Leitsatz

Bei der Veräußerung eines im Ausland belegenen, zuvor vermieteten Grundstücks sind bei der Ermittlung des Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft i. S. d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG die historischen Anschaffungskosten nicht um die fiktive Afa zu mindern, wenn sich diese aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht mindernd auf die inländische Besteuerung ausgewirkt haben.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein inländischer offener Investmentfonds, veräußerte innerhalb der Spekulationsfrist ein in Großbritannien belegenes, bisher durch Vermietung genutztes Grundstück. Das Besteuerungsrecht aus der Vermietung stand nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Großbritannien zu. Bei der Ermittlung des der deutschen Besteuerung unterliegenden privaten Veräußerungsgewinns nach § 23 Abs. 3 EStG kürzte das Finanzamt die historischen Anschaffungskosten um fiktive Afa-Beträge, die sich bei Anwendung des deutschen Rechts ergeben hätten. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.

 

Entscheidung

Nach Auffassung des Finanzgerichts unterliegt der Veräußerungsgewinn aus der in Großbritannien gelegenen Immobilie der deutschen Besteuerung. Der Veräußerungsgewinn sei gemäß DBA-Großbritannien nach den einschlägigen Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Dabei komme es bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach dem Wortlaut § 23 Abs. 3 EStG auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Abschreibung an. Es finde demzufolge eine Verknüpfung der Berechnung des Veräußerungsgewinns mit der ertragsteuerlichen Behandlung der Immobilie statt.

Da es im Rahmen der Gewinnermittlung auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Abschreibung ankomme, seien die Anschaffungskosten nicht um die Abschreibung zu mindern, weil sich diese bei der Gewinnermittlung der Vorjahre nicht gewinnmindernd ausgewirkt haben, sondern aufgrund der Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens in Deutschland steuerfrei geblieben seien. Eine doppelte Begünstigung des Steuerpflichtigen, die § 23 Abs. 3 EStG durch die Hinzurechnung der Abschreibung verhindern wolle, läge somit nicht vor. Vielmehr geböten die Grundsätze der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit keine Berücksichtigung der fiktiven Abschreibung, weil sich diese im Rahmen der Ertragsbesteuerung nicht zu Gunsten der Klägerin ausgewirkt hat.

Da der Wortlaut des § 23 Abs. 3 EStG dem Abstellen auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Abschreibung nicht entgegenstehe, sondern diese Auslegungsoption zulasse, sei diese zweckentsprechende Auslegung der Norm geboten. Wäre die tatsächliche Inanspruchnahme der Abschreibung bei der Besteuerung in Großbritannien rückgängig gemacht worden, wäre über die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bei Anwendung des § 23 Abs. 3 EStG anders zu entscheiden gewesen. Dies war hier jedoch nicht der Fall, sodass hierüber nicht zu urteilen war.

 

Hinweis

Das Finanzamt hat gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Revision eingelegt (Az beim BFH I R 34/16). Die höchstrichterliche Entscheidung bleibt somit abzuwarten. Vergleichbare Fälle ruhen deshalb nach § 363 AO.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 10.02.2016, 4 K 2334/13

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