Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung - soziale Auswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Senat hält daran fest, daß der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB widersprechen kann (im Anschluß an den Vorlagebeschluß des Senates vom 21. Mai 1992 - 2 AZR 449/91 = EzA § 613a BGB Nr 103, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt und das Urteil des EuGH vom 16. Dezember 1992 - Rs C 132/91, 138/91 und 139/91 = DB 1993, 230).

2. Widerspricht der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebs(teil)übernehmer (§ 613a BGB), dann kann er sich auf eine fehlerhafte Sozialauswahl nach § 1 Abs 3 KSchG nur berufen, wenn für den Widerspruch ein sachlicher Grund vorliegt.

 

Normenkette

BGB § 613a; KSchG § 1 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 03.07.1991; Aktenzeichen 8 Sa 32/91)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 08.02.1991; Aktenzeichen 3 Ca 351/90)

 

Tatbestand

Der Kläger war seit November 1971 als Hafenarbeiter im Betriebsteil Stauerei der Beklagten beschäftigt, den diese mit Wirkung zum 1. Oktober 1990 an das Unternehmen C T verkaufte. In der in diesem Zusammenhang getroffenen Betriebsvereinbarung vom 27. September 1990 zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat der Firmengruppe, der sie angehört, heißt es unter 1.:

"Die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die

dem Betriebsteil Stauerei der Firma P zuzuord-

nen sind (...) gehen nach § 613 a BGB auf die

Firma C T über, sofern

diese Arbeitnehmer dem Übergang ihrer Arbeitsver-

hältnisse nicht widersprechen."

Zuvor hatte die Beklagte mit Schreiben vom 30. August 1990 den Kläger über den beabsichtigten Verkauf und dessen Folgen informiert. In dem Schreiben heißt es u.a.:

"Sie haben die Möglichkeit, dem Übergang Ihres

Arbeitsverhältnisses auf die Firma C T

zu widersprechen. Der Widerspruch

muß schriftlich erfolgen und binnen drei Wochen

bei der Personalabteilung - Frau F

(...) - eingegangen sein. Die Frist endet am

Donnerstag, dem 20. September 1990. (...).

Da für die Arbeitsplätze im Bereich Stauerei

künftig bei P keine Beschäftigung mehr vorhan-

den sein wird, behält sich Ihr heutiger Arbeitge-

ber P vor, für den Fall Ihres Widerspruchs das

Arbeitsverhältnis mit Ihnen zu kündigen."

Mit Schreiben vom 4. September 1990 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Firma C T . Daraufhin leitete die Beklagte das Anhörungsverfahren zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung ein und teilte dies dem Kläger in einem Schreiben vom 27. September 1990 vorab mit. Nach Widerspruch des Betriebsrates kündigte die Beklagte dem Kläger sodann mit Schreiben vom 8. Oktober 1990 ein "eventuell noch bestehendes Arbeitsverhältnis vorsorglich fristgerecht" zum 30. Juni 1991 und vertrat in diesem Schreiben nunmehr die Auffassung, die bislang von der deutschen Rechtsprechung eingeräumte Möglichkeit, dem Übergang eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des § 613 a BGB zu widersprechen, sei aufgrund höherrangigen EG-Rechts außer Kraft getreten, so daß ein Arbeitsverhältnis mit ihr, das sie kündigen könne, nicht mehr bestehe.

Mit seiner Kündigungsschutzklage hat der Kläger die Sozialwidrigkeit dieser Kündigung geltend gemacht und die Auffassung vertreten, das bisher vom Bundesarbeitsgericht bejahte Widerspruchsrecht bestehe trotz der Rechtsprechung des EuGH fort. Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stelle sich als günstigere Regelung im Sinne von Art. 7 der EG-Richtlinie 77/187 dar. Unabhängig davon habe die Beklagte ihm jedoch in der Betriebsvereinbarung ein Widerspruchsrecht zugestanden und ihn zudem im Schreiben vom 30. August 1990 ausdrücklich darüber belehrt. Die Kündigung selber sei unwirksam, weil die soziale Auswahl im Verhältnis zu den Arbeitnehmern Sch , E , L und C fehlerhaft getroffen worden sei. Auch sei noch genügend Arbeit bei der Beklagten vorhanden, entweder im Stauereibereich oder im verbliebenen Kaibetrieb.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der

Parteien durch die ordentliche Kündigung der

Beklagten vom 8. Oktober 1990, zugegangen am

10. Oktober 1990, nicht aufgelöst ist, sondern

fortbesteht,

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn, den Kläger,

zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Schau-

ermann und Decksmann weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, mit dem Verkauf der Stauerei sei der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen; eine andere Beschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht. Der Rechtsauffassung des Klägers über das Bestehen eines Widerspruchsrechtes ist die Beklagte entgegengetreten und hat umfassend zur Frage der sozialen Rechtfertigung der Kündigung und zur Sozialauswahl vorgetragen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage unter Hinweis auf ein fehlendes Widerspruchsrecht des Klägers abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Kläger nur noch gegen die Abweisung des Klageantrages zu 1., während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

Der Senat hat in dieser Sache mit Beschluß vom 21. Mai 1992 (- 2 AZR 441/92 - EzA § 613 a BGB Nr. 103, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung zu mehreren Fragen betr. ein Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen eine erfolgte Betriebsübernahme ersucht. Im Hinblick auf eine inzwischen erfolgte Entscheidung des EuGH vom 16. Dezember 1992 zu ähnlichen Fragen der Arbeitsgerichte Bamberg und Hamburg hat der Kanzler des EuGH angefragt, ob sich hierdurch auch das Ersuchen des Senats erledigt habe. Das hat der Senat durch gesonderten Beschluß vom heutigen Tage bestätigt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits, § 565 ZPO.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Betriebsrat ordnungsgemäß angehört und die soziale Auswahl zutreffend vorgenommen habe. Durch den Verkauf der Stauerei an die Carl Tiedemann GmbH & Co. sei nämlich das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 1. Oktober 1990 gemäß § 613 a BGB auf den Käufer übergegangen. Ein Widerspruchsrecht gegen diese Betriebsteil-Übernahme stehe dem Kläger im Hinblick auf die Auslegung der EG-Richtlinie 77/187 vom 14. Februar 1977 durch den EuGH aufgrund seiner Vorabentscheidung vom 5. Mai 1988 (EuGH Slg. 1988, S. 2559) nicht zu, wonach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187 dahin auszulegen sei, daß der Veräußerer nach dem Zeitpunkt des Übergangs von seinen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag allein auf Grund des Überganges befreit sei, selbst wenn die in dem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer dem nicht zustimmen oder Einwände dagegen erheben würden. Diese Auslegung durch den EuGH sei für die nationalen Gerichte verbindlich. Mithin sei die Beklagte nicht mehr Arbeitgeber des Klägers und seine Klage schon deshalb abzuweisen.

II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann weder im Ergebnis noch in der Begründung gefolgt werden.

1. Der Vorlagebeschluß des Senats vom 21. Mai 1992 ist erledigt. Wenn auch der EuGH durch sein Urteil vom 16. Dezember 1992 - Rs C 132/91, C 138/91 und C 139/91 - (DB 1993, 230) nicht die Vorlagefragen des Senats, sondern die des Arbeitsgerichts Bamberg und des Arbeitsgerichts Hamburg - übrigens in einem Parallelverfahren Schroll ./. PCO - beschieden hat, so betreffen die Antworten doch dieselben Rechtsfragen. Dem entspricht es, daß der Kanzler des EuGH mit Schreiben vom 16. Dezember 1992 angefragt hat, ob im Hinblick auf die Entscheidung vom gleichen Tage das Vorabentscheidungsersuchen aufrecht erhalten werde. Das Vorabentscheidungsersuchen war demgemäß als erledigt einzustellen (vgl. auch Grabitz, Kommentar zum EWG-Vertrag, Art. 177 Rz 66; Birk, EuZW 1993, 156, 157. Joost ZIP 1993, 178, 181; Oetker DZWir 1993, 136).

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch der oben wiedergegebene Klageantrag zu 1., wie sich aus dem Revisionsantrag ergibt. Der Kläger hat vorliegend eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 Satz 1 KSchG mit einer allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO verbunden, gerichtet auf die Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz. Beide Klagen sind zulässig.

a) Ihnen fehlt nicht etwa das Rechtsschutzinteresse, weil ein Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs infolge des vorangegangenen Betriebsüberganges möglicherweise gar nicht mehr bestanden hat. Das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Kündigungszuganges ist gerade auch Streitgegenstand der miteinander verbundenen Klagen (vgl. Senatsurteil vom 12. Juni 1986 - 2 AZR 426/85 - AP Nr. 17 zu § 4 KSchG 1969) und damit zugleich Begründetheitsfrage. In einem derartigen Fall reicht im Rahmen der Zulässigkeit der Klage die schlüssige Behauptung, das Arbeitsverhältnis bestehe fort, aus.

b) Insbesondere fehlt auch der gegenüber der Kündigungsschutzklage weitergehenden allgemeinen Feststellungsklage nicht das rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. Januar 1988, BAGE 57, 231, 240 f. = AP Nr. 19 zu § 4 KSchG 1969, zu B II 2 c der Gründe). Der Kläger hat nämlich vorgetragen, ihm sei bereits im Kündigungsschreiben mitgeteilt worden, daß auch noch ein Anhörungsverfahren zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund eingeleitet worden sei. Insofern bestand für ihn die hinreichend konkrete Gefahr, die Beklagte werde sich im Verlaufe des Prozesses auf weitere Beendigungstatbestände berufen.

3. Nachdem der EuGH mit Urteil vom 16. Dezember 1992 (aaO) entschieden hat, Art. 3 der Richtlinie 77/187 EwG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen verwehre es einem Arbeitnehmer nicht, dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber zu widersprechen, kann die Klage nicht mehr mit der Begründung abgewiesen werden, das Arbeitsverhältnis sei ipso jure auf den Erwerber, die C , übergegangen.

a) Zwischen den Parteien unstreitig ist die Rechtstatsache des Übergangs des Betriebsteils Stauerei durch Rechtsgeschäft. Diese Annahme ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

b) Da der Kläger am 4. September 1990 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses widersprochen hat, kommt es maßgeblich auf das Bestehen eines den Übergang seines Arbeitsverhältnisses hindernden Widerspruchsrechtes an.

aa) Dabei braucht nicht mehr erörtert zu werden, ob dem Kläger ein solches Widerspruchsrecht etwa einzelvertraglich oder durch die Betriebsvereinbarung vom 27. September 1990 eingeräumt worden ist, was das Landesarbeitsgericht verneint hat.

bb) Dem Kläger steht nämlich ein Widerspruchsrecht aus § 613 a BGB zu, wenn dies auch in dieser Vorschrift nicht ausdrücklich normiert ist.

Das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAGE 26, 301 = AP Nr. 1 zu § 613 a BGB; Urteil vom 21. Juli 1977 - 3 AZR 703/75 - AP Nr. 8 zu § 613 a BGB; Urteil vom 17. November 1977 - 5 AZR 618/76 - AP Nr. 10 zu § 613 a BGB; Urteil vom 6. Februar 1980 - 5 AZR 275/78 - AP Nr. 21 zu § 613 a BGB; BAGE 45, 140 = AP Nr. 37 zu § 613 a BGB; BAGE 53, 251 = AP Nr. 55 zu § 613 a BGB; BAGE 61, 369 = AP Nr. 81 zu § 613 a BGB) hat dem Arbeitnehmer in ständiger Rechtsprechung ein Widerspruchsrecht gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB eingeräumt. Die wesentlichen Gründe dafür waren stichwortartig zusammengefaßt: Kein aufgezwungener Schuldnerwechsel (analog § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB); kein "Verkauf" des Arbeitnehmers gegen seinen Willen (Art. 1, 2 GG); höchstpersönlicher Charakter der Dienstleistung; Grundrecht auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG); Möglichkeit des Verzichts auf den arbeitsrechtlichen Bestandsschutz; Entstehungsgeschichte des § 613 a BGB. Insoweit wird auf die ausführliche Begründung in den o.g. Entscheidungen verwiesen.

Ein Teil der Literatur (vgl. etwa Palandt/Putzo, BGB, 52. Aufl., § 613 a Rz 15; MünchKomm-Schaub, BGB, 2. Aufl., § 613 a Rz 41; Staudinger/Richardi, BGB, 12. Aufl., § 613 a Rz 121; KR-Wolf, 3. Aufl., § 613 a BGB Rz 61; aus neuerer Zeit Hommelhoff, AcP 1992, 71, 90) ist dieser Rechtsprechung gefolgt. Teilweise (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Moll, AnwBl 1991, 296, Rz 119) hat diese Rechtsprechung Kritik erfahren. Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit dieser Kritik auseinandergesetzt, jedoch die bisherige Rechtsprechung fortgeführt (vgl. Urteil vom 6. Februar 1980 - 5 AZR 275/78 - AP Nr. 21 zu § 613 a BGB, zu III der Gründe und BAGE 45, 140, 142 f. = AP Nr. 37 zu § 613 a BGB, zu II 2 der Gründe; zur dogmatischen Begründung des Widerspruchsrechtes vgl. aus neuerer Zeit ferner Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 14. Februar 1991 - 25 b Ca 352/90 - EzA § 613 a BGB Nr. 92, zu 1 der Gründe, das der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt ist). Es ist hinzuzufügen, daß dem Arbeitnehmer, was besonders beim Betriebsteilübergang deutlich wird, ein erhebliches Stück an Bestandsschutz genommen würde, wenn nicht mehr das ultima-ratio-Prinzip und die Grundsätze über die Sozialauswahl gelten (vgl. nachfolgend zu II 4 und 5).

Der Senat hält deshalb aus den im Beschluß vom 21. Mai 1992 (aaO) genannten Gründen am Widerspruchsrecht des Arbeitnehmers gegen einen Betriebsübergang fest, nachdem diese Rechtsprechung durch den europäischen Gerichtshof praktisch bestätigt worden ist (vgl. dazu auch Birk, EuZW 1993, 156, 157; Blomeyer, EWiR Art. 3 Rl 77/187/EWG 1/93; Joost, ZIP 1993, 178, 179).

4. Es ist deshalb nunmehr über die Betriebsbedingtheit der Kündigung vom 8. Oktober 1990 zu entscheiden, wozu sich das Landesarbeitsgericht - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nicht geäußert hat.

a) Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei schon deshalb nicht betriebsbedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG), weil trotz des Verkaufs der Stauerei noch anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten bestünden; deren Kündigung stelle sich deshalb nicht als ultima ratio dar.

Allerdings kann sich der Kläger im Streitfall auf eine solche Beschäftigungsmöglichkeit nicht mit Erfolg berufen:

Es ist unstreitig, daß der bisherige Beschäftigungsbereich des Klägers, nämlich der Betriebsteil Stauerei an die C . veräußert worden ist (§ 613 a BGB). Damit ist eine Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers bei der Beklagten entfallen, wobei die wirtschaftliche Notwendigkeit dieser Ausgliederung des Betriebsteils Stauerei vom Kläger nicht in Zweifel gezogen wird. Sie ist auch von der Beklagten mit nachvollziehbaren Überlegungen (vgl. dazu BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) dargelegt worden. Damit ist ein Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Sinne der Senatsrechtsprechung entfallen (BAG Urteil vom 30. Mai 1985 - 2 AZR 321/84 - AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).

b) Es wäre nunmehr Sache des Klägers gewesen, darzulegen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung bei der Beklagten auf einem freien Arbeitsplatz vorstelle (Senatsurteil vom 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - BAGE 65, 61, 70 f. = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 4 der Gründe). Dazu hat der Kläger sich auf zwei Umstände berufen:

aa) Er habe ca. ein Drittel seiner Zeit an den Kaianlagen der E KG gearbeitet, wo er auch weiterhin einsetzbar sei. Dazu gilt folgendes: Die beklagte P -GmbH arbeitet zusammen in einem Konzern mit mehreren Kaibetrieben, nämlich u.a. der E KG und der H S KGaA; es handelt sich also um selbständige juristische Personen. Die Beklagte räumt ein, den Kläger in der Vergangenheit innerhalb des Gesamtkonzerns in Spitzenzeiten ausnahmsweise auch bei der E KG eingesetzt zu haben, sie bestreitet aber ausdrücklich, der Kläger habe ein Drittel seiner Arbeitszeit am Kontainerterminal von E KG verbracht. Da der Kläger im vorliegenden Prozeß nicht etwa vorgetragen hat, die beteiligten Firmen bildeten einen einheitlichen Betrieb im Sinne der §§ 1, 23 KSchG (vgl. dazu Senatsurteile vom 5. März 1987 - 2 AZR 623/85 - BAGE 55, 117, 127 = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969, zu B II 2 a der Gründe, m.w.N. und vom 13. Juni 1985 - 2 AZR 452/84 - AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969), wofür als Indiz u.a. die Existenz eines gemeinsamen Betriebsrates sprechen könnte, insbesondere liege etwa eine vertragliche Absprache oder eine Selbstbindung der Beklagten, z.B. aufgrund vorausgegangenen Verhaltens vor, seine Unterbringung bei der E KG zu versuchen (Senatsurteil vom 14. Oktober 1982 - 2 AZR 568/80 - BAGE 41, 72 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Konzern), kann die Beklagte auf die angebliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei der Eurokai KG nicht mit Erfolg verwiesen werden.

bb) Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Beklagte beschäftige regelmäßig 60 - 80 Arbeitnehmer aus einer Einsatzreserve der Gesamthafenbetriebsgesellschaft (GHB), auf die nunmehr zugunsten festangestellter Kräfte verzichtet werden könne. Damit hat der Kläger nicht auf eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit an einem freien Arbeitsplatz hingewiesen. Außerdem hat die Beklagte - übrigens schon im Anhörungsschreiben gegenüber dem Betriebsrat - vorgetragen, die Beschäftigung von GHB-Mitarbeitern erfolge immer nur aushilfsweise und in Auslastungsspitzen. Es sei aber nicht möglich, die Personalstärke an Spitzenauslastungen zu orientieren, weil ansonsten in beschäftigungsschwächeren Zeiten permanenter Beschäftigungsmangel auftreten würde, die Mitarbeiter aber gleichwohl Garantielohnzahlungen erhielten. Dem ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten, so daß jedenfalls von einem mangelnden Bestreiten dieser Sachdarstellung der Beklagten auszugehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO).

Anderweitige freie Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Beklagten hat der Kläger mithin nicht konkret genannt.

5. Die Entscheidung hängt also davon ab, ob der Kläger sich mit Erfolg auf eine mangelnde Sozialauswahl berufen kann.

a) Der Kläger hat gegenüber der betriebsbedingten Kündigung der Beklagten u.a. geltend gemacht, Gesichtspunkte der sozialen Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) seien nicht ausreichend berücksichtigt worden und hat die Namen und Sozialdaten von vier, seiner Ansicht nach weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmern genannt.

Daraufhin hatte die Beklagte zunächst vorgetragen, sämtliche Arbeitsplätze in der Stauerei seien weggefallen; mit den im verbliebenen Kaibetrieb beschäftigten Arbeitnehmern, unter ihnen die vom Kläger benannten, seien die Mitarbeiter der Stauerei nicht zu vergleichen. Sie sei nicht gehalten, geringerwertige Arbeitsplätze für den Kläger freizukündigen. Zweitinstanzlich hatte sie dann weiter behauptet, in ihrem früheren Teilbetrieb "Kaibereich" betreibe sie keine eigenen Geschäfte mehr. Die bei ihr nach wie vor beschäftigten Mitarbeiter dieses Teilbereiches kämen im Rahmen einer Ausleihe tatsächlich fast ausschließlich bei der Firma HHLA zum Einsatz. Dort sei ein Einsatz des Klägers (zu unveränderten Arbeitsbedingungen) nicht möglich. Im Rahmen der Sozialauswahl habe sie auf den überwiegenden zeitlichen Arbeitsaufwand und den überwiegenden Arbeitsort abgestellt und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, die Mitarbeiter der übergegangenen Stauerei und die Mitarbeiter des verbliebenen Kaibetriebes führten qualitativ grundlegend verschiedenartige Arbeiten aus.

Damit hat die Beklagte weder konkret und nachvollziehbar dargelegt, daß und warum der Kläger mit den von ihm genannten Kaimitarbeitern nicht vergleichbar ist, noch, daß trotz bestehender Vergleichbarkeit seine Weiterbeschäftigung einer Änderungskündigung zum Zwecke der Herabgruppierung bedürfe. Die soziale Auswahl erstreckt sich innerhalb des Betriebes nur auf Arbeitnehmer, die miteinander verglichen werden können. Vergleichbar sind solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind (vgl. BAGE 65, 61, 75 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III 1 der Gründe). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. Urteil vom 16. September 1982 - 2 AZR 271/80 - AP Nr. 4 zu § 22 KO, zu B I 2 b der Gründe) richtet sich die Vergleichbarkeit der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer in erster Linie nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen und somit nach der bislang ausgeübten Tätigkeit. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz weggefallen ist, die Funktion eines anderen Arbeitnehmers wahrnehmen kann. Das ist nicht nur bei Identität des Arbeitsplatzes, sondern auch dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seiner Fähigkeit und Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit ausführen kann. Der Vergleich vollzieht sich insoweit auf derselben Ebene der Betriebshierarchie (sog. horizontale Vergleichbarkeit). Wie der Senat im Urteil vom 7. Februar 1985 (- 2 AZR 91/84 - AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl, zu IV 1 der Gründe) betont hat, scheidet eine Vergleichbarkeit nach diesen Kriterien nicht nur dann aus, wenn eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu schlechteren Arbeitsbedingungen möglich ist. Dies gilt vielmehr in allen Fällen, in denen eine anderweitige Beschäftigung nur auf Grund einer Änderung der bisherigen Arbeitsbedingungen und damit nur durch Änderungsvertrag oder Änderungskündigung in Betracht kommt (BAGE 65, 61 = AP, aaO).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte bisher nicht hinreichend substantiiert, inwiefern sich Kai- und Stauereiarbeit hinsichtlich des "überwiegenden Arbeitsortes und Arbeitsaufwandes" unterscheiden, mit der Folge, daß ihre Wertung (qualitativ unterschiedliche Tätigkeiten, Geringwertigkeit der Kaiarbeit) bisher nicht nachvollziehbar ist, zumal der Kläger als Stauereiarbeiter - wie wohl auch für Kaiarbeiter üblich - unter dem Oberbegriff "Hafenarbeiter" eingestellt war (siehe Anhörungsschreiben an den Betriebsrat), unstreitig auch schon an den Kaianlagen gearbeitet hat und - soweit bisher ersichtlich - auch lohntariflich offenbar mit einem Kaiarbeiter gleichbehandelt wurde.

Daß eine künftige Weiterbeschäftigung des Klägers als Kaiarbeiter einer Änderungskündigung bedarf, hat die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert dargelegt. Die erst zweitinstanzlich vorgetragene Behauptung, sie habe ihre im Kaibereich verbliebenen Arbeitnehmer an die HHLA ausgeliehen (warum nicht auch den Kläger?), beruht offensichtlich auf einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Laufe dieses Prozesses und bedarf einer Erläuterung.

Soweit der Kläger die soziale Auswahl rügt (§ 1 Abs. 2 KSchG) und sich auf die Arbeitnehmer S , E , L und C beruft, hat die Beklagte - insofern vom Kläger unwidersprochen - darauf hingewiesen, mit dem Arbeitnehmer Schmiedecke könne sich der Kläger schon deshalb nicht vergleichen, weil dieser Großgerätefahrer (Van Carrier) sei. Im übrigen komme er als solcher nur im Kaibereich zum Einsatz, ebenso wie die Arbeitnehmer E , L und C reine Kaimitarbeiter seien. Die Vergleichbarkeit dieser Arbeitnehmer mit dem Kläger ist daher aufklärungsbedürftig.

b) Wäre von einer Vergleichbarkeit dieser Arbeitnehmer auszugehen, so stellt sich das Problem, ob der Kläger, dem ohne Widerspruch gegen die Betriebsübernahme ein Arbeitsplatz bei dem Übernehmer erhalten geblieben wäre, sich auf eine mangelnde Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) mit Erfolg berufen könnte. Diese in der bisherigen Rechtsprechung noch nicht entschiedene Frage wird in der einschlägigen arbeitsrechtlichen Literatur kontrovers behandelt (vgl. z.B. Bauer, DB 1983, 714 f.; Helpertz, DB 1990, 1562 f.; Hutzler, BB 1981, 1470, 1471; Kreitner, Kündigungsrechtliche Probleme beim Betriebsinhaberwechsel, 1989, S. 162 ff.; Linck, Die soziale Auswahl bei betriebsbedingter Kündigung, 1990, S. 35, 36; Pietzko, Der Tatbestand des § 613 a BGB, 1988, S. 304 ff.; Tschöpe, Rechtsfolgen eines arbeitnehmerseitigen Widerspruchsrechts beim Betriebsinhaberwechsel, S. 45 bis 48; Wickler, Arbeitgeberkündigung bei Betriebsinhaberwechsel, S. 114 f., 118). Die Stellungnahmen reichen von der Auffassung, der widersprechende Arbeitnehmer könne sich nicht auf § 1 Abs. 3 KSchG berufen, bis zu der Ansicht, die Aufgabe des Arbeitsplatzes beim Übernehmer sei im Rahmen der Sozialauswahl zu Lasten des widersprechenden Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Vielen Kommentierungen ist gemeinsam, daß sie auf die Berechtigung des Widerspruchs gegen die Betriebsübernahme abstellen und deshalb nach den Gründen fragen, warum der Arbeitnehmer dem Betriebs(teil)-Übergang widersprochen hat.

Der Senat ist der Auffassung, daß objektiv vertretbare Gründe für den Widerspruch Berücksichtigung finden müssen (vgl. dazu insbes. die bei Kreitner, aaO, S. 164 genannten Motivationen; Oetker, DZWir 1993, 136, 143, 145 empfiehlt die Prüfung, ob der Arbeitnehmer einen zumutbaren Arbeitsplatz abgelehnt hat und bevorzugt ggf. eine teleologische Reduktion des Gebots der Sozialauswahl). Derartige objektivierbare Gründe sind von den Vorinstanzen - von ihrem Standpunkt eines fehlenden Widerspruchsrechts aus zu Recht - bislang nicht zum Gegenstand der Entscheidung gemacht worden. Dem bisherigen Vortrag des Klägers läßt sich insoweit nur entnehmen, er habe die Arbeitsbedingungen beim Übernehmer deshalb als schlechter angesehen, weil dort die Stauereiarbeiten zumindest überwiegend von Hand und ohne maschinelle Hilfe ausgeführt werden müßten. Die Beklagte hat sich dazu bisher nicht erklärt, so daß den Parteien unter Beachtung der §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO ggf. Gelegenheit zu weiterer Stellungnahme zu geben ist. Der Senat kann und will einer Bewertung etwaiger sachlicher und damit erheblicher Gründe, die den Kläger zum Widerspruch gegen den Betriebsübergang auf die C T . bewogen haben könnten, nicht vorgreifen.

Hillebrecht Bitter Kremhelmer

Schulze Dr. Roeckl

 

Fundstellen

Haufe-Index 437929

DB 1993, 1877-1879 (LT1-2)

DStR 1993, 1755 (T)

NJW 1993, 3156-3159 (LT12)

AiB 1994, 55-56 (LT1-2)

BetrR 1993, 146-147 (ST1,LT2)

BetrVG, (40) (LT1-2)

DWiR 1994, 112-115 (LT)

EWiR 1993, 759 (L)

NZA 1993, 795-798 (LT1-2)

RzK, I 5e Nr 19 (LT1-2)

ZAP, EN-Nr 823/93 (S)

ZIP 1993, 1176-1179 (LT)

ZTR 1993, 472-473 (LT1-2)

AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl (LT1-2), Nr 22

AR-Blattei, ES 1020.1.2 Nr 1 (LT1-2)

AuA 1994, 91 (LT1)

EuZW 1993, 609-612 (LT1-2)

EzA § 1 KSchG Soziale Auswahl, Nr 30 (LT1-2)

EzBAT § 53 BAT Betriebsbedingte Kündigung, Nr 14 (LT1-2)

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