Leitsatz

Erwirbt eine Anlagegesellschaft auf dem US-amerikanischen Zweitmarkt "gebrauchte" Lebensversicherungen, um die Versicherungssummen bei Fälligkeit einzuziehen, ergibt sich ein ausreichendes Indiz für die Qualifikation der Tätigkeit als Gewerbebetrieb weder allein aus dem Anlagevolumen oder dem Umfang der getätigten Rechtsgeschäfte noch aus der Einschaltung eines Vermittlers.

 

Normenkette

§ 15 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Eine nicht gewerblich geprägte Fonds-KG hatte im Jahr ihrer Gründung 2004 auf dem US-amerikanischen Markt über einen Treuhänder ca. 200 Lebensversicherungsverträge von Personen erworben, die ihre Versicherung weder fortführen noch kündigen wollten. Die Verträge ähnelten überwiegend deutschen Kapitallebensversicherungen und hatten Restlaufzeiten zwischen 3 und 13 Jahren. Die KG leistete die weiteren Versicherungsprämien und hatte Anspruch auf die Versicherungsleistungen bei Eintritt des Versicherungsfalls. Weiterverkäufe der Versicherungsverträge waren nicht vorgesehen.

Die KG erklärte für das Jahr 2004 negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, während das FA die Tätigkeit als gewerblich ansah. Gegen die Bescheide über die Feststellung des Gewinns, des Gewerbesteuermessbetrags und des vortragsfähigen Gewerbeverlusts erhob die KG erfolglos Einspruch.

Die Klage hatte jedoch Erfolg (FG München, Urteil vom 29.6.2010, 1 K 2663/07, Haufe-Index 2387184, EFG 2010, 1883).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Der Bereich privater Vermögensverwaltung sei nicht überschritten, denn die KG habe weder mit Versicherungsverträgen gehandelt noch Dienstleistungen im Zusammenhang mit den Verträgen erbracht. Insbesondere sei die Tätigkeit der KG nicht mit der eines unechten Factors vergleichbar. Die Einschaltung eines Dienstleisters bei Erwerb der Versicherungen sei unschädlich.

 

Hinweis

1. Dass man "gebrauchte" Lebensversicherungen erwerben und dann bei Tod des Versicherten die Versicherungsleistung vereinnahmen kann, eröffnet für Kapitalanleger interessante Modelle. Aus Anlegersicht kann für die Investition neben einem günstigen Preis für den Erwerb der Ansprüche auch eine günstige Besteuerung der Leistungen aus der Lebensversicherung sprechen. Der Anleger sieht seine Investition jedenfalls als vergleichbar mit einer sonstigen Kapitalanlage an.

2. Die Finanzverwaltung steht bislang auf dem Standpunkt, das Investment in "gebrauchte" Lebensversicherungen sei Gewerbebetrieb. Eine schlüssige Begründung dafür ist allerdings nicht ersichtlich, wenn Versicherungsverträge nur gekauft und dann bis zur Fälligkeit oder zum Eintritt des Versicherungsfalls gehalten werden.

Die Voraussetzungen des Gewerbebetriebs sind nur erfüllt, wenn neben den in§ 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ausdrücklich genannten Tatbestandsmerkmalen auch das ungeschriebene Merkmal "Überschreiten privater Vermögensverwaltung" erfüllt ist. Mit diesem Kriterium werden Anlagen, die auf Umschlag der Vermögenssubstanz unter Ausnutzung von Wertsteigerungen gerichtet sind, den gewerblichen Einkünften zugeordnet. Anlagen, die auf Erzielung laufender Einnahmen aus der Substanz ohne deren Verwertung gerichtet sind, führen demgegenüber zu Einkünften aus Vermögensverwaltung.

Wenn ein Lebensversicherungsvertrag gekauft und dann nur auf die Auszahlung der Versicherungsleistungen gewartet wird, liegt nach Meinung des BFH und der ganz h.M. kein Umschlag der Vermögenssubstanz, sondern Fruchtziehung vor. Deshalb handelt es sich nicht um einen Gewerbebetrieb.

3. Ein weiteres Argument der Finanzverwaltung für die Einordnung als Gewerbebetrieb hat den BFH ebenfalls nicht überzeugt. Die Verwaltung will einen Vergleich mit unechtem Factoring ziehen. Dort zieht der Factor eine Forderung für Rechnung seines Kunden ein, übernimmt aber nicht das Ausfallrisiko. Solches unechtes Factoring besteht danach in einer Dienstleistung für den Forderungsinhaber, während im Fall des eigenen Erwerbs von Lebensversicherungen keine Dienste gegenüber Dritten geleistet werden.

4 Für die Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung kann es keine Bedeutung haben, dass Dienstleistungen beim Erwerb der Lebensversicherungen in Anspruch genommen werden. Dienstleistungen nimmt etwa auch der Bankkunde oder Auftraggeber eines Maklers in Anspruch. Solche Dienstleistungen fallen auch im Rahmen vermögensverwaltender Einkünfte an.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.10.2012 – IV R 32/10

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