Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsschutzklage und tarifliche Ausschlußfrist

 

Leitsatz (redaktionell)

Kann durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage eine tarifliche Ausschlußfrist für Ansprüche des Arbeitnehmers gewahrt werden, die vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängen, so beginnt eine daran anknüpfende weitere tarifliche Ausschlußfrist für die gerichtliche Geltendmachung mit der Erklärung des Arbeitgebers, er beantrage die Kündigungsschutzklage abzuweisen, wenn nach dem Tarifvertrag (hier: Manteltarifvertrag für Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessen vom 10.Mai 1966 in der Fassung vom 31.Januar 1979 § 24) der Fristbeginn nur von der Ablehnung der Ansprüche des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abhängt.

Einer unmittelbar auf die Ansprüche selbst bezogenen ausdrücklichen Ablehnungserklärung des Arbeitgebers bedarf es dann nicht (im Anschluß an BAG Urteil vom 4.5.1977 5 AZR 187/76 = BAGE 29, 152).

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 04.06.1981; Aktenzeichen 3 Sa 115/81)

ArbG Gießen (Entscheidung vom 29.12.1980; Aktenzeichen 2 Ca 29/80)

 

Tatbestand

Der Kläger war bei der Beklagten seit 7. März 1978 als Blechschlosserhelfer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft beiderseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für Arbeiter in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Hessen vom 10. Mai 1966 in der Fassung vom 31. Januar 1979 (MTV) anzuwenden.

§ 24 MTV lautet:

"1. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind wie folgt

geltend zu machen:

a) Ansprüche auf Zuschläge aller Art sofort,

spätestens innerhalb 4 Wochen nach Abrech-

nung der Lohnperiode, bei der sie hätten

abgerechnet werden müssen.

b) Alle übrigen beiderseitigen Ansprüche aus

dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten

nach ihrer Fälligkeit.

2. Eine Geltendmachung nach Ablauf der unter Ziff. 1

festgesetzten Frist ist ausgeschlossen, es sei denn,

daß die Einhaltung dieser Frist wegen eines unab-

wendbaren Zufalls nicht möglich gewesen ist.

3. Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben worden und

lehnt der Arbeitgeber seine Erfüllung ab, so hat

der Arbeitnehmer den Anspruch innerhalb von 3 Mo-

naten seit der Ablehnung gerichtlich geltend zu

machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausge-

schlossen."

Die dem Kläger von der Beklagten zum 6. Juli 1979 erklärte Kündigung ist auf die am 2. Juli 1979 erhobene Kündigungsschutzklage durch rechtskräftig gewordenes Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 27. März 1980 als unwirksam festgestellt worden. Am 2. April 1980 nahm der Kläger seine Arbeit bei der Beklagten wieder auf.

Mit der am 22. Januar 1980 erhobenen Klage hat der Kläger von der Beklagten Zahlung der Vergütung ab Juli 1979 und mit Schriftsatz vom 28. November 1980 Abgeltung von 12 Tagen Resturlaub aus dem Jahre 1979 (einschließlich Urlaubsgeld) begehrt.

Mit Schriftsatz vom 30. Januar 1980 verzichtete die Beklagte bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits auf die Einhaltung der tariflichen Ausschlußfrist und fügte hinzu, dies beziehe sich nicht auf "die bereits verfristeten Ansprüche bis einschließlich September 1979". Nach einem Teilvergleich über Lohnansprüche vom 1. Oktober 1979 bis einschließlich 31. März 1980 sind - abgesehen von Ansprüchen auf Urlaub - nur noch Lohnansprüche für die Zeit vom 9. Juli bis zum 30. September 1979 zwischen den Parteien streitig.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, a) für die Zeit vom 9. Juli 1979 bis 30. September 1979 DM 5.620,80 brutto abzüglich DM 2.736,-- netto zu zahlen, b) für 12 Tage Urlaub aus dem Jahre 1979 nebst 50 %igem Urlaubsgeld DM 1.712,16 brutto zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat dem Lohnzahlungsantrag stattgegeben und im übrigen die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Auf die Berufung des Klägers und einen in der mündlichen Verhandlung am 4. Juni 1981 gestellten Hilfsantrag hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte weiter verurteilt, dem Kläger für das Urlaubsjahr 1979 12 Tage Resturlaub in natura zu gewähren.

Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Verfahrensziel weiter. Der Kläger ist, obgleich durch öffentliche Zustellung ordnungsgemäß geladen, im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen. Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil zu erlassen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger stehen die von ihm geltend gemachten Lohn- und Urlaubsansprüche nicht mehr zu.

I. Der Lohnanspruch ist verfallen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG 30, 135 = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) kann die Erhebung der Kündigungsschutzklage je nach Lage des Falles ein ausreichendes Mittel zur Geltendmachung von Ansprüchen sein, die während des Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen, sofern die einschlägige tarifliche Verfallklausel nur eine formlose oder eine schriftliche Geltendmachung verlangt. Ob dieser Auffassung zu folgen ist, bedarf vorliegend keiner abschließenden Erörterung. Auch wenn sie der Entscheidung zugrunde gelegt wird, kann das Begehren des Klägers keinen Erfolg haben, da er nicht rechtzeitig i.S. von § 24 Nr. 3 Satz 1 MTV seinen Lohnanspruch gerichtlich geltend gemacht hat.

Es entspricht nämlich ebenfalls der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß die Kündigungsschutzklage nicht zugleich die gerichtliche Geltendmachung von Zahlungsansprüchen ersetzt, wie sie für die zweite Stufe der Ausschlußklausel des MTV verlangt wird. Gleichviel, wie der Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage aufgefaßt wird, ist jedenfalls der Lohnanspruch nicht Gegenstand jenes Prozesses. Wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsprozeß unterliegt, steht zwar fest, daß er für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen Lohn mehr verlangen kann. Wenn er aber obsiegt, ist damit noch nicht geklärt, ob und in welcher Höhe er einen Vergütungsanspruch hat. Damit kann - wenn wie hier - der MTV als zweite Stufe die gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs vorschreibt, nur die Erhebung der Zahlungsklage genügen. Die eindeutige Fassung des MTV läßt keine andere Auslegung zu (vgl. BAG, aa0, m.w.N.).

Gerichtlich geltend gemacht i.S. von § 24 Nr. 3 Satz 1 MTV hat der Kläger seinen Lohnanspruch erst mit der Zahlungsklage, die am 22. Januar 1980 bei Gericht eingegangen ist. Zu dieser Zeit war der Anspruch bereits verfallen. Für den Fristbeginn der gerichtlichen Geltendmachung hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts (aa0) - auch wenn der Zahlungsanspruch noch nicht fällig ist - an die Erhebung der Kündigungsschutzklage angeknüpft. Mit der Ablehnung durch den Arbeitgeber beginnt die in § 24 Nr. 3 MTV vorgesehene Drei-Monatsfrist auch für die noch nicht fälligen Ansprüche.

Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß hier im Klagabweisungsantrag der Beklagten im Kündigungsschutzprozeß (Schriftsatz vom 9. Juli 1979) keine Ablehnung von Lohnansprüchen gesehen werden könne und daher die Ausschlußfrist des § 24 Nr. 3 Satz 1 MTV zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche des Klägers nicht in Lauf gesetzt worden sei.

Das Landesarbeitsgericht hat für seine Auffassung auf die Entscheidung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Mai 1977 (BAG 29, 152 = AP Nr. 60 zu § 4 TVG Ausschlußfristen) abgestellt. In jener Entscheidung hing der Anspruch des Klägers ebenfalls von einer tariflichen Ausschlußklausel ab, die sich von der vorliegenden allerdings dadurch unterschied, daß dort "eine ausdrückliche Ablehnung" des Arbeitgebers für den Fristbeginn maßgeblich war, während nach § 24 Nr. 3 MTV die Ablehnung genügt. Beide Merkmale können entgegen der Meinung des Landesarbeitsgerichts nicht miteinander gleichgesetzt werden.

Bedarf es für eine ausdrückliche Ablehnung einer ausdrücklichen Erklärung, daß der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage geltend gemachten Ansprüche nicht erfüllen werde, ist nicht zu erkennen, aus welchem Grund dies auch für die in § 24 Nr. 3 MTV vorgesehene "Ablehnung" gelten sollte. Vielmehr muß hier davon ausgegangen werden, daß die mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage für den Arbeitgeber verbundene Warnfunktion, daß er noch mit Zahlungsansprüchen des Arbeitnehmers rechnen muß (BAG, aa0), auch für den Arbeitnehmer gilt, wenn der Arbeitgeber Klagabweisung begehrt. Er kann nicht davon ausgehen, der Arbeitgeber werde sich ohne weitere Auseinandersetzung auf diese Ansprüche einlassen. Damit aber muß sich der Arbeitnehmer auf die gerichtliche Auseinandersetzung auch zu dieser Frage einrichten.

Daher war jedenfalls mit Erhebung der Zahlungsklage am 22. Januar 1980 die Frist nach § 24 Nr. 3 MTV bereits abgelaufen.

II. Auch der Urlaubsanspruch steht dem Kläger nicht zu.

Der Kläger hat den Urlaubsanspruch für das Jahr 1979 - als Abgeltungsanspruch - erstmals gerichtlich am 28. November 1980 geltend gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war der Urlaubsanspruch für das Jahr 1979 bereits erloschen (vgl. dazu die Senatsentscheidung vom 1. Dezember 1983 - 6 AZR 299/80 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil vom 28. Juni 1984 - 6 AZR 521/81 -, zur Veröffentlichung bestimmt) erlischt der Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz mit dem Ende des Jahres, für das er entstanden ist bzw. bei Vorliegen der in § 7 Abs. 3 BUrlG genannten Merkmale mit dem 31. März des Folgejahres. Die Regelungen des MTV sehen insoweit für den tariflichen Urlaub keinen von den gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Inhalt vor (vgl. § 19 Nr. 1 und Nr. 7 MTV). Damit war der Urlaubsanspruch jedenfalls mit Ablauf des Monats März 1980 erloschen, so daß es insoweit auf die Frist nach § 24 Nr. 3 Satz 1 MTV nicht ankommt, die im übrigen auch bezüglich des Urlaubsanspruchs bereits vor Klagerhebung abgelaufen war. Deshalb hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht auf den erst am 4. Juni 1981 gestellten Hilfsantrag die Beklagte zur Freizeiterteilung verurteilt.

Damit ist die Klage insgesamt abzuweisen, soweit darüber nicht bereits rechtskräftig entschieden ist.

Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann

Dr. Martin Mayer

 

Fundstellen

BAGE 46, 359-363 (LT1)

BAGE, 359

BB 1985, 996-997 (LT1)

DB 1985, 707-708 (LT1)

ARST 1985, 92-93 (LT1)

BlStSozArbR 1985, 164-164 (T)

NZA 1985, 249-249 (LT1)

AP § 4 Ausschlußfristen (LT1), Nr 86

AR-Blattei, Ausschlußfristen Entsch 113 (LT1)

AR-Blattei, ES 350 Nr 113 (LT1)

EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 62 (LT1)

ZfA 1985, 555-556 (T)

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