Leitsatz

Das BMF wird aufgefordert, dem Revisionsverfahren beizutreten und zum Verhältnis von § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG, nach deren Wortlaut § 6a GrEStG auf Umwandlungsvorgänge, bei denen ein Rechtsträger untergeht oder neu entsteht (Verschmelzung, Aufspaltung, Abspaltung oder Vermögensausgliederung zur Neugründung), nicht anwendbar ist, zu § 6a Satz 1 GrEStG, der durch die Bezugnahme auf § 1 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 UmwG auch diese Umwandlungsvorgänge in den Anwendungsbereich der Vorschrift einbezieht, sowie zum möglichen Beihilfecharakter des § 6a GrEStG Stellung zu nehmen.

 

Normenkette

§ 6a GrEStG, § 1 Abs. 1 UmwG, Art. 107 Abs. 1 AEUV

 

Sachverhalt

Die Klägerin (eine aktiv tätige AG) war u.a. Alleingesellschafterin der B-GmbH, die in verschiedenen Finanzamtsbezirken gelegenen Grundbesitz hielt. Zwischen der Klägerin und der B-GmbH bestanden ein Ergebnisabführungsvertrag sowie steuerliche Organschaften hinsichtlich KSt, GewSt und USt. Die B-GmbH war ihrerseits Alleingesellschafterin der E-GmbH.

Mit Verschmelzungsvertrag vom 1.8.2012 wurde die B-GmbH als übertragender Rechtsträger gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 UmwG auf die Klägerin als übernehmender Rechtsträger verschmolzen. Die Verschmelzung wurde am 24.9.2012 in das Handelsregister eingetragen. Die Beteiligung der Klägerin an der B-GmbH hatte zu diesem Zeitpunkt bereits seit mehr als fünf Jahren in Höhe von mindestens 95 % bestanden. Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister ging das Vermögen der B-GmbH auf die Klägerin über und die B-GmbH (§ 20 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 Satz 1 UmwG) erlosch. Die Klägerin war ab diesem Zeitpunkt Alleingesellschafterin der E-GmbH.

Das FA beurteilte den Übergang der Grundstücke der B-GmbH auf die Klägerin als nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG grunderwerbsteuerbar, stellte die Besteuerungsgrundlagen für die GrESt nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GrEStG der Klägerin gegenüber fest und versagte die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG. Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 6a GrEStG gerichteten Klage statt (FG Nürnberg, Urteil vom 16.10.2014, 4 K 1059/13, Haufe-Index 7571753, EFG 2015, 424).

 

Entscheidung

Zur weiteren Förderung des Verfahrens hat der BFH das BMF aufgefordert, dem Verfahren beizutreten und zu der im Leitsatz angesprochenen Problematik Stellung zu nehmen.

 

Hinweis

§ 6a GrEStG, der seit dem 1.1.2010 eine Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern gewährt, bereitet der Rechtspraxis ganz erhebliche Probleme. Diese beruhen insbesondere auf einer in Teilen unklaren Tatbestandsfassung und einer in Einzelfragen erheblich schwankenden Beurteilung durch die Finanzverwaltung (die ursprünglich ergangenen gleich lautenden Erlasse der Länder vom 1.12.2010 wurden durch in Teilen abweichende Erlasse vom 19.6.2012, BStBl I, 662, ersetzt). Es kann daher nicht verwundern, dass sich auch in der Rechtsprechung der Finanzgerichte bislang keine einheitliche Linie abzeichnet.

Die notwendige Klärung wird erst durch die BFH-Rechtsprechung in den anhängigen Revisionsverfahren, in denen das BMF nunmehr zum Beitritt aufgefordert ist, eintreten. Neben der Beitrittsaufforderung in dem Verfahren II R 62/14 ist eine solche auch im Verfahren II R 63/14 (dazu die nachfolgende Besprechung) sowie – nicht amtlich veröffentlicht – auch in den Verfahren II R 36/14 und II R 50/13 ergangen. Die für diese Beitrittsaufforderungen gegebenen Begründungen umreißen die wesentlichen Problemfelder des § 6a GrEStG.

1. Im Verfahren II R 62/14 ist über das Verhältnis der in § 6a Satz 1 GrEStG getroffenen Regelung über die begünstigten Umwandlungsvorgänge zu den einschränkenden Regelungen in § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG zu befinden. Die letztgenannten Vorschriften knüpfen die Nichterhebung der GrESt an das Vorliegen eines Abhängigkeitsverhältnisses zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft(en) sowie an die Einhaltung einer Vor- und Nachbehaltensfrist.

Eine Kollision zwischen der Grundnorm des § 6a Satz 1 GrEStG und den einschränkenden Regelungen des § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG resultiert aus den umwandlungsrechtlichen Rechtsfolgen der Verschmelzung, der Aufspaltung sowie der Abspaltung und Ausgliederung zur Neugründung, weil diese jeweils zur Auflösung des übertragenden Rechtsträgers führen. Ausgehend vom Wortlaut des § 6a Satz 1 GrEStG wären dem Grunde nach begünstigungsfähig im Wesentlichen nur die Abspaltung und die Ausgliederung von Vermögen zur Aufnahme durch Übertragung des abgespaltenen oder ausgegliederten Vermögensteils oder der abgespaltenen oder ausgegliederten Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf einen bestehenden oder mehrere bestehende Rechtsträger.

Ob sich allerdings aus § 6a Sätze 3 und 4 GrEStG derart weitgehende Einschränkungen der Steuervergünstigung entnehmen lassen, erscheint zweifelhaft. Selbst die Finanzverwaltung befürwortet eine teleologische Reduktion der Vorbehaltensfrist für sog. "verbundgeborene" Gesellschaften und der Nachbehaltensfrist, weil im Erlöschensfall der...

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