Zusammenfassung

Führt ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens eine unentgeltliche Lieferung oder sonstige Leistung aus, kann dies als Lieferung gegen Entgelt nach § 3 Abs. 1b UStG oder als sonstige Leistung gegen Entgelt nach § 3 Abs. 9a UStG zu behandeln sein. Insbesondere die nichtunternehmerische Nutzung von Gebäudeteilen, die dem Unternehmen zugeordnet worden waren, stand lange Zeit im Mittelpunkt vieler Gestaltungsüberlegungen. Nachdem der EuGH in einer Entscheidung aus 2003 den Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt hatte, aus einem sowohl unternehmerisch als auch privat genutzten Gebäude den vollen Vorsteuerabzug vorzunehmen und für die private Nutzung lediglich eine unentgeltliche Wertabgabe der Besteuerung zu unterwerfen, wurde dieses Steuerstundungsmodell durch Einführung des § 15 Abs. 1b UStG zum 1.1.2011 durch die Beschränkung des Vorsteuerabzugs auf den unternehmerisch genutzten Teil des Gebäudes wieder abgeschafft.

 
Wichtig

Beschränkung des Vorsteuerabzugs gilt nicht für alle Gebäude

Die Beschränkung des Vorsteuerabzugs gilt für alle Gebäude, die aufgrund eines obligatorischen Kaufvertrags nach dem 31.12.2010 angeschafft worden sind oder für Gebäude, die aufgrund eines nach dem 31.12.2010 gestellten Bauantrags errichtet worden sind. Für "Altgebäude" bleibt es weiterhin bei den Regelungen des "Seeling-Urteils". Die Abwicklung der unter dem Seeling-Modell errichteten Gebäude wird sich aufgrund des 10-jährigen Berichtigungszeitraums bis in den Veranlagungszeitraum 2021 oder 2022 erstrecken.

1 Problematik

Unentgeltliche Leistungen eines Unternehmers können unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b UStG als unentgeltliche Wertabgaben, entweder als Lieferung gegen Entgelt[1] oder unter den Voraussetzungen des § 3 Abs. 9a UStG als sonstige Leistung gegen Entgelt[2] angesehen werden. Insbesondere betrifft dies Leistungen, die der Unternehmer aus nichtunternehmerischen (privaten) Gründen ausführt. Diese Leistungen führen dann zu steuerbaren Umsätzen, die auch steuerpflichtig sind, soweit keine Steuerbefreiung nach § 4 UStG einschlägig ist. Der Unternehmer hat dann aus dem Leistungsbezug einen Vorsteuerabzug, muss aber die Ausgangsleistung der Umsatzsteuer unterwerfen.

Ein besonderes Problem ergab sich bei der nichtunternehmerischen Nutzung von Gebäudeteilen, die dem Unternehmen zugeordnet worden waren. Während die deutsche Rechtsauffassung dies früher (vor 2003) als eine analog dem § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreie "Vermietung an sich selbst" ansah, die dann den Vorsteuerabzug aus diesem Gebäudeteil ausschloss, hatte der EuGH[3] 2003 die analoge Anwendung der auf entgeltliche Ausgangsleistungen ausgerichteten Steuerbefreiungsvorschrift auf unentgeltliche Ausgangsleistungen ausdrücklich abgelehnt.

Mit dieser Entscheidung des EuGH ergab sich das Problem, wie die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe zu bestimmen sei. Während zu diesem Zeitpunkt noch einheitlich geregelt war, dass die Bemessungsgrundlage die bei der Ausführung der Leistung entstandenen (ertragsteuerrechtlich zu ermittelnden) Kosten waren, löste sich die Finanzverwaltung in mehreren Schreiben im April 2004 von dieser Sichtweise und interpretierte die bei der Ausführung dieser Umsätze entstandenen Aufwendungen umsatzsteuerrechtlich autonom. Der Gesetzgeber hatte dann – rückwirkend zum 1.7.2004 – den § 10 Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 3 UStG dahingehend angepasst, dass als Besteuerungsgrundlage die Ausgaben anzusetzen und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten, soweit sie mindestens 500 EUR betragen, über den für dieses Wirtschaftsgut maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum zu verteilen sind.

Nutzt der Unternehmer in seinem Unternehmensgebäude einen Teil für private Wohnzwecke, sollte er nach dieser Gesetzesänderung die Anschaffungs- oder Herstellungskosten nunmehr nicht über einen 50-jährigen ertragsteuerrechtlichen Abschreibungszeitraum verteilen, sondern über den 10-jährigen Vorsteuerberichtigungszeitraum nach § 15a UStG. Infolge der erheblichen Erhöhung der sich daraus ergebenden Bemessungsgrundlage waren binnen kurzer Zeit mehrere Verfahren vor Finanzgerichten anhängig.

Der EuGH hatte dann in seiner Entscheidung vom 14.9.2006 festgestellt, dass die Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten über den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum nicht gegen das Unionsrecht verstößt.[4] Damit hatte sich der finanzielle Nutzen, den ein Unternehmer aus diesem Gestaltungsmodell ziehen konnte, doch erheblich verringert.

 
Wichtig

Vorsteuerabzugsberechtigende unternehmerische Nutzung ist Voraussetzung

Die Anwendung des "Seeling-Urteils" setzt aber voraus, das der Unternehmer aus dem Teil des Hauses, der tatsächlich für unternehmerische Zwecke verwendet wird, zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.[5] So kann z. B. der Versicherungsvertreter, der in der einen Haushälfte sein vorsteuerabzugsschädliches Unternehmen betreibt und in der anderen Haushälfte seine private Wohnung unterhält, auch aus der privat genutzten Haushälfte keinen Vorsteuerabzug geltend...

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