Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des Arbeitnehmer- Tarifliche Ausschlußfrist

 

Orientierungssatz

§ 13 Nr 2 des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Groß- und Außenhandels und des genossenschaftlichen Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 1982 ist dahin auszulegen, daß auch die Arbeitgeberansprüche mit Ausnahme der in § 13 Nr 5 genannten gegenüber Angestellten binnen drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats nach Ablauf dieser Frist einzuklagen sind, wenn sie nicht nach § 13 Nr 4 verfallen sollen.

 

Normenkette

TVG §§ 1, 4; BGB § 242

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Entscheidung vom 13.06.1985; Aktenzeichen 8 Sa 156/85)

ArbG Köln (Entscheidung vom 29.11.1984; Aktenzeichen 6 Ca 4693/84)

 

Tatbestand

Der Beklagte war vom 1. September 1976 bis Dezember 1983 bei dem Kläger als Tankwart beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Groß- und Außenhandels und des genossenschaftlichen Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 1982 (MTV) Anwendung. In § 13 MTV ist geregelt:

Fälligkeit und Erlöschen von Ansprüchen

1. Das Gehalt ist am Schluß des Kalender-

monats bzw. des Lohnabrechnungszeit-

raumes, Provisionen, Vergütungen und

Abgeltungen für Mehr-, Nacht-, Schicht-,

Sonn- und Feiertagsarbeit sind spätestens

am Schluß des folgenden Monats fällig,

in jedem Fall jedoch mit Beendigung des

Arbeitsverhältnisses. Für Provisionen

kann ein anderer Fälligkeitszeitpunkt

vereinbart werden.

2. Der Anspruch auf vorgenannte Vergütungen

sowie alle sonstigen Ansprüche aus dem

Arbeitsverhältnis sind vom Angestellten

binnen 3 Monaten, von gewerblichen Ar-

beitnehmern binnen 6 Wochen nach Fällig-

keit dem anderen Vertragspartner gegen-

über schriftlich geltend zu machen.

Spätestens innerhalb eines weiteren

Monats nach Ablauf dieser Frist ist Klage

zu erheben.

...

4. Eine Geltendmachung von Ansprüchen nach

Ablauf der in § 13 Nr. 2 - 3 genannten

Fristen ist ausgeschlossen; das gleiche

gilt bei Nichterfüllung der dort genannten

Voraussetzungen.

5. Die Ausschlußfristen zur Geltendmachung

und Klageerhebung gelten nicht für Scha-

densersatzansprüche aus Verkehrsunfällen

und mit Strafe bedrohten Handlungen sowie

für Ansprüche aus der betrieblichen Al-

tersversorgung.

Der Beklagte war verpflichtet, die Einnahmen aus dem Verkauf von Kraftstoff und Mineralöl täglich an den Kläger abzuführen. Der Beklagte nahm nach von ihm selbst erstellten Abrechnungen in der Zeit vom 15. bis zum 26. März 1983 Bargeld in Höhe von 56.965,54 DM ein. Der Kläger zog von diesem Betrag eine Zahlung und ein Guthaben des Beklagten ab, rechnete ihm eine Forderung für Strom- und Wasserverbrauch aus dem ersten Quartal 1983 sowie einen Negativsaldo aus dem Jahre 1982 hinzu und verlangte mit Schreiben vom 24. Juni 1983 von dem Beklagten erfolglos die Zahlung von 52.842,63 DM.

Mit der am 29. Mai 1984 erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn

52.842,63 DM nebst 12 % Zinsen seit

dem 6. November 1983 zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat geltend gemacht, der Anspruch sei erloschen, weil der Kläger die in § 13 MTV geregelte Ausschlußfrist versäumt habe; außerdem handele es sich bei der Klagesumme nicht um den Betrag aus den genannten Abrechnungen, sondern um die Summe von Kassenfehlbeträgen, die sich seit Jahren täglich ergeben hätten, die aber dem Kläger selbst anzulasten seien, weil dieser sie personell und organisatorisch zu vertreten habe; aus diesen Gründen seien im übrigen auch in der Zeit vom 15. bis zum 26. März 1983 Fehlbeträge von bis zu 585,-- DM täglich entstanden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Verfallfrist gelte nicht für Ansprüche des Arbeitgebers. Jedenfalls habe der Beklagte auf ihre Einhaltung verzichtet. Dies folge daraus, daß der Beklagte an der Feststellung der während seiner Tätigkeit verursachten Fehlbeträge vorbehaltlos mitgearbeitet habe. Außerdem verstoße die Berufung auf die Ausschlußfrist wegen des unklaren Tarifwortlauts gegen Treu und Glauben. Schließlich sei die Ausnahmebestimmung des § 13 Nr. 5 MTV anzuwenden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten verurteilt, an den Kläger 43.478,74 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 6. November 1983 zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Berufung. Die Klage ist unbegründet.

I. Es kann dahinstehen, ob dem Kläger der Anspruch auf Zahlung der noch im Streit befindlichen 43.478,74 DM zustand. Selbst wenn der Beklagte seine arbeitsvertragliche Pflicht, die Tageseinnahmen an den Kläger herauszugeben, verletzt hätte, wäre der Anspruch des Klägers entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts erloschen, weil der Kläger ihn nicht rechtzeitig geltend gemacht hat.

II. § 13 Nr. 2 MTV enthält nicht nur eine Verfallfrist für Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, sondern auch umgekehrt für Ansprüche des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer. Danach muß der Arbeitgeber Ansprüche gegen einen Angestellten diesem gegenüber innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich sowie innerhalb eines weiteren Monats nach Ablauf dieser Frist durch Erhebung der Klage geltend machen.

1. In welchem Umfang der Kläger die täglich fällig gewordenen Ansprüche auf Herausgabe der Tageseinnahmen vom 15. bis zum 26. März 1983 innerhalb der dreimonatigen Frist nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht hat (§ 13 Nr. 2 Satz 1 MTV), läßt sich aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, wann die Zahlungsaufforderung des Klägers vom 24. Juni 1983 dem Beklagten zugegangen ist. Die vom 15. bis zum 23. März 1983 fällig gewordenen Beträge sind durch das Schreiben vom 24. Juni 1983 nicht rechtzeitig geltend gemacht worden, da die dreimonatige Frist an diesem Tag bereits abgelaufen war, und der Kläger nicht behauptet hat, daß er das Schreiben schon vor seinem Datum dem Beklagten zugeleitet hatte. Ob die vom 24. bis zum 26. März 1983 fällig gewordenen Beträge rechtzeitig schriftlich geltend gemacht worden sind, läßt sich nicht beurteilen. Insoweit bedarf es jedoch keiner weiteren Tatsachenaufklärung. Der Kläger hat auf jeden Fall die an die dreimonatige Frist des § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV anschließende einmonatige Klagefrist nach § 13 Nr. 2 Satz 2 MTV versäumt. Der Kläger hat die Klage erst am 29. Mai 1984, also mehr als ein Jahr nach Fälligkeit, erhoben. Nach § 13 Nr. 4 MTV sind die Ansprüche des Klägers somit erloschen.

2. Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, § 13 MTV sei nicht anwendbar, ist nicht zu folgen.

Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Ansprüche des Klägers seien nicht verfallen, weil § 13 Nr. 2 MTV für Ansprüche des Arbeitgebers nicht gelte. Nach ihrem eindeutigen Wortlaut beziehe sich die Verfallklausel nur auf die Ansprüche der Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmer gegen ihren Arbeitgeber, nicht aber umgekehrt auf Ansprüche des Arbeitgebers gegen seine Arbeitnehmer. Unerheblich sei, daß der Wortlaut des § 13 MTV möglicherweise auf einem Redaktionsversehen beruhe und die Tarifvertragsparteien auch Arbeitgeberansprüche in die Regelung einbeziehen wollten. Ein solcher Wille sei im Wortlaut der Tarifnorm nicht deutlich zum Ausdruck gekommen. Außerdem sei in Abweichung von den vorher geltenden Tarifverträgen auch keine sonstige Klarstellung, etwa in einer Protokollnotiz, erfolgt. Ein etwa dem Tarifwortlaut entgegenstehender Wille sei somit unbeachtlich.

3. Entgegen dieser Auffassung des Berufungsgerichts ist § 13 Nr. 2 MTV dahin auszulegen, daß auch die Arbeitgeberansprüche mit Ausnahme der in § 13 Nr. 5 MTV genannten gegenüber Angestellten binnen drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats nach Ablauf dieser Frist einzuklagen sind, wenn sie nicht nach § 13 Nr. 4 MTV verfallen sollen.

a) Bei der Tarifauslegung ist über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, wie er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Verbleiben hingegen bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages zurückgegriffen werden (BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 - BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, mit weiteren Nachweisen).

b) Dem Landesarbeitsgericht ist zuzugeben, daß § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV nach seinem Wortlaut nur für Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber gilt. Nach § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV sind die in § 13 Nr. 1 MTV genannten Ansprüche sowie alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis "von Angestellten binnen drei Monaten, von gewerblichen Arbeitnehmern binnen sechs Wochen nach Fälligkeit" dem anderen Vertragspartner gegenüber schriftlich geltend zu machen. Ausdrücklich werden hier Ansprüche des Arbeitgebers gegen die Arbeitnehmer nicht geregelt. Dennoch ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, daß die Tarifvertragsparteien auch Ansprüche der Arbeitgeber in § 13 Nr. 2 MTV einbeziehen wollten.

c) Auf einen dahingehenden Willen der Tarifvertragsparteien läßt bereits der Wortlaut des § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV schließen. Nach ihm verfallen nicht nur die Ansprüche der Arbeitnehmer auf "vorgenannte Vergütungen", sondern "alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis". Dies sind, worauf die Revision zu Recht hinweist, nicht nur Arbeitnehmer-, sondern auch Arbeitgeberansprüche. Hinzu kommt, daß diese Ansprüche "dem anderen Vertragspartner" gegenüber schriftlich geltend zu machen sind. Auch dieser Teil des Wortlauts läßt erkennen, daß die Tarifvertragsparteien eine beiderseitige Verfallklausel beabsichtigten. Andernfalls hätte es nahegelegen, in § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV die Formulierung "dem Arbeitgeber gegenüber" zu wählen.

Außerdem findet der Wille der Tarifvertragsparteien, auch Arbeitgeberansprüche in die Verfallklausel des § 13 Nr. 2 MTV einzubeziehen, seinen Ausdruck in § 13 Nr. 5 MTV. Danach gelten die Ausschlußfristen u.a. nicht für Schadenersatzansprüche aus Verkehrsunfällen und mit Strafe bedrohten Handlungen. Derartige Ansprüche entstehen im Arbeitsleben gewöhnlich durch ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber. Diese Ausnahmeregelung wäre somit nicht erforderlich gewesen, wenn die Arbeitgeberansprüche nach dem Willen der Tarifvertragsparteien ohnehin nicht unter die tarifliche Ausschlußklausel fallen sollten.

d) Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt durch die Tarifgeschichte.

Der MTV vom 8. Februar 1982 erfaßt in seinem persönlichen Geltungsbereich alle Groß- und Außenhandelsunternehmen einschließlich der Hilfs- und Nebenbetriebe und die von ihnen beschäftigten Arbeitnehmer und Auszubildenden (§ 1 Nr. 2 a MTV). Die vorher geltenden Tarifverträge des Groß- und Außenhandels waren demgegenüber jeweils getrennt für Angestellte und gewerbliche Arbeitnehmer abgeschlossen.

Diese bis dahin geltenden Tarifverträge enthielten jeweils unter anderem folgende Ausschlußklauseln:

Der § 11 Nr. 2 des ab 1. Januar 1977 geltenden

MTV für Angestellte im Groß- und Außenhandel

in NRW lautet:

"Der Anspruch auf vorgenannte Vergütungen sowie

alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsver-

hältnis sind binnen 3 Monaten nach Fälligkeit

dem anderen Vertragspartner gegenüber schrift-

lich geltend zu machen. Spätestens innerhalb

eines weiteren Monats nach Ablauf dieser Frist

ist Klage zu erheben. ..."

§ 9 Nr. 2 des ab 1. Januar 1972 geltenden RTV

für Angestellte im Groß- und Außenhandel in

NRW lautet:

"Der Anspruch auf vorgenannte Vergütungen sowie

alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsver-

hältnis sind binnen 3 Monaten nach Fälligkeit

dem anderen Vertragspartner gegenüber schrift-

lich geltend zu machen. Die Klage ist spätestens

innerhalb eines weiteren Monats nach Ablauf vor-

genannter Frist zu erheben. ..."

§ 11 Nr. 2 des ab 1. Januar 1977 geltenden MTV

für gewerbliche Arbeitnehmer im Groß- und Außen-

handel in NRW lautet:

"Der Anspruch auf vorgenannte Vergütungen sowie

alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsver-

hältnis sind binnen 6 Wochen nach Fälligkeit

dem anderen Vertragspartner gegenüber schrift-

lich geltend zu machen. Spätestens innerhalb

eines weiteren Monats nach Ablauf vorgenannter

Frist ist Klage zu erheben. ..."

§ 9 Nr. 2 des ab 1. Januar 1972 geltenden RTV

für gewerbliche Arbeitnehmer im Groß- und Außen-

handel in NRW lautet:

"Der Anspruch auf vorgenannte Vergütungen

sowie alle sonstigen Ansprüche aus dem Ar-

beitsverhältnis sind binnen 6 Wochen nach

Fälligkeit dem anderen Vertragspartner gegen-

über schriftlich geltend zu machen. Die Klage

ist spätestens innerhalb eines weiteren Monats

nach Ablauf vorgenannter Frist zu erheben. ..."

Die bis zur Geltung des MTV vom 8. Februar 1982 in Kraft gewesenen Tarifverträge enthielten demnach jeweils beiderseitige Ausschlußfristen. Die Ausschlußfrist für die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen betrug bei Angestellten für beide Arbeitsvertragsparteien drei Monate, bei gewerblichen Arbeitnehmern für beide Arbeitsvertragsparteien sechs Wochen nach Fälligkeit. In jenen für die beiden Arbeitnehmergruppen jeweils getrennt abgeschlossenen Tarifverträgen war eine innerhalb der Ausschlußklausel vorzunehmende Differenzierung zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern nicht notwendig. In dem für beide Arbeitnehmergruppen abgeschlossenen MTV mußten die Tarifvertragsparteien indessen eine Differenzierung zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern vornehmen, wollten sie die unterschiedlichen Verfallfristen für diese Arbeitnehmergruppen nicht aufgeben. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des § 13 MTV sowie aus der Formulierung des § 13 Nr. 2 MTV ergibt, wollten die Tarifvertragsparteien die bisher geltende beiderseitige Verfallklausel beibehalten. Sie hatten nur übersehen, daß wegen der aus den vorstehend dargestellten Gründen erforderlich gewordenen Differenzierungen zwischen Angestellten und gewerblichen Arbeitnehmern Anlaß bestand, die Ansprüche des Arbeitgebers ausdrücklich in der Ausschlußklausel zu erwähnen, um ihre Geltung auch für diese Ansprüche klarzustellen.

Mit dieser Auslegung des § 13 Nr. 2 MTV folgt der erkennende Senat dem Urteil des Zweiten Senats vom 5. Februar 1987 - 2 AZR 46/86 - (nicht zur Veröffentlichung bestimmt).

4. Der Beklagte hat auch nicht auf die Einhaltung der Ausschlußfrist des § 13 Nr. 2 und 4 MTV verzichtet.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die vorbehaltlose Mitarbeit des Beklagten an der Feststellung der während seiner Tätigkeit entstandenen Fehlbeträge nicht als Verzichtserklärung auszulegen. Aus ihr kann nicht geschlossen werden, daß der Beklagte auf die rechtzeitige Geltendmachung eines etwa gegen ihn bestehenden Anspruchs keinen Wert legte.

5. Der Beklagte ist auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich auf die Ausschlußfrist zu berufen.

Der Kläger hat dargelegt, ihn treffe an der verspäteten Geltendmachung seiner Ansprüche kein Verschulden, denn nach dem Wortlaut des § 13 Nr. 2 MTV habe er davon ausgehen dürfen, daß die Ausschlußfristen ausschließlich für die Arbeitnehmer gelten würden. Zwar verfällt ein Anspruch dann nicht, wenn der Gläubiger ohne Verschulden nicht in der Lage war, die tarifliche Ausschlußfrist zu wahren (BAG Urteil vom 16. August 1983 - 3 AZR 206/82 - AP Nr. 131 zu § 1 TVG Auslegung, zu 4 der Gründe; Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl., § 4 Rz 399). Davon kann vorliegend jedoch keine Rede sein. Der Kläger war dadurch, daß er die Ausschlußklausel fehlerhaft auslegte, weder tatsächlich noch rechtlich an der Einhaltung der Frist gehindert. Es wäre seine Sache gewesen, sich rechtzeitig über seine Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu informieren. Der Kläger hat nicht vorgetragen, daß er dazu nicht in der Lage gewesen oder daß er unverschuldet falsch informiert worden sei.

6. Schließlich hat der Kläger auch nicht die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 13 Nr. 5 MTV dargelegt. Nach ihr gelten die Ausschlußfristen nicht für Schadenersatzansprüche aus mit Strafe bedrohten Handlungen. In einem solchen Fall muß der Gläubiger substantiiert vortragen, aufgrund welchen strafbaren Verhaltens der Schuldner den Schaden herbeigeführt hat (BAG Urteil vom 18. Juni 1980 - 4 AZR 463/78 - AP Nr. 68 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Das Vorbringen des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht. Der Kläger hat nicht einmal behauptet, sondern nur die Vermutung geäußert, der Beklagte habe unzulässige Privatentnahmen getätigt. Diese Vermutung hat er allein damit begründet, daß der Beklagte die Kassengelder nicht an ihn abgeführt hat. Da der Beklagte sich auf Organisationsmängel im Betrieb des Klägers berufen hat, hat der Kläger durch diesen Vortrag die tatsächlichen Voraussetzungen für eine mit Strafe bedrohte Handlung des Beklagten nicht hinreichend dargetan.

III. Der Kläger kann von dem Beklagten auch nicht nach § 985 BGB die Herausgabe der Tageseinnahmen aus der Zeit vom 15. bis zum 26. März 1983 verlangen. Der Kläger hat die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage, die von der tariflichen Ausschlußklausel möglicherweise nicht erfaßt ist (vgl. dazu Wiedemann/Stumpf, aa0, § 4 Rz 426), nicht behauptet.

Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer

Dr. Liebers Terbrack

 

Fundstellen

Dokument-Index HI441608

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