Leitsatz

Eine Änderung eines Steuerbescheides wegen einer widerstreitenden Steuerfestsetzung kommt auch bei einem Steuerbescheid einer ausländischen Finanzverwaltung in Betracht.

 

Sachverhalt

Der Kläger war zu 1/10 Erbe nach seiner Schwester, die Schweizer Staatsbürgerin war und in der Schweiz über erhebliches Vermögen, insbesondere auch Grundvermögen in der Schweiz verfügte. Nach dem Tod der Schwester setzte die deutsche Finanzverwaltung gegen den Kläger eine Erbschaftsteuer von 60.000 EUR fest. Hierbei wurde ein Grundvermögen von 212.000 EUR einbezogen. Die Schweizer Finanzverwaltung hatte ihrerseits eine Steuer von 6.000 CHF gegen den Kläger festgesetzt. Der Bescheid der deutschen Finanzverwaltung wurde bestandskräftig. Als die Steuerfestsetzung gegen einen anderen Miterben geändert wurde, da dieser zu Recht darauf hingewiesen hatte, dass nach dem DBA zur Erbschaftsteuer in der Schweiz belegenes Grundvermögen in Deutschland steuerfrei unter Progressionsvorbehalt sei, wenn der Erblasser Schweizer Staatsbürger sei, beantragte der Kläger die Änderung der Steuerfestsetzung. Das Finanzamt lehnte die Änderung ab, da keine Änderungsbestimmung der AO eingreife. Hierauf wurde Klage erhoben.

 

Entscheidung

Die zulässige Klage hatte als Verpflichtungsklage Erfolg. Zwar seien hier weder § 173 AO noch § 174 Abs. 4 AO einschlägig, die Finanzverwaltung sei aber nach § 174 Abs. 1 AO verpflichtet, die Steuerfestsetzung zu ändern. Unstreitig liege hier eine Doppelberücksichtigung des Erwerbes des Grundvermögens in der Schweiz zu Ungunsten des Klägers vor. Diese Doppelberücksichtigung könne auch durch einen ausländischen Steuerverwaltungsakt begründet werden. Hierbei sei es unerheblich, dass dieser im Urteilsfall durch eine Schweizer Behörde und damit nicht durch die Behörde eines EU/EWR-Landes erlassen worden sei. Betroffen sei nämlich die Kapitalverkehrsfreiheit, und diese gelte auch gegenüber Drittstaaten.

 

Hinweis

Dieses sehr interessante Urteil schreibt die Grundsätze fort, die der BFH in seiner Entscheidung vom 09.05.2012 aufgestellt hat (Az. I R 73/10, BStBl. II 2013, 566). In diesem Urteil hat der BFH entschieden, dass eine widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 AO auch dann in Betracht komme, wenn ein Steuerbescheid durch eine Finanzverwaltung eines EU/EWR-Staates erlassen worden ist. Diese Entscheidung hat die Finanzverwaltung in den AEAO übernommen (vgl. AEAO zu § 174 AO Nr. 5). Das Finanzgericht Baden-Württemberg ist nun der zutreffenden Ansicht, dass dies auch im Verhältnis zu Drittstaaten gelten müsse, da die Kapitalverkehrsfreiheit betroffen sei. Die Kapitalverkehrsfreiheit gilt aber auch im Verhältnis zu Drittstaaten. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesfinanzhof, der über die Revision zu entscheiden haben wird, dies ebenso sieht und damit den Weg zur Internationalisierung des steuerlichen Verfahrensrechts weiter eröffnet.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2015, 11 K 3775/12

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