der Klägerin auf die Begründung von zwei Gesellschaftsverhältnissen mit unterschiedlichen Zwecken gerichtet war, ob diese Personengesellschaften auch nach außen als solche erkennbar gewesen sind und ob sie unterschiedliches Gesellschaftsvermögen gebildet haben. Darauf kann eine getrennte Ergebnisermittlung hindeuten (BFH 140, 44, BStBl II 1984, 152; BFHE 157, 155, BStBl II 1989, 797; BFH/NV 1991, 319).
Wie bereits unter II. 1. c ausgeführt worden ist, hat die Klägerin weder im Klageverfahren noch mit der Revision behauptet, es sei eine zweite, beteiligungsidentische GbR - zumindest konkludent - gegründet worden. Sie hat insoweit keinerlei konkrete Umstände vorgetragen, auf welcher abweichenden Vertragsgrundlage die zweite Gaststätte betrieben worden sein soll, sondern lediglich eine gleichsam abstrakte Aufklärungspflicht des FG insoweit angenommen. Zur weiteren Erforschung bestand angesichts der vollständigen Regelung im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Gründung von Zweigstellen, zumal es sich um branchengleiche Betriebe handelte, unter diesen Umständen kein Anlaß.
Fundstellen