Leitsatz

Eine Abfindungszahlung, die der Erbe an den weichenden Erbprätendenten zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung entrichtet, ist als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.

 

Normenkette

§§ 3, 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG

 

Sachverhalt

In einem notariellen und amtlich verwahrten Testament von 2007 hatte die Erblasserin E die Klägerin als Erbin eingesetzt. Dagegen legte der Finanzberater der E eine handschriftlich verfasste Urkunde von 2010 vor, welche ihn als Alleinerben der E auswies. Der Rechtsstreit um die Erbenstellung endete mit einem Vergleich: Gegen Zahlung von 80.000 EUR verpflichtete sich der Finanzberater, keine Einwendungen gegen die Erbenstellung (und den Erbscheins­antrag) der Klägerin mehr zu erheben.

Das FA war daraufhin der Meinung, die Zahlung an den Erbprätendenten sei analog den Gründen im BFH-Urteil vom 4.5.2011 nicht als Verbindlichkeit abzugsfähig, da sie nicht mit dem Nachlasserwerb ­in direktem Zusammenhang stehe. Die Vorinstanz (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.2.2015, 11 K 754/13, Haufe-Index 7693518, EFG 2015, 825) gab der Klage nach erfolglosem Vorverfahren mit der Begründung statt, die Klägerin habe die Abfindungszahlung ausschließlich zur Erlangung des Erwerbs geleistet.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Rechtsauffassung des FG bestätigt.

Der Begriff der Erwerbskosten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG sei ebenso wie der Begriff der Nachlassregelungskosten grundsätzlich weit auszulegen. Ausreichend für die Abzugsfähigkeit von Kosten sei bei einem Entstehen nach dem Erbfall, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliege.

Zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehenden Kosten gehörten daher auch Abfindungszahlungen des Erben an den weichenden Erbprätendenten, die der Erbe entrichte, damit seine (Allein)Erbenstellung nicht mehr bestritten wird.

Der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als Erwerbskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG stehe nicht entgegen, dass der Erwerb durch Erbanfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB ohnehin kraft Gesetzes eintrete. Die Abfindung, die zur Beendigung eines gerichtlichen Rechtsstreits wegen Klärung der Erbenstellung geleistet werde, diene dem Zahlenden unmittelbar dazu, die Erbenstellung endgültig und damit zugleich den Erwerb als Erbe zu erlangen.

Aus dem Urteil des Senats vom 4.5.2011 folge entgegen der Ansicht des FA keine andere Beurteilung. Aus dieser Entscheidung ergebe sich nicht, dass die Abfindungszahlung des Erben an den weichenden Erbprätendenten nicht als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden könne. Ein Grundsatz der korrespondierenden Steuerbarkeit finde sich in diesem Zusammenhang im Gesetz nicht.

 

Hinweis

Der BFH hatte in dem Urteil vom 4.5.2011 (II R 34/09, BFH/NV 2011, 1431) über die Steuerbarkeit einer Abfindungszahlung an einen weichenden Erbprätendenten entschieden und dabei ausgeführt, der Erwerb i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG durch Erbanfall sei allein der durch Erbfolge eingetretene (dingliche) Vermögenszuwachs. Der Erwerb "aufgrund" eines Erbfalles werde durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStGnicht erfasst. Danach sei die Abfindung, die der Erbprätendent aufgrund eines mit dem Erben geschlossenen Vergleichs zur Beendigung des Rechtsstreits erhalten habe, kein Erwerb von Todes wegen. Der Erbprätendent habe die Abfindung nicht durch Erbanfall i.S.d. § 1922 BGB erworben.

Eine analoge Anwendung des § 3 ErbStG auf Abfindungen, die aufgrund eines Vergleichs für den Verzicht auf die Geltendmachung eines streitigen erbrechtlichen Anspruchs gewährt werden, scheide aus. Der gesetzliche Tatbestand sei nicht lückenhaft. Andere als die in § 3 ErbStG im Einzelnen genannten Erwerbe sollten nicht als Erwerb von Todes wegen erfasst werden.

Es war nur eine Frage der Zeit, wann der umgekehrte Fall nach München kommen würde, nämlich die Frage nach der Abziehbarkeit der Zahlung an den Erbprätendenten als sonstige Nachlassverbindlichkeit beim Erben. Diese ist jetzt entschieden: Die Zahlung ist abziehbar.

1. Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs entstehen, können nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG vom Erwerb von Todes wegen abgezogen werden. Zu den unmittelbar im Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs stehenden Kosten können auch Abfindungszahlungen gehören.

Der BFH hatte bereits judiziert, dass eine Abfindungszahlung des Vorerben an den Nacherben für den Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu den Verbindlichkeiten gehört, die bei der Ermittlung des Vermögensanfalls aufgrund des Eintritts der Vorerbfolge abzuziehen sind (BFH, Urteil vom 18.3.1981, II R 89/79, BFHE 133, 79, BStBl II 1981, 473). Daher ist es folgerichtig, auch die Belastung zu berücksichtigen, die mit einer Abfindungszahlung an den weichenden Erbprätendenten entsteht.

2. Das Argument, der Erbe erlange seine Rechtsstellung ohnehin durch Gesetz, verfängt nicht, weil im Erbprätendentenstreit...

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