Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zahlt ein Steuerpflichtiger in einem Veranlagungszeitraum Zinsen zurück, die er in einem früheren Veranlagungszeitraum zuviel erhalten und versteuert hat, so ist dieser Vorgang im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung einkommensteuerrechtlich zu erfassen. Die Wiederaufrollung der Veranlagung des früheren Veranlagungszeitraumes ist nicht möglich.

Zurückgezahlte Zinsen sind negative Einnahmen aus Kapitalvermögen und nicht Werbungskosten. Durch geleistete Rückzahlungen kann darum der Werbungskosten-Pauschbetrag des § 9a Ziff. 2 EStG nicht aufgezehrt werden.

Auch die Stückzinsen auf festverzinsliche Wertpapiere sind keine Werbungskosten, so daß wegen der Zahlung von Stückzinsen der Werbungskosten-Pauschbetrag des § 9a Ziff. 2 EStG nicht versagt

 

Normenkette

EStG §§ 8-9, 9a Ziff. 2, §§ 11, 20

 

Tatbestand

der Bf. ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, der er auch verzinsliche Darlehen gegeben hat. Die Zinsen betrugen im Streitjahr 1958 = 5987 DM. Davon setzte der Bf. in seiner Einkommensteuererklärung 1536 DM ab, die er im Jahre 1958 als zu Unrecht gezahlte Zinsen aus den Jahren 1955 und 1956 an die GmbH zurückgezahlt hatte. Den Betrag von (5987 DM % 1536 DM =) 4451 DM kürzte der Bf. in der Einkommensteuererklärung 1958 noch um den Werbungskosten-Pauschbetrag von 300 DM gemäß § 9a Ziff. 2 EStG. Das Finanzamt ließ diese Kürzung nicht zu. Es betrachtete die zurückgezahlten Zinsen von 1536 DM als Werbungskosten, neben denen der Pauschbetrag nicht abgesetzt werden könne.

Der Einspruch hatte Erfolg. Der Steuerausschuß ließ den Abzug zu.

Das Finanzgericht gab dagegen der Berufung des Vorstehers des Finanzamts statt und führte aus, die zurückgezahlten Zinsen seien im Streitjahr 1958 Werbungskosten. Es werde zwar im Schrifttum, z. B. von Görbing (Der Betriebs-Berater 1961 S. 92), die Auffassung vertreten, zurückgezahlte Einnahmen seien keine Werbungskosten. Dieser Auffassung sei indessen nicht zu folgen. über den Wortlaut des § 9 EStG hinaus seien Werbungskosten alle Aufwendungen, die mit einer Einkunftsart in Zusammenhang stünden. Weil die Werbungskosten von 1536 DM den Pauschbetrag von 300 DM überstiegen, habe das Finanzamt zu Recht den Abzug des Pauschbetrags versagt.

Der Bf. rügt, das Finanzgericht habe die §§ 9 und 9a EStG unrichtig ausgelegt. Die zurückgezahlten Zinsen seien keine Werbungskosten, sondern negative Einkünfte des Jahres 1958.

Der Bundesminister der Finanzen, der auf Ersuchen des Senats dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, billigt in seiner Stellungnahme die Entscheidung des Finanzgerichts nicht, sondern sieht die zurückgezahlten Zinsen als negative Einnahmen an. Dem Bf. müsse der verlangte Werbungskosten-Pauschbetrag gewährt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führte zur Aufhebung der Vorentscheidung. Muß ein Steuerpflichtiger, dem in einem Veranlagungszeitraum Einnahmen zugeflossen sind und der damit für diesen Veranlagungszeitraum gemäß § 11 EStG besteuert worden ist, die Einnahmen ganz oder zum Teil in einem späteren Veranlagungszeitraum zurückzahlen, so sind aus dieser Rückzahlung ohne Zweifel einkommensteuerrechtliche Folgerungen zu ziehen. Die Korrektur könnte theoretisch in der Weise geschehen, daß entweder die Beträge im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung als einkommensmindernd behandelt werden oder daß die Veranlagung des Zeitraums, dem sie zugerechnet worden sind, wiederaufgerollt und das veranlagte Einkommen dieses Veranlagungszeitraums entsprechend gemindert wird. In der Praxis der Finanzämter werden, wie der Bundesminister der Finanzen erklärt, die Beträge im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung vom Einkommen abgesetzt. Die Finanzämter nehmen dabei gemäß § 5 Abs. 2 und 3 StAnpG an, daß auch ohne Rechtsgrund erlangte Einnahmen so lange im Sinne des § 11 EStG als zugeflossen gelten müßten, als die Beteiligten dem Empfänger die Einnahmen belassen. Muß der Empfänger das Empfangene später zurückzahlen, so wenden die Finanzämter weder § 4 Abs. 3 Ziff. 2 noch § 5 Abs. 5 StAnpG an, weil diese Vorschriften nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, z. B. in den Urteilen I 154/58 U vom 17. Februar 1959 (BStBl 1959 III S. 250, Slg. Bd. 68 S. 658) und VI 240/58 U vom 30. September 1960 (BStBl 1960 III S. 465, Slg. Bd. 71 S. 577) bei laufend veranlagten Steuern entweder überhaupt nicht oder nur mit Einschränkungen anzuwenden seien.

Der Senat hält diese Praxis der Finanzverwaltungsbehörden für rechtlich einwandfrei. § 4 Abs. 3 Ziff. 2 und § 5 Abs. 5 StAnpG greifen nur ein, wenn sich aus den Steuergesetzen nichts anderes ergibt. Für das Einkommensteuerrecht ist aber in § 11 Abs. 1 EStG bestimmt, daß Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zufließen. Stellt sich später heraus, daß der Steuerpflichtige einen ihm zunächst zugeflossenen Betrag nicht endgültig behalten darf, sondern wieder herauszahlen muß, so ist das ein Vorgang, der sich im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung auswirken muß. Die Rückzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum hebt den Zufluß in einem früheren Veranlagungszeitraum nicht wieder auf.

Ist demnach die Rückzahlung von Einnahmen einkommensteuerrechtlich ein Vorgang, der im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung zu erfassen ist, so ist zu prüfen, was die zurückgezahlten Beträge ihrer Art nach sind. Das Finanzgericht meint, sie seien Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG, während der Bf. sie als negative Einnahmen aus dieser Einkunftsart wertet, um die entweder die positiven Einnahmen im Sinne des § 8 EStG zu mindern oder die, falls die Rückzahlungen die positiven Einnahmen übersteigen, als negative Einkünfte (Verluste) auszuweisen seien.

Das Finanzgericht beruft sich für seine Auffassung, daß die Rückzahlungen Werbungskosten seien, auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die indessen nicht klar und einhellig ist. Der Reichsfinanzhof hat Rückzahlungen von Einnahmen zunächst als negative Einnahmen behandelt (z. B. Urteil VI A 1177/33 vom 8. November 1933, RStBl 1934 S. 297); später hat er allerdings von Werbungskosten gesprochen (Urteil VI 549/38 vom 31. August 1938, RStBl 1938 S. 980), ohne dafür aber eine ausreichende Begründung zu geben.

Der Senat betrachtet die Rückzahlungen in übereinstimmung mit dem erstgenannten Urteil des Reichsfinanzhofs als negative Einnahmen. Er hat bereits im Urteil VI 25/57 U vom 12. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 96, Slg. Bd. 68 S. 242) angedeutet, daß die Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 549/38 a. a. O. an Bedeutung verloren habe. Rückzahlungen von Einnahmen sind schon begrifflich keine Werbungskosten im Sinne von § 9 Satz 1 EStG. Denn darunter versteht man Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Man müßte dem Wortlaut des Gesetzes Gewalt antun, wenn man spätere Rückzahlungen früher vereinnahmter Beträge als "Werbungskosten" in diesem Sinne bezeichnen wollte. § 9 EStG aber über den Wortlaut hinaus auszulegen - wie es das Finanzgericht will -, sind die Gerichte nicht berechtigt. Es besteht dazu auch keine Veranlassung, weil die infolge der Rückzahlung notwendige Korrektur der früheren Besteuerung einfacher und sinnvoller vorgenommen werden kann, wenn die Rückzahlungen als negative Einnahmen im Rückzahlungsjahr betrachtet werden.

Geht man aber davon aus, so ist es nicht gerechtfertigt, dem Bf. den Werbungskosten-Pauschbetrag des § 9a Ziff. 2 EStG zu versagen, weil er früher zu Unrecht erhaltene Zinsen an die GmbH zurückgezahlt hat.

In dem Schreiben, durch das der Senat den Bundesminister der Finanzen ersucht hat, dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beizutreten, ist darauf hingewiesen, daß sich eine ähnliche Rechtsfrage bei der steuerlichen Behandlung der Stückzinsen ergibt, die z. B. Gegenstand der Urteile des Senats VI 80/58 U vom 3. April 1959 (BStBl 1959 III S. 242, Slg. Bd. 68 S. 635) und VI 224/61 U vom 15. September 1961 (BStBl 1961 III S. 547, Slg. Bd. 73 S. 772) waren. Nach den Usancen im Bankverkehr werden bei festverzinslichen Wertpapieren, die im Laufe einer Zinsperiode veräußert werden, dem Käufer die Zinsen dieser Periode bei Fälligkeit voll ausgezahlt; er muß jedoch bereits beim Ankauf dem Veräußerer die Zinsen, die auf die Zeit vom letzten Zinstermin bis zum Tag der Veräußerung entfallen, besonders zahlen. Diese besonders vergüteten Zinsen werden allgemein als "Stückzinsen" bezeichnet. Nach Abschnitt 155 Abs. 1 Ziff. 2 EStR 1962 sollen die Stückzinsen als Werbungskosten abgezogen werden. Man kommt bei dieser Behandlung zwar zahlenmäßig im allgemeinen zu dem richtigen Ergebnis. Aber auch hier ergibt sich die Frage, ob nicht dadurch, daß man die Stückzinsen als Werbungskosten behandelt, den Erwerbern unter Umständen zu Unrecht den Werbungskosten-Pauschbetrag des § 9a Ziff. 2 EStG vorenthalten wird.

Der Bundesminister der Finanzen hat sich zu dieser Frage dahin geäußert, daß für den Erwerber der mit dem Wertpapier erworbene Zinsanspruch, soweit er auf die Zeit vor dem Erwerb des Wertpapiers entfällt, eine normale Kapitalforderung ist und daß Einnahmen aus Kapitalvermögen nur vorliegen, soweit Zinsen gezahlt werden, die auf die Besitzzeit des Erwerbers entfallen; die dem Veräußerer vergüteten Zinsen seien keine Werbungskosten.

Der Senat tritt auch in diesem Punkt dem Bundesminister der Finanzen bei und nimmt deshalb an, daß der Werbungskosten- Pauschbetrag des § 9a Ziff. 2 EStG nicht durch Stückzinsen verbraucht werden kann. Die Stückzinsen sind beim Erwerber gewissermaßen nur durchlaufende Gelder; ihre Verrechnung ist nur eine banktechnische Methode, um in möglichst einfacher Form die Zinsen einer Zinsperiode auf den Veräußerer und den Erwerber des Wertpapiers zu verteilen. Begrifflich kann man jedenfalls die Stückzinsen nicht als Aufwendungen des Erwerbers "zur Erzielung der Zinsen aus dem Wertpapier" betrachten. Die Konstruktion des Bundesministers der Finanzen, daß der Erwerber gewissermaßen nur eine Zinsforderung einziehe, die er zuvor vom Veräußerer entgeltlich erworben habe, gibt den wirtschaftlichen Gehalt des Vorgangs gut wieder. Jedenfalls ist es nicht gerechtfertigt, den Werbungskosten-Pauschbetrag des § 9a Ziff. 2 EStG durch gezahlte Stückzinsen aufzehren zu lassen.

Da das Finanzgericht demnach zu Unrecht dem Bf. den Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrages versagt hat, war sein Urteil aufzuheben und die Berufung des Vorstehers des Finanzamts gegen die Entscheidung des Steuerausschusses als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411078

BStBl III 1964, 184

BFHE 1964, 477

BFHE 78, 477

DB 1964, 500

DStR 1964, 237

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