Leitsatz

Der Beschluss vom 22.12.2011, III R 32/05 (BFHE 236, 131) über das Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH wird aufgehoben.

 

Normenkette

Art. 267 AEUV

 

Sachverhalt

Der Kläger und seine Ehefrau sind in der Schweiz (Kanton Thurgau) nicht selbstständig tätig, wohnen aber zusammen mit den beiden Töchtern in Deutschland. Der Kläger bezog in Deutschland Kindergeld. Nachdem die Familienkasse erfahren hatte, dass der Kläger eine Kinder- bzw. Ausbildungszulage von monatlich 190 SFR für jede Tochter nach dem Recht des Kantons Thurgau bezog, hob sie die Festsetzung ab Juni 2002 auf. Sie war der Ansicht, aufgrund der VO (EWG) 1408/71, die ab Juni 2002 auch im Verhältnis zur Schweiz anzuwenden sei, bestehe für den Kläger nur im Beschäftigungsland Anspruch auf Kindergeld.

Einspruch und Klage, mit denen der Kläger Differenzkindergeld begehrte, hatten keinen Erfolg. Das anschließende Revisionsverfahren wurde zunächst bis zur Entscheidung des BVerfG über die Ver­fassungsbeschwerden und sodann wegen des Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH ausgesetzt.

Die Familienkasse hat währenddessen abgeholfen, und die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die vorhergehende Entscheidung des FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.2005, 2 K 365/04, Haufe-Index 1418668, EFG 2005, 1785) ist daher gegenstandslos geworden.

 

Entscheidung

Der BFH hob seinen Beschluss aus Gründen der Rechtsklarheit auf.

 

Hinweis

1. Nachdem der Rechtsstreit zunächst im Hinblick auf eine (erfolglose) Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil vom 24.3.2006, III R 41/05 (BFH/NV 2006, 1554, BFH/PR 2006, 357) ausgesetzt worden war, hatte der BFH den EuGH angerufen. Der BFH hegte Zweifel, ob Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 lit. a der VO Nr. 1408/71 der Gewährung von (Differenz-)Kindergeld durch Deutschland als Wohnmitgliedstaat entgegensteht, wenn der Kindergeldberechtigte und der andere Elternteil in der Schweiz als Grenzgänger einer nicht selbstständigen Beschäftigung nachgehen und dort Familienleistungen für die im Wohnmitgliedstaat lebenden Kinder beziehen, die geringer sind als das im Wohnmitgliedstaat vorgesehene Kindergeld.

2. Die Zweifel des BFH an der zutreffenden Auslegung der mit Wirkung vom 1.5.2010 durch die VO Nr. 883/2004 abgelösten VO Nr. 1408/71 beruhten auf den EuGH-Urteilen vom 20.5.2008 (C-352/06, EuGHE 2008, I-3827 "Bosmann") und vom 14.10.2010 (C-16/09, ZESAR 2011, 86 "Schwemmer"). Die Familienkassen haben nach den die Kindergeldansprüche von aus Polen entsandten und Saisonarbeitnehmern betreffenden EuGH-Urteilen vom 12.6.2012, C-611/10 und C-612/10 in zahlreichen Fällen, in denen die Anwendung der Antikumulierungsregeln im Streit stand, abgeholfen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 28.1.2013 – III R 32/05

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