Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsstrafe für Vertragsbruch

 

Orientierungssatz

Unter "vertragswidriger Beendigung" ist ein Verhalten zu verstehen, das auf eine vorzeitige und rechtswidrige Beendigung der Rechtsbeziehung abzielt.

 

Normenkette

BGB § 339

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.07.1992; Aktenzeichen 4 b Sa 15/92)

ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 28.02.1992; Aktenzeichen 1 Ca 639/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Vertragsstrafe wegen vertragswidriger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen.

Die Beklagte war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 18. Oktober 1991 ab 1. November 1991 als Filialleiter-Anwärterin bei der Klägerin zunächst in der Verkaufsstelle S , beschäftigt. Ihr monatliches Bruttogehalt sollte 4.150,-- DM betragen. Die Einstellung erfolgte zunächst befristet für eine Probezeit von sechs Monaten. Während dieser Probezeit konnte das Arbeitsverhältnis von beiden Vertragspartnern vorzeitig mit Monatsfrist zum Ende eines Kalendermonats gelöst werden. Weiter haben die Parteien vereinbart:

"Im Falle schuldhaften Nichtantritts der Arbeit

oder vertragswidriger Beendigung des Arbeitsver-

hältnisses verpflichtet sich der Arbeitnehmer zur

Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Brut-

tomonatseinkommens."

Am 12. November 1991 teilte die Beklagte ihrem Vorgesetzten mit, daß sie am nächsten Tag nicht zur Arbeit erscheinen könne, weil sie einen Gesprächstermin mit dem Personalleiter der Klägerin habe. Ein solcher Termin war aber nicht vereinbart. Am 13. November 1991 rief die Beklagte in der Personalabteilung der Klägerin an, um den Personalleiter zu sprechen. Dieser befand sich jedoch auf einer Dienstreise und war nicht zu erreichen. Die Beklagte erklärte gegenüber einer Mitarbeiterin der Personalabteilung, sie wolle aufhören, bei der Klägerin zu arbeiten. Sie habe einen neuen Arbeitgeber. Am 18. November 1991 rief die Beklagte den Personalleiter der Klägerin an und erklärte ihm, sie komme nicht mehr. Auf die Vertragsstrafe angesprochen, antwortete sie dem Personalleiter, nach ihrer Auffassung sei diese Regelung nicht wirksam, sie lasse dies überprüfen.

Ab dem 13. November 1991 hat die Beklagte nicht mehr gearbeitet. Mit Schreiben vom 18. November 1991 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis wegen unentschuldigten Fehlens der Beklagten fristlos und forderte die Beklagte zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 4.150,-- DM auf. Schon anläßlich des Telefongesprächs am 18. November 1991 hatte der Personalleiter der Klägerin der Beklagten die fristlose Kündigung ausgesprochen. Da eine schriftliche Kündigung vom gleichen Tage als unzustellbar zurückkam, veranlaßte die Klägerin am 3. Dezember 1991 eine weitere Zusendung. Unstreitig wurde der Betriebsrat der Klägerin zu der fristlosen Kündigung vom 18. November 1991 nicht gehört. Mit Schreiben vom 8. Januar 1992 an die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten erklärte die Klägerin vorsorglich nochmals die fristlose Kündigung.

Die der Höhe nach unstreitige Vergütung für die Zeit vom 1. bis zum 12. November 1991 von 971,52 DM netto hat die Klägerin einbehalten und auf die von ihr in Anspruch genommene Vertragsstrafe angerechnet.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis selbst vertragswidrig beendet und damit die Vertragsstrafe verwirkt. Daran ändere nichts, daß sie, die Klägerin, danach versucht habe, mit einer fristlosen Kündigung das Arbeitsverhältnis auch rechtlich zu beenden. Entscheidend sei allein, daß von der Beklagten zuvor schon eine tatsächliche Vertragsauflösung bewirkt worden sei.

Demgemäß hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.183,48 DM

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat Widerklage erhoben und vorgetragen: Sie habe keine Vertragsstrafe verwirkt. Zwar habe sie die ihr obliegenden Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, aber keine auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielende Erklärung abgegeben. Auch ein schlüssiges Verhalten ihrerseits liege insoweit nicht vor. Da der Fall der durch ein vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers ausgelösten fristlosen Kündigung des Arbeitgebers in der Vertragsstrafenregelung nicht enthalten sei, lägen die Voraussetzungen für eine Verwirkung der Vertragsstrafe nicht vor.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

die Klägerin zu verurteilen, an sie Arbeitsvergü-

tung in Höhe von 971,52 DM netto nebst 4 v. H.

Zinsen hieraus seit dem 1. Dezember 1991 zu zah-

len.

Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 971,52 DM netto nebst 4 v. H. Zinsen hieraus seit dem 1. Dezember 1991 zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.178,48 DM als Vertragsstrafe zu zahlen. Im übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision wehrt sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Zahlung einer Vertragsstrafe und verfolgt ihren Klageabweisungsantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Beklagte hat die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt. Das Landesarbeitsgericht hat richtig entschieden.

I. Die Parteien haben eine Vertragsstrafe wirksam vereinbart.

1. Nach § 339 BGB können die Parteien eine Vertragsstrafe für den Fall vereinbaren, daß der Schuldner eine Verbindlichkeit nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt. Die Vertragsstrafe ist ein vom Gesetzgeber geschaffenes besonderes Rechtsinstitut für Schuldverhältnisse; sie kann folglich auch für Arbeitsverhältnisse als privatrechtliche Schuldverhältnisse vereinbart werden. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehen gegen einzelvertragliche Strafabreden zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages keine rechtlichen Bedenken, wenn der Arbeitgeber mit ihnen die Einhaltung einer bestimmten vertraglichen Vereinbarung durch den Arbeitnehmer absichern will (vgl. BAGE 46, 50, 53 f. = AP Nr. 9 zu § 339 BGB; Senatsurteil vom 5. Februar 1986 - 5 AZR 564/84 - AP Nr. 12 zu § 339 BGB, zu B I 3 und B II 1 der Gründe; jeweils mit weiteren Nachweisen). Der Gesetzgeber hat die Vertragsstrafe mit einer doppelten Funktion ausgestattet. Sie soll auf der einen Seite als privatrechtliches Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten, auf der anderen Seite soll sie dem Gläubiger im Verletzungsfall die Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung ohne Einzelnachweis eröffnen (BGHZ 85, 305, 312 f.; BAGE 46, 50, 54, 56 = AP Nr. 9 zu § 339 BGB).

2. Vertragsstrafen können vereinbart werden, um den rechtzeitigen Antritt eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer abzusichern. Vertragsstrafenabreden können aber auch solche Handlungen des Arbeitnehmers zum Gegenstand haben, die auf eine vorzeitige und rechtswidrige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtet sind (vgl. nur Senatsurteil vom 18. September 1991 - 5 AZR 650/90 - AP Nr. 14 zu § 339 BGB, zu II 2 a der Gründe). Eine solche Vertragsstrafenklausel liegt - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - im Streitfall vor. Das Landesarbeitsgericht hat die "vertragswidrige Beendigung des Arbeitsverhältnisses" verstanden als tatsächliche, ohne Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist und ohne wichtigen Grund erfolgte Einstellung der Arbeitsleistung mit dem zum Ausdruck gebrachten Willen, das Arbeitsverhältnis nicht fortzusetzen. Diese Auslegung des Wortlauts der Vertragsstrafenabrede der Parteien ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Daß die Parteien bei Vertragsabschluß etwas anderes gewollt hätten, ist vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt und von den Parteien auch nicht vorgetragen worden.

II. Die Beklagte hat die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt. 1. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe mit ihrer Äußerung gegenüber dem Personalleiter der Klägerin, sie komme nicht mehr, in Verbindung mit ihrer zuvor schon am 13. November 1991 gegenüber einer Mitarbeiterin der Personalabteilung gegebenen Erklärung, sie habe einen neuen Arbeitgeber, und schließlich auch durch ihr Beharren auf ihrem Ausscheiden trotz Hinweises des Personalleiters auf die damit verwirkte Vertragsstrafe, klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß sie an dem zum 1. November 1991 begründeten Arbeitsverhältnis nicht mehr festhalten, sondern sich einseitig und gegen den Willen der Klägerin davon lossagen wolle. An diese Feststellungen ist der Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO gebunden, da eine Verfahrensrüge hiergegen nicht erhoben worden ist.

Die wertende Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts, die Erklärung der Beklagten, sie komme nicht mehr, sei in Verbindung mit den übrigen Umständen als fristlose Kündigung anzusehen, die wegen des Fehlens eines wichtigen Grundes rechtswidrig war und damit die Voraussetzungen der "vertragswidrigen Beendigung" im Sinne der vereinbarten Vertragsstrafenregelung erfüllte, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Wer seinem Arbeitgeber sagt, er wolle nicht mehr zur Arbeit kommen, gibt damit nach allgemeinem Sprachgebrauch zu erkennen, daß er sich vom Arbeitsverhältnis lösen will. Wenn der Arbeitsvertrag hierfür aber - wie allgemein üblich - eine bestimmte Kündigungsfrist vorsieht, bedeutet die Erklärung eine wegen des Fehlens eines wichtigen Grundes (§ 626 BGB) nicht gerechtfertigte fristlose Kündigung. Eine solche Auslegung ist zumindest denkgesetzlich und nach der Lebenserfahrung möglich. Daß es eine "vertragswidrige Beendigung" im strengen Rechtssinne nicht gibt, steht dem nicht entgegen. Unter "vertragswidriger Beendigung" ist mit dem Landesarbeitsgericht ein Verhalten zu verstehen, das auf eine vorzeitige und rechtswidrige Beendigung der Rechtsbeziehungen abzielt. Eben dieser Tatbestand ist von der Vertragsstrafenregelung der Parteien erfaßt.

2. Dem Landesarbeitsgericht ist weiter darin zu folgen, daß die fristlose Kündigung seitens der Klägerin als Reaktion des Arbeitgebers auf ein vertragsbrüchiges Verhalten der Beklagten als Arbeitnehmerin zu werten ist. Diese Reaktion, die ihrerseits auf eine rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielt, ist streng zu trennen von dem vorhergehenden Verhalten der Beklagten, das als Vertragsbruch anzusehen ist. Durch die Kündigung seitens der Klägerin wird der Tatbestand des Vertragsbruchs nicht aufgehoben, sondern es wird durch sie nur darauf in rechtlich zulässiger Weise reagiert.

3. Der Streitfall unterscheidet sich von dem Sachverhalt, den der Senat am 18. September 1991 (- 5 AZR 650/90 - AP Nr. 14 zu § 339 BGB) zu beurteilen hatte. Damals ging es um den Begriff des Vertragsbruchs und um die Frage, ob Unterschlagungen größeren Umfanges als von der Vertragsstrafenklausel umfaßter Tatbestand des Vertragsbruchs zu verstehen seien. Der vorliegende Streitfall weist jedoch eine andere Gestaltung auf, bei der die Vertragsstrafe dem Arbeitgeber eine gewisse Sicherheit geben soll dafür, daß der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nicht vorzeitig und rechtswidrig auflöst. Hier ist eine Vertragsstrafe nicht für irgendeinen Fall des Vertragsbruchs vereinbart, sondern nur für ein bestimmtes vertragsbrüchiges Verhalten, das auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzielt. Die beiden Fälle sind mithin streng voneinander zu unterscheiden.

Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Reinecke ist durch

Urlaub an der Unter-

schrift verhindert

Dr. Thomas

Dr. Frey Köhne

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440191

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