Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe - Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Leitsatz (NV)

Wird Prozeßkostenhilfe für eine noch nicht eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beantragt, und ist die Frist für die Einlegung der Beschwerde abgelaufen, hängt der Erfolg der Beschwerde von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Diese setzt voraus, daß der Antragsteller innerhalb der Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO mit dem Antrag auf Prozeßkostenhilfe die nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderlichen Erklärungen abgibt und die entsprechenden Belege beifügt.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 115 Abs. 3, § 142; ZPO §§ 114, 117

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage des Klägers und Antragstellers (Antragsteller) wegen einheitlicher und gesonderter Gewinnfeststellung sowie Umsatzsteuer der GbR X betreffend die Jahre 1976 bis 1979 abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil vom 3. Juli 1990 wurde am 14. Juli 1990 zugestellt.

Mit Schreiben vom 25. Juli 1990 (Zugang beim FG) beantragte der Antragsteller persönlich ,,die Beiordnung eines Notanwalts bzw. Befugten", ,,der mit dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Urteile vom 3. 7. 1990 stellen soll". Er habe sich bisher erfolglos um einen Vertreter bemüht, möglicherweise auch deshalb, weil ein Streitwert nicht festgesetzt worden sei.

Das FG hat die Sache gemäß § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

Sollte das Schreiben des Antragstellers auch einen Antrag auf Festsetzung des Streitwerts für das finanzgerichtliche Verfahren enthalten, so hätte darüber das FG zu entscheiden.

Das Schreiben des Antragstellers legt der erkennende Senat dahin aus, daß einmal Prozeßkostenhilfe - PKH - (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. §§ 114 f. der Zivilprozeßordnung - ZPO -) und zum anderen die Beiordnung eines Anwalts gemäß § 155 FGO i. V. m. § 78 b ZPO beantragt wird.

1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH war abzulehnen.

Zuständig für die Entscheidung über den Antrag ist der erkennende Senat. Unerheblich ist dabei, ob die Nichtzulassungsbeschwerde bereits eingelegt worden ist (BFH-Beschluß vom 18. November 1986 VIII B 153/86, BFH/NV 1987, 463).

Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller konnte ihn persönlich stellen; insoweit besteht kein Vertretungszwang nach dem Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - (BFH-Beschluß vom 25. März 1976 V S 2/76, BFHE 118, 300, BStBl II 1976, 386).

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet jedoch keine Aussicht auf Erfolg (§ 142 Abs. 1 FGO i. V. m. § 114 ZPO).

Da die Frist für die Einlegung der beabsichtigten Nichtzulassungsbeschwerde verstrichen ist, hängt der Erfolg einer evtl. Beschwerde von der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab (§ 56 FGO). Die Voraussetzungen dafür sind jedoch nicht gegeben. Die Wiedereinsetzung setzt nämlich voraus, daß der Antragsteller innerhalb der Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO mit dem Antrag auf PKH die nach § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderlichen Erklärungen über seine wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse abgibt sowie entsprechende Belege beifügt (Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 142 Rdnr. 12 m. w. N.).

Die Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) war am 14. August 1990, d. h. einen Monat nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils, abgelaufen. Innerhalb dieser Frist und auch danach hat der Antragsteller keine Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben oder Belege dazu vorgelegt.

Sollte das Schreiben des Antragstellers vom 23. Juli 1990 als Nichtzulassungsbeschwerde auszulegen sein, so wäre sie - vorbehaltlich der Nichtabhilfe durch das FG (§ 115 Abs. 5 Satz 1 FGO) - unzulässig, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer eingelegt worden ist (Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG).

2. Auch der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts (§ 155 FGO i. V. m. § 78 b ZPO) war abzulehnen.

Der Antrag ist zwar statthaft, denn § 78 b ZPO ist gemäß § 155 FGO auf das finanzgerichtliche Verfahren sinngemäß anzuwenden (BFH-Beschluß vom 18. November 1977 III S 6/77, BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57).

Der BFH ist auch das zuständige Prozeßgericht i. S. des § 78 b ZPO, weil bei ihm das Verfahren anhängig gemacht werden soll, für das der Vertretungszwang besteht (BFH-Beschluß in BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57).

Zur Begründetheit eines Antrags auf Beiordnung eines vor dem BFH vertretungsberechtigten Prozeßvertreters gemäß § 78 b ZPO i. V. m. § 155 FGO gehört jedoch u. a., daß die Partei glaubhaft macht, daß sie zumindest eine gewisse Anzahl von postulationsfähigen Personen vergeblich um die Übernahme eines Mandats ersucht hat (BFH-Beschluß vom 27. November 1989 IX S 15/89, BFH/NV 1990, 503).

Der Vortrag des Antragstellers, er habe sich bisher erfolglos um einen ,,Befugten" bemüht, genügt diesen Anforderungen nicht. Einmal ist er nicht hinreichend konkret, zum anderen fehlt jede Art der Glaubhaftmachung.

Der Antrag wäre aber auch deshalb abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den oben angegebenen Gründen aussichtslos erscheint (§ 155 FGO i. V. m. § 78 b ZPO; vgl. auch BFHE 123, 433, BStBl II 1978, 57).

3. Gerichtsgebühren sind weder für das Verfahren betreffend die Bewilligung von PKH, noch für das Verfahren betreffend die Beiordnung eines Anwalts, entstanden (Gräber / Ruban, a. a. O., § 142 Rdnr. 24, betreffend PKH; BFH-Beschluß vom 24. Januar 1983 VIII S. 14/81, nicht veröffentlicht, betreffend Beiordnung eines Rechtsanwalts).

 

Fundstellen

Haufe-Index 418091

BFH/NV 1992, 623

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