Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsabgeltungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs nach dem BUrlG entsteht mit Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis.

2. Ist der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt und danach über das Ende des Urlaubsjahres hinaus und im Übertragungszeitraum arbeitsunfähig, besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfüllung dieses Anspruchs.

3. Endet nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis dessen Arbeitsunfähigkeit im Urlaubsjahr, für das der Urlaubsanspruch entstanden ist, bzw. im Übertragungszeitraum so rechtzeitig, daß bei bestehendem Arbeitsverhältnis der Urlaub hätte verwirklicht werden können, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Gewährung der Urlaubsabgeltung (im Anschluß an die Senatsentscheidung vom 23. Juni 1983 – 6 AZR 180/80 – zur Veröffentlichung bestimmt).

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 05.11.1981; Aktenzeichen 6 Sa 180/81)

ArbG Augsburg (Urteil vom 15.10.1980; Aktenzeichen 2 Ca 1585/80)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 5. November 1981 – 6 Sa 180/81 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten seit 27. September 1978 als Kraftfahrer im Fernverkehr mit einem Monatslohn von zuletzt 2.500,-- DM beschäftigt. Am 8. Januar 1980 erkrankte er und war bis zum 7. Juli 1980 arbeitsunfähig. Weil wegen dieser Erkrankung eine Weiterbeschäftigung als Kraftfahrer nicht in Betracht kam, vereinbarten die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1980. Der Kläger hat am 15. Juli 1980 ein neues Arbeitsverhältnis begonnen.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien war der Bundes-Manteltarifvertrag vom 25. September 1979 für den Güter- und Möbelfernverkehr – BMT Fernverkehr – in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin sowie der Manteltarifvertrag Nr. 1 vom 6. Dezember 1976 für gewerbliche Arbeitnehmer des Speditions- und Transportgewerbes in Bayern (MTV) anzuwenden. Danach hatte der Kläger unstreitig für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1980 Anspruch auf Erholungsurlaub von elf Tagen.

Mit seiner Klage hat der Kläger u.a. Abgeltung für diese Urlaubstage in Höhe von 1.057,69 DM begehrt und einen entsprechenden Leistungsantrag gestellt. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das Begehren des Klägers sei rechtsmißbräuchlich.

Das Arbeitsgericht hat dem Anspruch auf Abgeltung nur in Höhe von fünf Urlaubstagen entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, den Urlaub in der vom Kläger geltend gemachten Höhe insgesamt abzugelten. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung in der von ihm begehrten Höhe bejaht.

1. Dem Kläger stand bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 30. Juni 1980 unstreitig noch ein Anspruch auf elf Urlaubstage zu. Dieser Anspruch ist entgegen der Auffassung der Beklagten und ohne daß es auf die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts insoweit ankommt, nicht wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 28. Januar 1982 (BAG 37, 382) unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden, daß ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Erholungsurlaub nicht dadurch verliert, daß er infolge Krankheit im Urlaubsjahr nur eine geringe oder auch gar keine Arbeitsleistung erbracht hat. Der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers ist danach nicht wegen Rechtsmißbrauchs ausgeschlossen, wenn dieser allein durch langdauernde Krankheit verhindert war zu arbeiten. Maßgeblich ist nur, daß der Urlaub im Urlaubsjahr bzw. im Übertragungszeitraum genommen werden kann. Die in dieser Entscheidung vertretene Grundauffassung hat der Senat inzwischen in weiteren Entscheidungen bestätigt (BAG 39, 53; Urteile vom 26. Mai 1983 – 6 AZR 273/82 –, vom 23. Juni 1983 – 6 AZR 180/80 – und vom 8. März 1984 – 6 AZR 600/82 – jeweils zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, letztes auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts).

2. Da der Urlaubsanspruch des Klägers wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt werden konnte, ist er abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG, § 12 I Nr. 3 Satz 1 MTV).

Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger am 30. Juni 1980 bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zur Beklagten arbeitsunfähig war und seine Arbeitsfähigkeit erst nach dem 7. Juli 1980 wiedererlangt hat.

Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 23. Juni 1983, aaO, dargelegt, daß der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs voraussetzt, daß der Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch besteht und wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht hat gewährt werden können. Damit ist notwendig verbunden, daß entweder im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also des Entstehens des Abgeltungsanspruchs, oder danach der Urlaubsanspruch hätte erfüllt werden können, wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden wäre.

Demzufolge hat der erkennende Senat einen Abgeltungsanspruch i.S. von § 7 Abs. 4 BUrlG verneint, wenn ein Arbeitnehmer nach dauernder Arbeitsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne die Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen, er also erwerbsunfähig bleibt. Dann ist mit Ablauf des Urlaubsjahres, für das der Urlaubsanspruch entstanden ist, bzw. mit dem Ende des Übertragungszeitraums auch der Abgeltungsanspruch erloschen. Die Erfüllung des Abgeltungsanspruchs während der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit muß daran scheitern, daß dem Arbeitnehmer auch bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis wegen der Arbeitsunfähigkeit keine Freizeit hätte gewährt werden können.

Der Senat hatte bisher nicht darüber zu befinden, wie zu entscheiden ist, wenn der Arbeitnehmer nach langdauernder Krankheit und nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis im Urlaubsjahr, für das der Urlaubsanspruch entstanden ist, oder im Übertragungszeitraum wieder arbeitsfähig wird. Auszugehen ist auch hier davon, daß jedenfalls auch dann nach § 7 Abs. 4 BUrlG der Abgeltungsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Surrogat für den Urlaubsanspruch entsteht, wenn der Arbeitnehmer bisher Urlaub nicht hat nehmen können, ein Urlaubsanspruch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses also noch bestand. Im Gegensatz zu einem Arbeitnehmer, dessen Abgeltungsanspruch wegen der fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis nicht erfüllt werden kann, wird dieses Leistungshindernis bei einem Arbeitnehmer, der noch im Urlaubsjahr oder rechtzeitig im Übertragungszeitraum die Arbeitsfähigkeit wiedererlangt, beseitigt. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 23. Juni 1983, aaO, eingehend dargelegt, daß der an die Stelle des Urlaubsanspruchs tretende Abgeltungsanspruch den Arbeitnehmer in die Lage versetzen soll, trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses dennoch Freizeit zur Erholung zu nehmen. Ist der Arbeitnehmer arbeitsunfähig, kann während dieser Zeit der Leistungserfolg nicht eintreten. Das Leistungsverlangen eines solchen Arbeitnehmers kann nicht etwa damit begründet werden, eine Geldzahlungspflicht sei immer zu erfüllen. Damit wird nicht berücksichtigt, daß der Abgeltungsanspruch eben nicht lediglich dem im Urlaub zu zahlenden Entgelt entspricht, sondern als Surrogat des Freistellungsanspruchs von der Arbeitspflicht vielmehr – abgesehen von der Besonderheit, daß die Arbeitspflicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr suspendiert werden kann – an die gleichen Voraussetzungen gebunden ist wie der Urlaubsanspruch selbst. Der Arbeitnehmer muß in der Lage sein, Urlaub zu nehmen, also seinen Freizeitanspruch in anderer Weise zu verwirklichen. Demzufolge ist für einen Arbeitnehmer, der nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor Ablauf der in § 7 Abs. 3 BUrlG genannten Zeiträume wieder arbeitsfähig wird, der Abgeltungsanspruch ebenso zu erfüllen, wie ein Urlaubsanspruch bei fortdauerndem Arbeitsverhältnis zu erfüllen wäre. Ebenso wie der Urlaubsanspruch grundsätzlich erst mit dem Ende des Kalenderjahres bzw. dem Ende des Übertragungszeitraums erlischt, ist auch der Abgeltungsanspruch bis zu diesem Beendigungszeitpunkt zu erfüllen, wenn der vorher ausgeschiedene Arbeitnehmer die Arbeitsfähigkeit so rechtzeitig wiedererlangt, daß sein Urlaubsanspruch in diesem Zeitraum noch erfüllt werden könnte (vgl. dazu die Entscheidung des Senats, BAG 39, 53).

Damit hat der Kläger, der bereits nach Ablauf von sieben Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses wieder arbeitsfähig war, den Anspruch auf Abgeltung für den ihm unstreitig während des Arbeitsverhältnisses für das laufende Kalenderjahr 1980 entstandenen aber noch nicht erfüllten Urlaubsanspruch.

3. Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten entfällt der Anspruch des Klägers auch nicht etwa, weil wegen seiner Krankheit eine Weiterbeschäftigung als Kraftfahrer im Betrieb der Beklagten nicht in Betracht kam und aus diesem Grunde die Parteien die Auflösung des Arbeitsverhältnisses vereinbart haben.

Damit verkennt die Beklagte, daß der Kläger zwar unfähig war, seine bisherige Tätigkeit weiter auszuüben, nicht aber erwerbsunfähig. Bei Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses hätte der Kläger der Beklagten im übrigen weiterhin als Arbeitnehmer arbeitsfähig – zwar nicht für seine bisherige, wohl aber für andere Tätigkeiten – zur Verfügung gestanden. Diese hätte dann prüfen müssen, ob sie ihm ggf. eine andere Tätigkeit zuweisen konnte, an deren Erfüllung er nicht durch seine Erkrankung gehindert war (§ 1 Abs. 2 Nr. 1b KSchG). Hätte die Beklagte das Arbeitsverhältnis gekündigt, wäre sie schließlich verpflichtet gewesen, den Urlaubsanspruch des Klägers im Kündigungszeitraum zu gewähren. An diesem Zusammenhang kann sich nicht dadurch etwas zum Nachteil des Klägers ändern, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern einverständlich beendet worden ist.

 

Unterschriften

Dr. Auffarth, Matthes, Dr. Leinemann, Linde, Carl

 

Fundstellen

Haufe-Index 2178542

BAGE, 224

JR 1986, 176

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