Leitsatz

Die Art. 43 und 48 EG sind dahin auszulegen, dass es ihnen zuwiderläuft, dass in die Steuerbemessungsgrundlage einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft die von einer beherrschten ausländischen Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Gewinne einbezogen werden, wenn diese Gewinne einem niedrigeren Besteuerungsniveau als im erstgenannten Staat unterliegen, es sei denn, eine solche Einbeziehung betrifft nur rein künstliche Gestaltungen, die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen. Von der Anwendung einer solchen Besteuerungsmaßnahme ist folglich abzusehen, wenn es sich auf der Grundlage objektiver und von dritter Seite nachprüfbarer Anhaltspunkte erweist, dass die genannte beherrschte ausländische Gesellschaft ungeachtet des Vorhandenseins von Motiven steuerlicher Art tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat angesiedelt ist und dort wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeiten nachgeht.

 

Normenkette

Art. 43 und 48 EG

 

Sachverhalt

Die CS, eine ansässige Gesellschaft, ist die Muttergesellschaft des Cadbury Schweppes Konzerns, der sich aus Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich, in anderen Mitgliedstaaten und in Drittstaaten zusammensetzt. Zu diesem Konzern gehören insbesondere zwei Tochtergesellschaften in Irland, nämlich die CSTS und die CSTI, deren Kapital die CS mittelbar über eine Reihe von Tochtergesellschaften und letztlich über die CSO hält.

Für die in den "Dublin Docks" (IFSC) niedergelassenen CSTS und CSTI galt ein Steuersatz von 10 %.

Die CSTS und die CSTI beschafften Geldmittel und stellen diese den Tochtergesellschaften des Cadbury Schweppes Konzerns zur Verfügung. Ihre Gründungen erfolgten u.a., um zu vermeiden, dass bestimmte Steuervorschriften des Vereinigten Königreichs über Devisen Anwendung fänden.

Es stand fest, dass die CSTS und die CSTI zu dem alleinigen Zweck in Dublin errichtet wurden, die Gewinne, die mit den Aktivitäten der internen Finanzierung des Cadbury Schweppes Konzerns in Zusammenhang stehen, in den Genuss der steuerlichen Regelungen des IFSC kommen zu lassen.

In Anbetracht des auf die im IFSC niedergelassenen Gesellschaften anwendbaren Steuersatzes unterlagen die Gewinne der CSTS und der CSTI einem "niedrigeren Besteuerungsniveau" im Sinn der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften.

Daher setzten die Commissioners of Inland Revenue aufgrund der Rechtsvorschriften über beherrschte ausländische Gesellschaften eine KSt unter Einbeziehung der von der CSTI erzielten Gewinne fest; die CSTS hatte im gleichen Geschäftsjahr mit Verlust abgeschlossen.

 

Entscheidung

Der EuGH beantwortete die ihm von den Special Commissioners of Income Tax vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen wie im Leitsatz wiedergegeben.

 

Hinweis

1. Das lang und mit Spannung erwartete Urteil des EuGH zur sog. CFC-(= Controlled Foreign Corporations-)Gesetzgebung in Großbritannien hat ein Ergebnis erbracht, mit welchem man nach den Schlussanträgen des Generalanwalts Philippe Léger (vom 2.5.2006) in dieser Form vielleicht gar nicht einmal mehr gerechnet hatte:

2. Denn der EuGH hat die besagte Gesetzeslage jedenfalls für den Fall uneingeschränkt verworfen und als EG-rechtswidrig gebrandmarkt, dass sie zur steuerlichen Missbrauchsvermeidung pauschal durch Zwischengesellschaften mit Kapitalanlagecharakter in ausländischen Niedrigsteuerländern "hindurchgreift" und einer inländischen Besteuerung unterwirft.

Nur wenn der besagten Gesetzgebung den Missbrauch im Einzelfall ahndet und es sich um "rein künstliche Gestaltungen (handelt), die dazu bestimmt sind, der normalerweise geschuldeten nationalen Steuer zu entgehen", soll und darf es sich anders verhalten. Allerdings: Die Abwanderung in eine "Steueroase", um innerstaatliche Steuern zu sparen, ist aus Sicht des EuGH keineswegs vorwerfbar. Sie rechtfertigt es per se nicht, von jener "rein künstlichen Gestaltung" auszugehen.

3. Das alles hat weitreichende Folgen für die im Vergleich zur britischen noch weitaus schärferen deutschen Gesetzeslage im AStG: Die dort in den §§ 7 ff. geregelte sog. Hinzurechnungsbesteuerung ist – ob mit oder ohne erneute EuGH-Anrufung – gewissermaßen "tot". Sie ist nicht länger haltbar, weil ihr ein genereller Missbrauchsahndungscharakter zugrunde liegt und weil sie durchgängig mit nicht widerlegbaren Pauschalen und Typisierungen (Passivitäts- bzw. Aktivitätskatalog; Beherrschungssituation; Niedrigbesteuerung) arbeitet. Zumindest bedarf es dazu der Beifügung eines sog. Motivtests im Einzelfall, also der Möglichkeit, einen Gegenbeweis zu liefern (s. dazu nachfolgend).

4. Ob die deutsche Finanzverwaltung und die von ihr gesteuerte Politik das aber so mir nichts, dir nichts nachvollziehen wird, erscheint keineswegs ausgemacht. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass man zunächst einmal gerne auf Zeit arbeitet und den "Karren" über die dieserhalb in einschlägigen Kreisen neuerdings heftigst attackierte Finanzrechtsprechung (vgl. den gänzlich unangemessen emotionalen Schmähruf des B...

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