Leitsatz

Der Schenker, gegen den Schenkungsteuer festgesetzt wurde, kann den gegen den Bedachten ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Werts des zugewendeten Grundstücks anfechten, obwohl der Bescheid dem Schenker gegenüber keine bindende Wirkung entfaltet.

 

Normenkette

Art. 19 Abs. 4 GG, § 151, § 154, § 155 BewG vor 2009, § 122, § 124, § 179, § 350 AO, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin schenkte ihrer Tochter (T) ein Grundstück und erklärte in dem Vertrag, eine etwaige Schenkungsteuer zu tragen. Nachdem T beim FA eine Erklärung zur Feststellung des Grundstückswerts eingereicht hatte, stellte das FA ihr gegenüber durch Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung den Grundstückswert und durch weiteren Bescheid gegenüber der Klägerin Schenkungsteuer auf der Grundlage des festgestellten Grundstückswerts fest. Die Klägerin legte Einspruch gegen den Schenkungsteuerbescheid und ferner den Feststellungsbescheid ein. Das FA verwarf den Einspruch gegen den Feststellungsbescheid als unzulässig, weil die Klägerin mangels Beteiligung am Feststellungsverfahren nicht gem. § 155 S. 1 BewG rechtsbehelfsbefugt sei.

Das FG gab der auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung gerichteten Klage statt (FG Bremen, Urteil vom 05.08.2010, 1 K 116/09 (5), Haufe-Index 2377050, EFG 2010,1773).

 

Entscheidung

Der BFH folgte dem FG aus den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Gründen, weil die Klägerin (Schenkerin) als Steuerschuldnerin in Anspruch genommen werden könnte und daher die Rechtsstellung einer Beteiligten i.S.d. § 154 Abs. 1 Nr. 1, § 155 S. 1 BewG hatte.

 

Hinweis

1. Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen aufgrund §§ 151 ff. BewG verfahrensrechtlich verselbstständigt und von der Steuerfestsetzung getrennt. Der Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) und erwächst als selbstständiger Verwaltungsakt eigenständig in Bestandskraft.

2. § 155 BewG trifft eine gegenüber § 350 AOeigenständige Regelung, wer zur Einlegung von Rechtsbehelfen gegen Feststellungsbescheide befugt ist. Die Vorschrift schränkt aber nicht die für die Einspruchsbefugnis geltende allgemeine Regelung des § 350 AO ein, sondern erweitert sie. So sind z.B. als Beteiligte des Feststellungsverfahrens (§ 154 Abs. 1 Nr. 2 BewG) auch diejenigen – unabhängig von einer Beschwer durch den Feststellungsbescheid – rechtsbehelfsbefugt, die das FA zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert hat.

3. Fraglich ist allerdings die Rechtsbehelfsbefugnis dann, wenn – wie im Streitfall – ein Schenker weder Adressat des Feststellungsbescheids ist noch vom FA zur Abgabe einer Feststellungserklärung aufgefordert wurde. Die Rechtsbehelfsbefugnis hängt hier entscheidend davon ab, ob diesem Schenker der Gegenstand der Feststellung "zuzurechnen" (§ 154 Abs. 1 Nr. 1 BewG) und er demgemäß als Beteiligter gem. § 155 S. 1 BewG Beteiligter ist. Diese Zurechnung entscheidet sich nicht nach den Grundsätzen des § 39 AO, sondern allein nach den Auswirkungen des Feststellungsbescheids auf die Besteuerung, sodass alle in Betracht kommenden Steuerpflichtigen i.S.d. § 154 Abs. 1 Nr. 1 BewG am Feststellungsverfahren beteiligt sind. Da bei einer Schenkung sowohl der Schenker als auch der Erwerber Steuerschuldner ist (§ 20 Abs. 1 ErbStG), steht auch beiden die Rechtsbehelfsbefugnis zu. Dies folgt auch aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, die eine Vereitelung oder unzumutbare Erschwerung des gerichtlichen Rechtsschutzes untersagt.

4. Ein Feststellungsbescheid nach § 151 BewG muss auch allen in Betracht kommenden Steuerschuldnern bekannt gemacht werden. Allerdings setzt die Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber dem Erwerber nicht voraus, dass der Feststellungsbescheid auch dem Schenker bekannt gemacht wurde. Ist die Bekanntgabe gegenüber dem Schenker unterblieben, kann dieser den Feststellungsbescheid grundsätzlich ohne zeitliche Begrenzung anfechten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 06.07.2011 – II R 44/10

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