Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederaufnahmeverfahren

 

Leitsatz (NV)

1. Auch ein durch BFH-Beschluß (Verwerfung der Revision als unzulässig) rechtskräftig beendetes Verfahren kann wieder aufgenommen werden.

2. Dabei ist eine Nichtigkeitsklage als Nichtigkeitsantrag umzudeuten und hierüber nicht durch Urteil, sondern durch Beschluß zu entscheiden.

3. Der Wiederaufnahmeantrag ist unzulässig, wenn er keine Behauptungen enthält, die den in §§ 579 und 580 ZPO i. V. m. § 134 FGO aufgestellten Tatbeständen entsprechen.

4. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist einem Mangel der gesetzlichen Vertretung i. S. d. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht gleichzusetzen.

 

Normenkette

ZPO §§ 578-580; FGO § 126 Abs. 1, § 134

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Antragsteller begehren mit ihrem als Nichtigkeitkeitsklage bezeichneten Antrag die Wiederaufnahme des Revisionsverfahrens VIII R 12/86. In jenem Verfahren hat der Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluß vom 30. Juli 1986 die Revision der Antragsteller gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Köln vom 26. November 1985 XII K 203/84 gemäß §§ 124, 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unzulässig verworfen, weil sie nicht gemäß Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) i. d. F. des Gesetzes zur Beschleunigung finanz- und verwaltungsgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985 zugelassen worden war und auch keine zulassungsfreie Revision gemäß § 116 FGO vorgelegen hatte.

Die Antragsteller tragen vor: Der Verwerfungsbeschluß vom 30. Juli 1986 sei nichtig gemäß § 134 FGO i. V. m. § 579 Abs. 1 Nr. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung. Sie seien vor dem Verwerfungsbeschluß nicht gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG ordnungsgemäß unterrichtet und gehört worden. Sie seien vielmehr von einer Zulassung der Revision ausgegangen aufgrund einer mündlichen Äußerung eines beisitzenden Richters am FG nach der Urteilsverkündung des FG am 26. November 1985 (,,Es bleibt Ihnen unbenommen, gegen das Urteil Revision einzulegen, wozu ich Ihnen allerdings nicht raten möchte!"). Da man sich gemäß einer von ihnen beim FG eingeholten Auskunft dort seitens der beteiligten Berufsrichter nicht mehr an eine entsprechende Äußerung entsinnen könne, sei hierüber eine eidesstattliche Erklärung der Richter einzuholen und durch Vernehmung der Antragstellerin zu 2 Beweis zu erheben.

Die Antragsteller beantragen, den Verwerfungsbeschluß vom 30. Juli 1986 für nichtig zu erklären und das Verfahren wieder aufzunehmen.

Der Antragsgegner (das Finanzamt) beantragt sinngemäß, den Wiederaufnahmeantrag zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Wiederaufnahmeantrag ist unzulässig.

Zwar kann auch ein durch Beschluß rechtskräftig beendetes Verfahren wieder aufgenommen werden, wobei eine Nichtigkeitklage als Nichtigkeitsantrag umzudeuten und hierüber nicht durch Urteil, sondern durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung zu befinden ist, nämlich in derselben Form, in der die den Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens bildende Entscheidung ergangen ist (BFH-Beschluß vom 13. Februar 1986 III K 1/85, BFHE 145, 500, BStBl II 1986, 415, sowie Beschluß vom 7. November 1969 III K 1/69, BFHE 97, 502, BStBl II 1970, 216, m. w. N.; ständige BFH-Rechtsprechung). Der Wiederaufnahmeantrag ist jedoch - wie hier - unzulässig, wenn er keine Behauptung enthält, die den in §§ 579 und 580 ZPO i. V. m. § 134 FGO aufgestellten Tatbeständen entsprechen (BFH-Beschluß vom 22. März 1984 IV K 1/81, nicht veröffentlicht - NV -; BFH-Beschluß vom 27. März 1984 IX K 1/84, NV; BFH-Urteil vom 30. November 1967 V K 2/67, BFHE 90, 459, BStBl II 1968, 180).

Insbesondere kann eine solche Behauptung nicht schon in der Anführung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO (nicht ordnungsgemäße Vertretung), gestützt auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG erblickt werden. Abgesehen davon, daß eine Verletzung des Anspruches auf Gewährung rechtlichen Gehörs einem Mangel der gesetzlichen Vertretung nicht gleichzusetzen ist (Zöller / Schneider, Zivilprozeßordnung, 15. Aufl., Köln 1987, § 579 Rdnr. 5; Beschluß des Verwaltungsgerichtshofs Kassel vom 4. Oktober 1982 IV S 46/82, Neue Juristische Wochenschrift 1984, 378, 379), kann vorliegend ein Verstoß gegen Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG schon deswegen nicht in Betracht kommen, weil die Revision der Antragsteller nicht nach dieser Vorschrift als unbegründet zurückgewiesen, sondern unter Beachtung des § 126 Abs. 1 FGO im Beschlußwege als unzulässig verworfen worden ist.

Auch die behauptete, den Zugang zur Revisionsinstanz nicht näher erläuternde Äußerung eines Beisitzers am FG über das Beschreiten des Revisionsrechtszugs ist ohne Bedeutung für die ordnungsgemäße Vertretung der Antragsteller.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415100

BFH/NV 1987, 591

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