Leitsatz

1. Die Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen nach § 16 BewG ist auch nach Inkrafttreten des ErbStRG anwendbar, wenn der Nutzungswert bei der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer vom gesondert festgestellten Grundbesitzwert abgezogen wird.

2. § 16 BewG ist nicht anzuwenden, wenn der Nutzungswert bei der Ermittlung des niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks abgezogen wird.

 

Normenkette

§ 16, § 198 BewG, § 12 Abs. 1 ErbStG

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt durch Vertrag vom 21.12.2010 ­unentgeltlich das Eigentum an dem Einfamilienhaus übertragen, an dem ihm ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht zugestanden hatte. Als Verkehrswerte des Grundstücks und des Wohnrechts wurden in dem Vertrag auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens 60.000 EUR und 43.000 EUR (Jahreswert des Wohnrechts 4.744 EUR) angegeben. Das FA setzte die Schenkungsteuer gegen den Kläger auf der Grundlage des bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwerts von 53.874 EUR unter Berücksichtigung des gem. § 16 BewG mit 23.000 EUR ermittelten Kapitalwerts des Wohnrechts fest. Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.9.2012, 3 K 194/12, Haufe-Index 3500027, EFG 2012, 2305). § 16 BewG sei in verfassungskonformer Weise einschränkend dahin gehend auszulegen, dass die Verweisung auf den nach den Vorschriften des BewG anzusetzenden Wert nur die bereits vor Inkrafttreten des ErbStRG anzuwendenden Vorschriften des BewG betreffe. Würde der Wert von Nutzungsrechten nicht bereits beim Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundbesitzes nach § 198 BewG abgezogen, müsse aus Gründen der Gleichbehandlung der gemeine Wert des Nutzungsrechts bei der Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer von dem gesondert festgestellten Grundbesitzwert abgezogen werden.

 

Entscheidung

Der BFH ist dem, wie in den Praxis-Gründen erläutert, nicht gefolgt und hat die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

Bedarf es für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer der Bewertung wiederkehrender Nutzungen (so z.B. bei der Übertragung eines Grundstücks unter Vorbehalt eines Nießbrauchs oder Wohnrechts), ist bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen gem. § 12 Abs. 1 ErbStG grundsätzlich die Höchstwertbegrenzung des § 16 BewG anzuwenden. Danach kann der Jahreswert dieser Nutzungen höchstens den Wert des Wirtschaftsguts (Grundstück), geteilt durch 18,6, betragen. Der BFH hatte nun zu entscheiden, ob diese Regelung unverändert auch angewendet werden kann, nachdem sich die Bewertung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ab 1.1.2009 generell am gemeinen Wert (Verkehrswert) orientiert. Dies hat der BFH bejaht.

1. Bei der Bewertung der auf einem Objekt lastenden Nutzungsrechte ist im Grundsätzlichen zu beachten: Die gesonderte Bewertung und ein bereicherungsmindernder Abzug der Belastung nach § 10 Abs. 5 ErbStG ist nur möglich, wenn sich der Wert dieser Nutzungsrechte nicht bereits bei der Ermittlung des gemeinen Werts des Grundbesitzes ausgewirkt hat (§ 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG). Der Abzug ist bei der Grundbesitzbewertung nach §§ 179, 182 ff. BewG deshalb möglich, weil hier die Belastung mit einem Nießbrauchs- oder Wohnrecht unberücksichtigt bleibt. Wird hingegen der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts (§ 198 BewG) geführt, können bei dieser Bewertung auch die auf dem Objekt lastenden Nutzungsrechte (ohne Anwendung des § 16 BewG)abgezogen werden; ein (weiterer) Abzug der Belastung ist damit allerdings ausgeschlossen (§ 10 Abs. 6 Satz 6 ErbStG).

2.Seinem Normzweck nach stellt § 16 BewG sicher, dass der Kapitalwert der Nutzungen eines Wirtschaftsguts nicht höher sein kann als der nach den Vorschriften des BewG anzusetzende Wert des Wirtschaftsguts selbst. Diese Zielsetzung überzeugte in Zeiten der wirklichkeitsfernen Einheitsbewertung des Grundbesitzes. Fraglich geworden ist die weitere Anwendbarkeit der Vorschrift infolge der seit dem 1.1.2009 verkehrswertorientierten Bewertung und dem ab diesem Zeitpunkt nach § 198 BewG möglichen Nachweis eines geringeren gemeinen Werts.

3.Der BFH hat entschieden, dass § 16 BewG auch auf Steuerfälle nach dem 1.1.2009 uneingeschränkt weiter anwendbar bleibt. Ganz abgesehen davon, dass der Gesetzgeber mit dem ErbStRG ersichtlich die uneingeschränkte Weitergeltung des § 16 BewG in seinen Willen aufgenommen hat, ist nach der Gesetzeslage eine Kombination einerseits der ­Bedarfswertfeststellung nach §§ 179, 182 ff. BewG (ohne Abzug des Nutzungsrechts) und andererseits des Nachweises des niedrigeren gemeinen Grundstückswerts (mit Abzug des Nutzungsrechts mit seinem gemeinen Wert) weder möglich noch verfassungsgeboten.

4.In der Praxis muss daher in jedem Einzelfall entschieden werden, welches der beiden Ver­fahren der Wertermittlung bei nutzungsbelaste­ten Wirtschaftsgütern zu günstigeren Ergebnissen führt. Soll der Nachweis eines geringeren gemeinen Werts geführt werden, sind die vom Steuerpflichtigen für diesen Nachweis zu tragenden ­Kosten zu berücksichtigen. Beim Abzug d...

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