Leitsatz

Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, durch das sie sich gegenseitig als Erben einsetzen (Berliner Testament), dem überlebenden Ehegatten das Recht eingeräumt, die Schlußerbenfolge sowie die Verteilung des Nachlasses zu ändern, so bleibt § 15 Abs. 3 ErbStG zugunsten des Schlußerben insoweit anwendbar, als der überlebende Ehegatte durch eine spätere Verfügung von Todes wegen die Erbquote des Schlußerben nicht verändert hat.

Macht der überlebende Ehegatte von seinem Recht auf Änderung dadurch Gebrauch, daß er abweichend vom gemeinschaftlichen Testament einem Schlußerben, dessen Erbquote als solche unverändert bestehen bleibt, ein Vorausvermächtnis aussetzt, kann für diesen Vermächtniserwerb § 15 Abs. 3 ErbStG nicht angewandt werden.

 

Normenkette

ErbStG (in der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung) § 3 Abs. 1 Nr. 1, , ErbStG (in der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung) § 6 Abs. 2, , ErbStG (in der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung) § 15 Abs. 1 und , ErbStG (in der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung) § 15 Abs. 3, , ErbStG (in der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung) § 16 Abs. 1, , ErbStG (in der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung) § 19 Abs. 1 , BGB § 2255 Satz 1, , BGB § 2269

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 16.06.1999, II R 57/96

Anmerkung

Die Entscheidung II R 57/96 betrifft die Steuerklasse, in der ein aufgrund eines „Berliner Testaments”(§ 2269 BGB) eingesetzter Schlußerbe seinen Erbschaftserwerb zu versteuern hat.

Im Streitfall hatten sich Eheleute in einem gemeinsamen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt, wobei das gesamte Vermögen nach dem Tode des Letztversterbenden ausschließlich der Familie des Ehemannes zufallen sollte. In einer dem Testament angefügten Aufstellung waren u.a. die Nichten des – zuerst verstorbenen – Ehemanns als Schlußerben zu je 1/8 bestimmt worden. Nachdem der Ehemann gestorben war, machte die Witwe von ihrem im Testament vorbehaltenen Umgestaltungsrecht Gebrauch, indem sie den beiden Nichten zusätzlich zu deren unverändert bleibenden Erbanteilen je eine Eigentumswohnung „im Wege der Vorausvermächtnisses” überließ.

Der Erbschaftsteuerfestsetzung für eine der beiden Nichten (Klägerin) legte das Finanzamt die im Verhältnis zur Erblasserin maßgebende SteuerklasseIV ( § 15 Abs. 1 ErbStG in der bis 1995 geltenden Fassung) zugrunde. Die Anwendung der im Verhältnis zum vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin maßgebenden Steuerklasse III (§ 15 Abs. 3 ErbStG) lehnte das FA ab, da die Erblasserin das ursprünglich gemeinsam Testament hinsichtlich des der Klägerin zustehenden Anteils verändert habe.

Der BFH hat entschieden: Die in § 15 Abs. 3 ErbStG vorgesehene Steuerklasse III bleibt zugunsten der Klägerin insoweit anwendbar, als die überlebende Erblasserin die Erbquote der Klägerin nicht verändert hat. Dagegen kann für den Vermächtniserwerb, der der Klägerin aufgrund der Änderung des gemeinschaftlichen Testaments zufiel, § 15 Abs. 3 ErbStG nicht angewandt werden. Der Erwerb aufgrund des Vorausvermächtnisses ist vielmehr nach dem persönlichen Verhältnis der Klägerin zur Erblasserin gemäß § 15 Abs. 1 ErbStG nach der Steuerklasse IV zu versteuern.

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