Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Urlaubsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird aufgrund eines Tarifvertrags ein Arbeitsverhältnis wegen der Feststellung des Rentenversicherungsträgers, daß der Arbeitnehmer berufs- oder erwerbsunfähig sei, rückwirkend als beendet erklärt, kann hierdurch ein wegen Zeitablaufs erloschener Urlaubsanspruch nicht erneut entstehen.

 

Orientierungssatz

Auslegung der §§ 34, 25, 28 und 30 des Ersatzkassentarifvertrages.

 

Normenkette

TVG § 1; BUrlG §§ 1, 13, 7 Abs. 3-4

 

Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 28.04.1982; Aktenzeichen 2 Sa 577/81)

ArbG Flensburg (Entscheidung vom 06.11.1981; Aktenzeichen 1 Ca 1011/81)

 

Tatbestand

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 1963 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Ersatzkassentarifvertrag (EKT) in seiner jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Im Jahre 1979 erkrankte die Klägerin und konnte deshalb zehn Tage des ihr zustehenden Urlaubs nicht nehmen. Die Beklagte übertrug deshalb diesen Urlaubsanspruch auf das Jahr 1980. Auch während des Jahres 1980 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig krank. Mit einem der Beklagten am 5. Januar 1981 zugegangenen Schreiben vom 12. Dezember 1980 bat die Klägerin die Beklagte ohne Erfolg, den Urlaub weiter zu übertragen oder ihn abzugelten.

Mit Rentenbescheid der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 3. Februar 1981 wurde festgestellt, daß die Klägerin seit 15. Oktober 1979, mit Beginn ihrer lang dauernden Arbeitsunfähigkeit, erwerbsunfähig ist. Die Beklagte zahlte an die Klägerin das Gehalt bis zum 14. April 1980 (26 Wochen seit 15. Oktober 1979) weiter.

Im Jahre 1981 teilte die Beklagte der Klägerin schriftlich u.a. mit:

"...in Anbetracht Ihres angegriffenen Gesund-

heitszustandes hatten Sie sich entschlossen,

bei der Bundesversicherungsanstalt für Ange-

stellte einen Rentenantrag einzureichen.

Diesem Antrag ist inzwischen entsprochen

worden, so daß Ihr Arbeitsverhältnis mit

unserer Kasse gemäß den Bestimmungen des

§ 34 Absatz 2 EKT rückwirkend mit dem

14.4.1980 endet. ..."

Die Klägerin ist der Auffassung, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihr den Urlaub aus dem Jahre 1979 abzugelten.

Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.234,55 DM (brutto) nebst 4 % Zinsen zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klagabweisungsziel weiter. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.

Der EKT enthält u.a. folgende Vorschriften:

§ 25 "(1) Unter Fortzahlung der Gehaltsbezüge

wird ein Erholungsurlaub gewährt. Das

Urlaubsjahr läuft vom 1. Januar bis

31. Dezember."

§ 28 "(1) Urlaub, der nicht spätestens 3 Monate

nach Ablauf des Urlaubsjahrs genommen wird,

verfällt ohne Anspruch auf Geldentschädi-

gung, es sei denn, daß er erfolglos schrift-

lich geltend gemacht worden ist.

(3) Konnte der Urlaub wegen Arbeitsunfähig-

keit oder wegen Schwangerschaft nicht bis

zum Ende des Urlaubsjahres genommen werden,

so ist er auf das folgende Kalenderjahr zu

übertragen und nach Fortfall der Hinderungs-

gründe unverzüglich, spätestens jedoch bis

zum Ablauf des Jahres, in das der Urlaub

übertragen worden ist, zu nehmen.

(4) Hat der Angestellte in dem betreffenden

Urlaubsjahr weniger Tage gearbeitet als er

Urlaubstage zu beanspruchen hätte, so hat

er keinen Urlaubsanspruch erworben.

(5) Der Urlaub kann auch während einer mit

Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung

genommen werden. In diesem Falle treten für

die Dauer des Urlaubs an die Stelle der

Krankenbezüge bzw. des Zuschusses zum

Krankengeld die Gehaltsbezüge."

§ 30 "Der Urlaubsanspruch kann außer nach § 28

Abs. 1 EKT nur abgegolten werden, wenn dem

Angestellten der noch zustehende Urlaub

nicht mehr vor Beendigung des Beschäfti-

gungsverhältnisses gewährt werden kann. Es

wird für jeden Urlaubstag 1/22 des letzten

Monatsgehalts gezahlt, bei unbezahltem Ur-

laub 1/22 gekürzt."

§ 34 (2) "Wird durch Bescheid eines Rentenver-

sicherungsträgers festgestellt, daß der

Angestellte berufs- oder erwerbsunfähig

ist, so endet das Beschäftigungsverhält-

nis mit Ablauf des Monats, in dem der Be-

scheid zugestellt wird. Wird vor Ablauf

des Monats, in dem der Rentenbescheid zu-

gestellt wird, die Zahlung der Krankenbe-

züge gemäß § 21 Ziff. 1 EKT eingestellt,

so endet das Beschäftigungsverhältnis mit

Ablauf der Krankenbezüge, frühestens jedoch

mit Beginn der Rentenzahlung. ..."

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Der Klägerin steht ein Urlaubsabgeltungsanspruch für das Jahr 1979 nicht zu. Zu Unrecht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß der Klägerin mit Rücksicht auf den rückwirkenden Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses am 14. April 1980 der in das Jahr 1980 übertragene Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1979 noch zu gewähren sei.

1. Auszugehen ist zunächst davon, daß vor Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch den Bescheid der Bundesanstalt für Angestellte vom 3. Februar 1981 das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig bestanden hat. Damit steht fest, daß der Urlaubsanspruch, den die Beklagte nach § 28 Abs. 3 EKT auf das Jahr 1980 übertragen hat, mit Ablauf dieses Jahres erloschen ist. Eine weitere Übertragung oder gar ein "Übergang" des Urlaubs auf weitere Jahre ist nach dem Tarifvertrag nicht möglich. Die Beklagte hat deshalb zu Recht dem Begehren der Klägerin auf Übertragung des Urlaubs aus dem Jahre 1979 in das Jahr 1981 nicht entsprochen. Ebenso scheidet ein Abgeltungsanspruch der Klägerin mangels Rechtsanspruchs aus. Damit kann dahinstehen, ob der Beklagten der Antrag der Klägerin vom 12. Dezember 1980 noch vor Jahresende oder erst nach Erlöschen des Urlaubsanspruchs zugegangen ist.

2. Ein Anspruch der Klägerin folgt auch nicht etwa aus § 28 Abs.1 EKT. Danach verfällt ein Urlaubsanspruch drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht, wenn er erfolglos schriftlich geltend gemacht ist.

Auch wenn der Urlaubsanspruch - darüber liegen keine hinreichenden Feststellungen vor - im Laufe der ersten drei Monate des Jahres 1980 schriftlich geltend gemacht worden ist, könnte dies am Erlöschen des Urlaubs am Ende des Jahres 1980 nichts ändern, weil die Klägerin bis zum Ende des Jahres 1980 wegen ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage war, den Urlaub anzutreten, sie also nicht annahmebereit war. Damit hätte die Beklagte auch einen von der Klägerin gleichwohl geforderten Urlaub nicht gewähren können. Im übrigen bezieht sich § 28 Abs. 1 EKT auf die (erfolglose) Geltendmachung des Urlaubs im Urlaubsjahr, nicht auf den in § 28 Abs. 3 EKT geregelten tariflichen Übertragungszeitraum. Schließlich scheidet auch ein Anspruch der Klägerin nach § 28 Abs. 5 EKT aus. Danach kann der Urlaub auch während einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung genommen werden mit der Folge, daß dann an die Stelle der Krankenbezüge bzw. des Zuschusses zum Krankengeld die Gehaltsbezüge treten. Der Senat braucht hier nicht zu prüfen, ob diese Bestimmung mit dem Bundesurlaubsgesetz etwa deshalb nicht vereinbar ist, weil sie ggf. zu Minderungen des gesetzlichen Urlaubsanspruchs führen kann. Hier muß ein solcher Anspruch schon deswegen scheitern, weil - unterstellt das Begehren der Klägerin vom 12. Dezember 1980 könnte entsprechend ausgelegt werden - diese Erklärung der Beklagten erst am 5. Januar 1981, also erst nach Erlöschen des Urlaubsanspruchs zugegangen ist.

Ist der Urlaubsanspruch daher am 31. Dezember 1980 erloschen, kann er nicht durch die rückwirkende Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 14. April 1980 aufgrund des Rentenbescheids nach § 34 Abs. 2 Satz 2 EKT wieder entstehen. § 34 Abs. 2 EKT enthält jedenfalls keinen Tatbestand, aus dem sich eine solche Rechtswirkung ableiten ließe. Inhalt der Regelung ist lediglich sicherzustellen, daß der Ausgeschiedene nahtlos in das Rentenverhältnis übergeführt wird. Nur aus diesem Grund bestimmt § 34 Abs. 2 Satz 2 EKT, daß das Arbeitsverhältnis frühestens mit Beginn der Rentenzahlung endet. Das Landesarbeitsgericht hat sich darauf beschränkt, das Ende der Pflicht, Krankenbezüge an die Klägerin zu zahlen, ohne weiteres als das Ende des Arbeitsverhältnisses anzunehmen.

Selbst wenn jedoch dem Landesarbeitsgericht auch noch insoweit gefolgt werden könnte, müßte die Gewährung einer Abgeltung daran scheitern, daß die Klägerin bei Ausscheiden erwerbsunfähig war und damit der Abgeltungsanspruch auch zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt werden konnte. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt das Urteil vom 28. Juni 1984 - 6 AZR 521/81 - zur Veröffentlichung bestimmt) entsteht der Urlaubsabgeltungsanspruch als Surrogat des Urlaubsanspruchs mit Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis. Ist der Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt und danach im Übertragungszeitraum (hier § 28 Abs. 3 EKT bis zum Ende des Jahres 1980) arbeitsunfähig krank, besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erfüllung dieses Anspruchs.

Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann

Fürbeth Dr. Walz

 

Fundstellen

BAGE 48, 7-11 (LT1)

BAGE, 7

DB 1985, 1088-1088 (LT1)

JR 1986, 440

AP § 7 BUrlG Abgeltung (LT1), Nr 19

EzA § 7 BUrlG, Nr 37 (LT1)

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