Leitsatz

1. Fällt das Ende der Festsetzungsfrist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet sie erst mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags (2. Januar des Folgejahres).

2. Der Antrag auf Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG ist ein Antrag i.S.d. § 171 Abs. 3 AO.

 

Normenkette

§ 25, § 46 Abs. 4 Satz 1, § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7, § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG i.d.F. des JStG 2008, § 56 EStDV, § 47, § 108 Abs. 3, § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 170 Abs. 1, § 171 Abs. 3 AO, § 130 Abs. 1, § 193 BGB, § 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 2 ZPO, § 31 Abs. 3 Satz 1 VwVfG

 

Sachverhalt

K reichte seine Einkommensteuererklärung für 2007 am 2.1.2012, einem Montag, beim FA ein. Das FA lehnte die Durchführung der Antragsveranlagung ab, weil die Steuererklärung erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist am 31.12.2011 eingegangen war. Ks dagegen erhobene Klage blieb erfolglos; der Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG stehe, so das FG, der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen; der 31.12.2011 sei zwar auf einen Sonnabend gefallen, aber § 108 Abs. 3 AO sei auf den Ablauf der Festsetzungsfrist nicht anwendbar, die Steuererklärung für 2007 also nicht fristgemäß eingereicht (Thüringer FG, Urteil vom 17.12.2014, 4 K 402/12, Haufe-Index 8145575).

 

Entscheidung

Der BFH hob auf Ks Revision das Urteil des FG auf und verpflichtete das FA, K für das Jahr 2007 zur Einkommensteuer zu veranlagen.

 

Hinweis

Der Streitfall betrifft eine besondere Form der Einkommensteuerveranlagung, nämlich die der Arbeitnehmer; von den Sonderfällen des § 46 Abs. 2 Nrn. 1–7 EStG abgesehen werden sie nur auf Antrag veranlagt ("Antragsveranlagung"§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 1 EStG), zu beantragen durch Abgabe einer ESt-Erklärung (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG). Hier war streitig, ob dieser Antrag fristgerecht gestellt worden war.

1. Nach einer Vorlage des Lohnsteuersenats an das BVerfG zur Ausschlussfrist der Arbeitnehmerveranlagung wurde § 46 Abs. 2 geändert (dazu: BFH, Beschluss vom 22.5.2006, VI R 49/04, BFH/NV 2006, 1933, BFH-PR 2006, 477). Nun gibt es keine Ausschlussfrist, sondern nur noch die allgemeine Festsetzungsfrist. Fällt, so § 108 Abs. 3 AO, das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, endet die Frist (erst) mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktags. Gilt aber § 108 Abs. 3 AO auch für die Festsetzungsfrist? § 108 AO verweist auf die Fristenberechnung des BGB, erfasst alle Arten von Fristen, ohne zwischen "eigentlichen" Fristen (Handlungsfristen) einerseits und den "uneigentlichen" Fristen zu unterscheiden. Demnach gilt, so jetzt der BFH, § 108 AO auch für die Festsetzungsfrist, die letztlich der Verjährungsfrist, einer "uneigentlichen" Frist entspricht. Der BFH folgte dem FG auch nicht darin, dass der Verlängerung der Festsetzungsfrist § 47 AO entgegensteht; danach leben mit Ablauf der Festsetzungsfrist erloschene Steueransprüche zwar nicht mehr auf. Aber mit der nach § 108 Abs. 3 AO verlängerten (Festsetzungs‐)Frist war der Anspruch eben noch nicht erloschen.

2. K hatte damit zwar innerhalb der Festsetzungsfrist den Antrag auf Durchführung der ESt-Veranlagung gestellt. Aber die Veranlagung war damit noch nicht innerhalb dieser Frist durchgeführt. § 171 Abs. 3 AO regelt jedoch, dass eine Festsetzungsfrist, soweit vor ihrem Ablauf ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung gestellt wird, nicht vor der unanfechtbaren Entscheidung über diesen Antrag abläuft. Einen solchen "Antrag" i.S.d. § 171 Abs. 3 AO hatte K gestellt. Zwar beinhaltet die Abgabe gesetzlich vorgeschriebe­ner Steuererklärungen keinen solchen Antrag (dazu: BFH, Urteil vom 28.8.2014, V R 8/14, BFH/NV 2014, 1926, BFH/PR 2015, 30). Dies gilt aber nicht für die Antragsveranlagung; denn außerhalb des § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 7 EStG (Pflicht-/Amtsveranlagung) wäre das FA an der Veranlagung gehindert und K nicht verpflichtet (§ 25 Abs. 3 EStG i.V.m. § 56 EStDV), sondern nur berechtigt, eine Steuererklärung einzureichen. Mit Übersendung der Einkommensteuererklärung hatte K also auch diesen Antrag "gestellt". Demnach war K zur ESt zu veranlagen. K hatte den Antrag vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim FA eingereicht. Die vierjährige Festsetzungsfrist für die ESt (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), die mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, zu laufen begann (§ 170 Abs. 1 AO), also 2008, endete also nicht schon mit Ablauf des Jahres 2011, sondern – § 108 Abs. 3 AO (!) – erst mit Ablauf des nächsten Werktags, also dem 2.1.2012. Beachten Sie: Diese Fristverlängerung greift am 31.12.2016 schon wieder!

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.1.2016 – VI R 14/15

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