Entscheidungsstichwort (Thema)

Klage auf Steuererstattung bei fehlender Rechtsfähigkeit

 

Leitsatz (NV)

1. Einer rechtlich unselbständigen Untergliederung einer Körperschaft des öffent lichen Rechts, der gegenüber Körperschaft steuerbescheide erlassen worden sind und die die zu Unrecht festgesetzten Steuern gezahlt hat, steht für ihre Klage auf Erstattung der Steuern die Beteiligtenfähigkeit und die Klagebefugnis zu.

2. Zur Frage der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs und Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch Zahlung unter Vorbehalt ohne Anerkennung einer Rechtspflicht i. V. mit der Einlegung von Einsprüchen gegen die Körperschaftsteuerbescheide (Auslegung einer Willenserklärung).

 

Normenkette

AO 1977 § 37 Abs. 2, § 220 Abs. 2 S. 1, § § 228 ff., § 229 Abs. 1 Sätze 1-2, § 231 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2; BGB §§ 133, 157, 242

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) als Bezirksärztekammer gemäß den maßgeblichen Vorschriften des Landesrechts eine rechtlich unselbständige Untergliederung der Landesärztekammer. Die Landesärztekammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --), der ursprünglich von der Steuerrechtsfähigkeit der Klägerin ausging, erließ dieser gegenüber Körperschaftsteuerbescheide für 1977 bis 1982. Die festgesetzten Körperschaftsteuern wurden von der Klägerin unter Vorbehalt zu Lasten eines Bankkontos, das auf ihren Namen lautete, im Juni/Juli 1984 bezahlt. Das Einspruchsverfahren in Sachen Körperschaftsteuer 1977 bis 1982 der Klägerin ruhte im Hinblick auf die seinerzeit u. a. beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen und später mit Entscheidungen vom 27. Juni 1990 I R 166/85 (BFH/NV 1991, 628) und vom 29. April 1987 I B 154-155/86 (BFH/NV 1987, 794) entschiedenen vergleichbaren Verfahren und die nach Auffassung des FA klärungsbedürftige Frage nach der Steuerrechtsfähigkeit der Klägerin.

Am 21. Dezember 1990 beantragte die Klägerin, die gezahlte Körperschaftsteuer für 1977 bis 1982 gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auf ein auf ihren Namen lautendes Konto zu erstatten, da sie lediglich eine rechtlich unselbständige Untergliederung der Landesärztekammer sei und folglich die an sie gerichteten Steuerbescheide nichtig seien. Das FA lehnte diesen Antrag mit Verfügung vom 10. Januar 1991 ab. Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein; das Verfahren ruhte in beiderseitigem Einver nehmen. Nachdem das FG für einen vergleichbaren Fall durch rechtskräftiges Urteil entschieden hatte, daß die Körperschaftsteuerbescheide gegenüber einer Bezirksärztekammer mangels Steuerrechtsfähigkeit nichtig seien, schloß sich das FA nunmehr dieser Auffassung an und teilte der Klägerin am 9. Dezember 1991 mit, daß die gegen sie ergangenen Körperschaftsteuerbescheide nichtig seien. Auf einen erneuten Erstattungsantrag der Klägerin teilte das FA der Klägerin mit Schriftsatz vom 20. Januar 1992 mit, daß für die Körperschaftsteuer 1977 bis 1982 Zahlungsverjährung eingetreten sei.

Mit Schreiben vom 3. März 1992 übersandte das FA der Klägerin unter der Überschrift "Bescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO ... " in der Anlage einen an die Landesärztekammer gerichteten Abrechnungsbescheid vom selben Tage, wonach der Antrag auf Erstattung der für die Klägerin (Bezirksärztekammer) gezahlten Körperschaftsteuer 1977 bis 1982 abgelehnt wurde. Die Erstattungsansprüche seien spätestens mit Ablauf der Zahlungsverjährung, die am 31. Dezember 1989 eingetreten sei, verwirkt. Der von der Klägerin gegen die Ablehnung ihres Erstattungsantrags am 13. Januar 1995 erhobenen Untätigkeitsklage gab das FG statt. Das Urteil des FG ist im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klage sei als Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, da das FA über den Einspruch der Klägerin vom 22. Februar 1991 nicht in angemessener Frist entschieden habe; die Gründe für das Ruhen des Einspruchsverfahrens seien seit 1991 entfallen.

Die Klägerin besitze die Beteiligtenfähigkeit für den vorliegenden Rechtsstreit. Sie sei nach § 37 Abs. 2 AO 1977 erstattungsberechtigt, weil auf ihre Rechnung die ihr gegenüber als Steuerschuldnerin festgesetzte Steuer, deren Erstattung begehrt werde, von ihrem Konto gezahlt worden sei.

Die Klage sei auch begründet. Zwar seien die Erstattungsansprüche bereits mit den rechtsgrundlosen Zahlungen im Jahr 1984 auf die der Klägerin gegenüber unwirksamen Steuerfestsetzungen entstanden und zu diesen Zeitpunkten fällig geworden (§§ 37 Abs. 2, 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Entgegen der Auffassung des FA sei aber die Zahlungsverjährung nicht mit Ablauf des Jahres 1989 (§§ 228, 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977) eingetreten. Denn die Verjährungsfrist habe in (entsprechender) Anwendung des § 229 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 erst mit dem Ablauf des Jahres zu laufen begonnen, in dem das FA der Klägerin die Nichtigkeit der Körperschaftsteuerbescheide mitgeteilt habe. Danach habe im Streitfall erst mit Ablauf des Jahres 1991 die fünfjährige Verjährungsfrist für die Körperschaftsteuererstattungsansprüche der Klägerin zu laufen begonnen; denn das FA habe der Klägerin im Schreiben vom 9. Dezember 1991 mitgeteilt, daß die Körperschaftsteuerbescheide für die Streitjahre nichtig seien. Die streitigen Körperschaftsteuererstattungsansprüche seien mithin im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung durch die Klägerin am 21. Dezember 1990 noch nicht erloschen gewesen.

Mit der Revision macht das FA geltend, das Urteil des FG beruhe auf einer rechtsirrigen analogen Anwendung des § 229 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 auf Ansprüche nach § 37 Abs. 2 AO 1977. Die Zahlungsverjährung für einen Erstattungsanspruch, für den in der AO 1977 ein Festsetzungsverfahren nicht vorgesehen sei, beginne gemäß § 229 Abs. 1 Satz 1, § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 mit Ablauf des Jahres, in dem er entstanden und gleichzeitig fällig geworden sei und nicht -- wie vom FG entschieden -- mit Ablauf des Jahres, in dem die Mitteilung über die Nichtigkeit der Steuerbescheide gemäß § 125 Abs. 5 AO 1977 ergangen sei.

Die streitbefangenen Erstattungsansprüche seien bereits mit der rechtsgrundlosen Zahlung aufgrund der nichtigen Körperschaftsteuerbescheide im Jahre 1984 entstanden und damit auch gleichzeitig fällig geworden. Die fünfjährige Zahlungsverjährung habe damit bereits mit Ablauf des Jahres 1984 und nicht erst mit Ablauf des Jahres 1991 begonnen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie meint, die Auffassung des FA, wonach die Zahlungsverjährung bereits mit Ablauf des Jahres 1984 begonnen habe, so daß die Erstattungsansprüche mit Ablauf des Jahres 1989 erloschen seien, führe zu einem treuwidrigen Ergebnis. Denn zu diesem Zeitpunkt (des Verjährungseintritts) habe das FA noch die Auffassung vertreten, die Körperschaft steuerbescheide seien wirksam und die Zahlungen daher zu Recht geleistet. Die Klägerin könne jedenfalls nicht auf die Möglichkeit der Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch rechtzeitige schriftliche Geltend machung des Erstattungsanspruchs verwiesen werden, wenn man gleichzeitig den von ihr eingelegten Einspruch nicht als eine solche Geltendmachung des Erstattungsanspruchs ansehe.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat -- aus anderen als den in der Vorentscheidung ausgeführten Gründen -- im Ergebnis zutreffend entschieden, daß die Erstattungsansprüche der Klägerin im Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht verjährt waren (§ 126 Abs. 4 FGO). Denn den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß die erstmalige Geltendmachung der Ansprüche bereits mit der Zahlung unter Vorbehalt erfolgte.

1. a) Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Klage der Klägerin trotz fehlender Einspruchsentscheidung (§ 44 Abs. 1 FGO) als Untätigkeitsklage zulässig ist, weil das FA ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes über den Einspruch der Klägerin vom 22. Februar 1991 gegen die erstmalige Ablehnung des Erstattungsantrags vom 21. Dezember 1990 nicht in angemessener Frist entschieden hat (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Für das angeordnete Ruhen dieses Einspruchsverfahrens (§ 363 Abs. 2 AO 1977) bestand zur Zeit der Klageerhebung (13. Januar 1995) kein hinreichender Grund mehr, weil dem FA aufgrund einer im Jahre 1991 ergangenen rechtskräftigen FG-Entscheidung in einer vergleichbaren Streitsache bekannt war, daß die Bezirksärztekammern nicht rechtsfähig sind, und es deshalb der Klägerin bereits am 9. Dezember 1991 mitgeteilt hatte, die gegen sie ergangenen Körperschaftsteuerbescheide seien nichtig. Wegen der näheren Begründung der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage wird auf die Ausführungen des FG Bezug genommen.

Da die Klage jedenfalls auch gegen die Ablehnung des Erstattungsantrags der Klägerin durch den Bescheid des FA vom 10. Januar 1991 gerichtet ist, kann dahinstehen, ob der die Erstattung ablehnende Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO 1977 vom 3. März 1992, der gegenüber der Landesärztekammer erlassen worden und der Klägerin mit Schriftsatz ("Bescheid gemäß § 218 Abs. 2 AO") vom selben Tage in der Anlage übersandt worden ist, auch einen gegenüber der Klägerin als Regelungsadressatin ergangenen Verwaltungsakt darstellt und ob er -- wie das FG ausgeführt hat -- gemäß § 365 Abs. 3 AO 1977 in Ersetzung des ursprünglichen Ablehnungsbescheids Gegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens geworden ist oder ob er -- ebenso wie die Verfügung des FA vom 20. Januar 1992 -- lediglich eine Wiederholung der ursprünglichen Ablehnungsverfügung vom 10. Januar 1991 enthält.

b) Zutreffend hat das FG auch die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin, die als Sachentscheidungsvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen war, bejaht, obwohl die Klägerin keine selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit weder rechtsfähig im zivilrechtlichen Sinne noch steuerrechtsfähig in bezug auf die Körperschaft steuerfestsetzungen wegen des hier streitigen Betriebs gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 4 des Körperschaftsteuergesetzes -- KStG --) ist.

Beteiligtenfähigkeit im Sinne der FGO ist die Fähigkeit, Subjekt eines finanzgerichtlichen Prozeßrechtsverhältnisses zu sein (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 57 Rz. 7). Sie setzt eine -- wenn auch begrenzte -- Steuerrechtsfähigkeit auf dem steuerrechtlichen Gebiet voraus, das Gegenstand des Rechtsstreits ist (BFH-Urteil vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, zu I.1.). Diese steuerliche Rechtsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, Träger steuerlicher Rechte und Pflichten zu sein, besitzt die Klägerin für den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, da sie tatsächlich in Anspruch genommen worden ist (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 57 Rz. 8) und sie nunmehr die aus ihrer unrechtmäßigen Inanspruchnahme resultierenden Erstattungsansprüche prozessual geltend macht.

Die Klägerin hat nach dem maßgeblichen materiellen Recht die Befugnis, die hier streitigen Körperschaftsteuererstattungsansprüche (im eigenen Namen) geltend zu machen.

Der Erstattungsanspruch steht nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 demjenigen zu, auf dessen Rechnung die rechtsgrundlose Zahlung bewirkt worden ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung der Finanzbehörde erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (Urteil des Senats vom 25. Juli 1989 VII R 118/87, BFHE 157, 326, BStBl II 1990, 41, m. w. N.). Der im Steuerbescheid als Schuldner Ausgewiesene ist daher erstattungsberechtigt (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1959 II 189/56 U, BFHE 70, 480, BStBl III 1960, 180; Boeker in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 37 AO 1977 Rdnr. 37; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 37 AO 1977 Tz. 19 a).

Da hier die Klägerin mit den gegen sie ergangenen Körperschaftsteuerbescheiden als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen worden ist, hat sie nach ihrem erkennbaren Willen mit den geleisteten Zahlungen ihre Steuerschulden begleichen, d. h. auf ihre eigene Rechnung leisten wollen. Ferner steht sogar fest -- was für sich allein gesehen nicht entscheidungserheblich wäre --, daß die Zahlungen von einem auf den Namen der Klägerin lautenden Bankkonto erbracht worden sind. Nach den vorstehenden Ausführungen bestehen demnach keine Zweifel, daß die Klägerin als Gläubigerin der Erstattungsansprüche berechtigt ist, diese im eigenen Namen als Beteiligte im Prozeß geltend zu machen.

c) Da die Klägerin -- wie oben ausgeführt -- nach § 37 Abs. 2 AO 1977 berechtigt ist, die Erstattungsansprüche im eigenen Namen geltend zu machen, und das FA ihr gegenüber die beantragte Erstattung abgelehnt hat, ist die Klägerin für den vorliegenden Rechtsstreit auch klagebefugt (§ 40 Abs. 2 FGO). Wie der BFH in dem vergleichbaren Fall in BFH/NV 1987, 794 bereits entschieden hat, ist eine nicht (steuer-)rechtsfähige Person (Bezirksärztekammer wie im Streitfall) hinsichtlich eines ihr gegenüber ergangenen Steuerbescheids, mit dem ihre Steuerrechtsfähigkeit zu Unrecht behauptet wird, i. S. des § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt. Dasselbe muß gelten, wenn die nichtrechtsfähige Bezirksärztekammer mit der Klage die Erstattung der von ihr zu Unrecht auf den nichtigen Steuerbescheid geleisteten Zahlung verlangt.

2. Die Klage ist auch begründet. Das FA hat die begehrte Erstattung zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, daß die Körperschaftsteuererstattungsansprüche der Klägerin wegen Eintritts der Zahlungsverjährung mit Ablauf des Jahres 1989 erloschen seien (§ 232 i. V. m. § 47 AO 1977), bevor sie -- wie das FA und das FG meinen, erstmals mit Schreiben vom 21. Dezember 1990 -- geltend gemacht worden sind. Entgegen der Auffassung des FA und des FG hat nämlich die Klägerin die Erstattungsansprüche bereits vor Eintritt der Zahlungsverjährung unmittelbar im Zusammenhang mit der Zahlung der Körperschaftsteuern geltend gemacht.

a) Die fünfjährige Frist für die Zahlungsverjährung, der die Erstattungsansprüche wie alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen (§ 228 i. V. m. § 37 Abs. 1 und 2 AO 1977), beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsanspruch fällig geworden ist (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977). Im Streitfall handelt es sich um Erstattungsansprüche im engeren Sinne, die ohne vorherige Festsetzung unmittelbar mit der Zahlung ohne Rechtsgrund entstehen und mangels besonderer gesetzlicher Regelung über die Fälligkeit mit der Entstehung des Anspruchs auch fällig werden (§ 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977; Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 37 AO 1977 Rdnr. 31; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 229 AO 1977 Rdnr. 7).

Die im Jahre 1984 geleisteten Zahlungen der Klägerin auf die ihr gegenüber festgesetzte Körperschaftsteuer 1977 bis 1982 bewirkten in diesem Zeitpunkt die Entstehung und Fälligkeit entsprechender Erstattungsansprüche, da die Zahlungen in materieller und formeller Hinsicht von vornherein ohne rechtlichen Grund erfolgt sind (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Denn die Klägerin war -- wie oben ausgeführt -- nach dem materiellen Steuerrecht (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 i. V. m. § 4 KStG) nicht körperschaftsteuerpflichtig, weil sie als rechtlich unselbständige Untergliederung der Landesärztekammer keine juristische Person des öffentlichen Rechts und damit kein Steuersubjekt war. Die ihr gegenüber ergangenen Körperschaftsteuerbescheide waren -- wie das FG zutreffend ausgeführt hat -- mangels steuerlicher Rechtsfähigkeit der Klägerin nichtig (so für vergleichbare Bescheide gegenüber einer Bezirksärztekammer der I. Senat des BFH in BFH/NV 1987, 794, 795; vgl. auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 125 AO 1977 Tz. 3 c). Die demnach mit den Steuerzahlungen im Jahre 1984 entstandenen und fällig gewordenen Erstattungsansprüche der Klägerin wären somit gemäß § 228 Satz 2, § 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 mit Ablauf des Jahres 1989 verjährt gewesen.

b) Die Klägerin hat aber ihre Erstattungs ansprüche schon vor Eintritt der Zahlungsverjährung geltend gemacht, indem sie die gegen sie ergangenen Körperschaftsteuerbescheide 1977 bis 1982 mit dem Einspruch angefochten und nach den Feststellungen im FG-Urteil dem FA mit Schriftsatz vom 15. Juni 1984 mitgeteilt hat, daß sie "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter ausdrücklichem Vorbehalt der zu dieser Frage ergehenden endgültigen Rechtsprechung die Körperschaftsteuerbeträge für die Jahre 1977, 1978, 1979, 1980, 1981 und 1982 zur Vermeidung von Aussetzungszinsen" bezahle. Durch diese schriftliche Geltendmachung der Erstattungsansprüche wurde die Verjährung unterbrochen (§ 231 Abs. 1 AO 1977). Die eingetretene Unterbrechung der Verjährung endet nicht, bevor über die geltend gemachten Erstattungsansprüche rechtskräftig entschieden worden ist (§ 231 Abs. 2 Satz 2 AO 1977).

Zur Unterbrechung der Verjährung durch den Steuerpflichtigen genügt jedes Schreiben, mit dem er die Finanzbehörde zur Festsetzung oder Erfüllung des Anspruchs auffordert (Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 231 AO 1977 Rdnr. 18; Tipke/Kruse, a.a.O., § 231 AO 1977 Tz. 5).

Danach kann allerdings der von der Klägerin gegen die Steuerfestsetzungen eingelegte Einspruch allein nicht als schriftliche Geltendmachung der Erstattungsansprüche i. S. des § 231 Abs. 1 AO 1977 angesehen werden. Das folgt schon daraus, daß das Rechtsinstitut der Zahlungsverjährung -- wie seine systematische Stellung im Gesetz zeigt (AO 1977: Fünfter Teil -- Erhebungsverfahren --, Erster Abschn. , 3. Unterabschn.) -- sich nur auf das Erhebungsverfahren auswirkt, der Einspruch aber gegen die Steuerfestsetzung gerichtet ist. Im Streitfall kommt hinzu, daß zu den Zeitpunkten der Einspruchseinlegung durch die Klägerin (am 24. August 1983 und am 30. Mai 1984) die festgesetzten Körperschaftsteuern noch nicht gezahlt waren, die Erstattungsansprüche gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 also noch nicht entstanden waren, so daß sie auch mit den Einsprüchen der Klägerin noch nicht geltend gemacht werden konnten.

Auch die mit einem ausdrücklichen schriftlichen Vorbehalt verbundene Steuerzahlung wird im Regelfall nicht als eine Aufforderung an die Finanzbehörde zur Festsetzung oder Erfüllung eines Erstattungsanspruchs angesehen werden können.

Im Streitfall zwingt aber die Auslegung der Willenserklärung der Klägerin in ihrem Schreiben vom 15. Juni 1984 (§§ 133, 157, 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und Besonderheiten des Falles zu dem Ergebnis, daß die Klägerin mit ihrer Steuerzahlung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter ausdrücklichem Vorbehalt der zu dieser Frage ergehenden endgültigen Rechtsprechung" einen mit der Zahlung entstehenden Erstattungsanspruch geltend machen wollte und daß dies auch erkennbar war. Wenn auch der Einspruch und die Zahlung unter Vorbehalt, jeweils für sich allein gesehen, keine Geltendmachung von Erstattungsansprüchen ergeben, so kommt doch aus dem Zusammenhang von Einspruchseinlegung gegen die Steuerbescheide -- hier mit dem Ziel ihrer ersatzlosen Aufhebung -- sowie der Zahlung nur zur Vermeidung von Aussetzungszinsen unter Verneinung einer Rechtspflicht und unter ausdrücklichem Vorbehalt erkennbar zum Ausdruck, daß die Klägerin schon bei der Zahlung einer Erstattung des gezahlten Betrages ohne weiteres eigenes Zutun erwartete und dies auch mit ihrem Schreiben vom 15. Juni 1984 zum Ausdruck bringen wollte. Daß die Erstattung -- auch nach dem Willen der Klägerin -- erst erfolgen sollte, wenn die zu der Streitfrage noch ausstehende Finanzrechtsprechung ihre Rechtsauffassung bestätigen würde, steht -- ebenso wie in anderen Fällen, in denen der Erstattungsanspruch zwischen dem Steuerpflichtigen und dem FA umstritten ist -- der Geltendmachung des Anspruchs i. S. des § 231 Abs. 1 AO 1977 nicht entgegen.

Da sich demnach unter Beachtung der aufgezeigten Umstände des Streitfalles aus dem Schreiben der Klägerin vom 15. Juni 1984 die schriftliche Geltendmachung der Erstattungsansprüche und damit die Unterbrechung der Zahlungsverjährung ergibt (§ 231 Abs. 1 AO 1977), kommt es -- entgegen der Auffassung des FA und des FG -- auf die nachfolgende Geltendmachung der Ansprüche am 21. Dezember 1990 nicht mehr an. Das FG hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben, da die Körperschaft steuererstattungsansprüche 1977 bis 1982 vor Ablauf der regulären Frist für die Zahlungsverjährung gemäß §§ 228 Satz 2, 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 (hier: mit Ablauf des Jahres 1989) geltend gemacht worden sind. Ob die Verjährungsfrist -- wie das FG meint -- im Streitfall erst mit Ablauf des Jahres 1991, in dem der Klägerin die Nichtigkeit der Körperschaftsteuerbescheide mitgeteilt worden ist, zu laufen begonnen hat (§ 229 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 in direkter oder entsprechender Anwendung) und demgemäß erst Ende 1996 endete, bedarf somit keiner Entscheidung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421622

BFH/NV 1997, 10

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