Leitsatz

Die nach Eintritt der Bestandskraft des deutschen Schenkungsteuerbescheids erfolgte Zahlung einer nach § 21 Abs. 1 ErbStG anrechenbaren ausländischen Steuer stellt ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar.

 

Normenkette

§ 21 ErbStG, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO

 

Sachverhalt

Die Mutter des Klägers wandte diesem am 02.05. und 31.10.1994 jeweils einen Geldbetrag zu. Ihr Wohnsitz befand sich zum Zeitpunkt der Zuwendungen im Kanton Tessin (Schweiz). Der Kläger war Inländer i.S.d. § 2 Abs. 1 des ErbStG. Nachdem der Kläger die Zuwendung dem FA gegenüber erklärt hatte, setzte das FA Schenkungsteuer fest. Es berücksichtigte dabei mehrere Vorschenkungen.

Die Finanzbehörde des Kantons Tessin setzte ebenfalls Schenkungsteuer für die Zuwendungen fest. Der Kläger zahlte diese Schenkungsteuer und beantragte beim FA, sie auf die deutsche Schenkungsteuer anzurechnen. Das FA lehnte dies ab, da die Festsetzung und Zahlung der tessinischen Schenkungsteuer den Tatbestand einer Korrekturnorm der AO nicht erfülle. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das FG (FG Niedersachsen, Urteil vom 26.08.2009, 3 K 62/07, Haufe-Index 2255853, EFG 2010, 196) gab der Klage statt. Es war der Ansicht, die Bescheide seien gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern, denn es handele sich bei der Festsetzung und Zahlung der tessinischen Schenkungsteuer um ein rückwirkendes Ereignis. Der gesetzlichen Regelung über die Anrechnung ausländischer Schenkungsteuer könne nur dann in vollem Umfang Rechnung getragen werden, wenn erst nach der Steuerfestsetzung eintretende Voraussetzungen für die Anrechnung als rückwirkendes Ereignis verstanden würden.

 

Entscheidung

Das sah im Ergebnis der BFH auch so und wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Nach § 21 Abs. 1 S. 1 ErbStG ist bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden ausländischen Steuer herangezogen werden, in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und, sofern nicht die Vorschriften eines DBA anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erkennbar erfüllt.

2. Die spannende Frage ging deshalb dahin, ob die zuerst ergangenen deutschen Schenkungsteuerbescheide nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern waren, also ob es sich bei der Zahlung der festgesetzten tessinischen Schenkungsteuer um ein rückwirkendes Ereignis handelte. Dies bejaht jetzt zu Recht der BFH, weil nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers die Zahlung festgesetzter ausländischer Steuer Wirkung für die Vergangenheit zukommen soll. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 21 ErbStG, jedoch folgt dies aus dem materiell-rechtlichen Regelungsgehalt des § 21 ErbStG.

a) § 21 ErbStG hat gerade den Zweck, Überschneidungen im internationalen Besteuerungsbereich möglichst zu vermeiden und eine doppelte steuerliche Belastung von Erwerbern mit inländischer und ausländischer Steuer qua Anrechnung zu beseitigen bzw. zu mildern. Diese Anrechnung kann technisch nur im Rahmen des Festsetzungsverfahrens stattfinden, was wiederum bedeutet, dass die Annahme eines insoweit vorliegenden rückwirkenden Ereignisses Bedingung für die Berücksichtigung der ausländischen Steuer ist. Würde man dies anders sehen, so könnte der Zweck des § 21 ErbStG nicht erreicht werden, denn eine ausländische Steuer kann "denk­logisch erst nach dem Tod des Erblassers festgesetzt und gezahlt worden sein" und "muss die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer auf den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer im Moment des Todes des Erblassers zurückwirken".
b) Diese Interpretation entspricht der Handhabung der Steueranrechnung nach § 34c EStG und es ist nicht erkennbar, weshalb die Zahlung festgesetzter ausländischer Steuer nach dem ErbStG hiervon abweichen sollte.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.09.2010 – II R 54/09

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