Rz. 26

Nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG sind der Gegenleistung die Leistungen hinzuzurechnen, die der Erwerber des Grundstücks anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie auf den Erwerb des Grundstücks verzichten. Die kausale Verknüpfung derartiger Leistungen des Erwerbers an Dritte mit der Erlangung des Eigentums am Grundstück rechtfertigt eine Hinzurechnung dieser Leistungen zur Gegenleistung. Die Vorschrift gilt für alle Fälle des Grundstückserwerbs (z. B. auch für Erwerbe im Rahmen der Zwangsversteigerung).

Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist die Hinzurechnung entsprechender Leistungen des Erwerbers auf den Fall beschränkt, dass der Dritte durch diese Leistungen veranlasst wird, selbst auf den Erwerb des Grundstück zu verzichten (vgl. BFH v. 25.6.2003, II R 39/01, BStBl II 2004, 246). Eine weitergehende Auslegung der Vorschrift zum Nachteil des Steuerpflichtigen ist insoweit unzulässig (vgl. BFH v. 22.4.1964, II 47/62 U, BStBl III 1964, 368).

Unter einem Verzicht i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ist nicht nur ein Verzicht i. S. v. § 517 BGB zu verstehen. Vielmehr fällt unter diesen Begriff allgemein das bloße Absehen von einem Erwerb (vgl. BFH v. 11.6.2008, II R 57/06, BFH/NV 2008, 2059).

 

Rz. 26a

Die Anwendung von § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG setzt voraus, dass der Dritte, der die Leistung des Erwerber empfängt, tatsächlich auch in der Lage und willens ist, das Eigentum am Grundstück anstelle des Erwerbers zu erlangen. Nicht ausreichend ist, wenn der Dritte den Grundstückserwerb durch den Erwerber lediglich rechtlich oder wirtschaftlich vereiteln oder erschweren kann. Außerdem muss die Leistung des Erwerbers darauf gerichtet sein, den Dritten zum Verzicht auf den Erwerb des Grundstücks zu bewegen (vgl. BFH v. 22.4.1964, II 47/62 U, BStBl III 1964, 368, und BFH v. 25.6.2003, II R 39/01, BStBl II 2004, 246). Hat die Leistung des Erwerbers an den Dritten einen anderen Grund oder wird damit etwas anderes bezweckt, kommt eine Hinzurechnung nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht in Betracht.

 
Praxis-Beispiel

A will von B ein Grundstück erwerben. Damit der Kaufvertrag tatsächlich zustande kommt, zahlt A dem Grundstücksmakler von B ohne dessen Wissen und ohne Rechtsgrund eine (weitere) Vergütung i. H. v. 5.000 EUR.

Eine Hinzurechnung der Vergütung des A an den Makler zur Gegenleistung nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG scheidet aus.

Kein Anwendungsfall des § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG liegt auch vor, wenn die vom Erwerber an den Dritten erbrachte oder zu erbringende Leistung auf einer vom Erwerber gegenüber dem Veräußerer im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter (§§ 328ff. BGB) eingegangenen Verpflichtung beruht. Solche Leistungen des Erwerbers unterliegen bereits nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.

 

Rz. 26b

Wird im Zusammenhang mit der Abtretung eines Kaufangebots i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG vom Abtretungsempfänger ein Betrag an den Abtretenden für dessen Verzicht auf einen eigenen Erwerb gezahlt, ist dieser Betrag nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG dem Grundstückskaufpreis hinzuzurechnen (BFH v. 11.6.2008, II R 57/06, BFH/NV 2008, 2059).

Stellt sich die Zahlung des Käufers an einen Dritten für die Zustimmung zur Löschung einer diesen Dritten begünstigenden Rückauflassungsvormerkung als Zahlung für den schuldrechtlichen Verzicht auf den Grundstückserwerb dar, gehört dieser Betrag nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zur Gegenleistung, bei Zahlung allein für die Löschungsbewilligung gehört der Betrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG zur Gegenleistung (BFH v. 30. 8.2023, II B 45/22, BFH/NV 2023, 1319 Rn. 14).

Die Grunderwerbsteuer aus § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG entsteht mit der Gewährung der Leistung an den Dritten und nur dann, wenn auch der Erwerbsvorgang zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber verwirklicht ist. Erfolgt die Leistung zeitlich erst nach dem Erwerb des Grundstücks, liegt eine nachträgliche Leistung vor. Für diese Leistung entsteht ein weiterer (gesonderter) Steueranspruch, der wie in den entsprechenden Fällen des § 9 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG im Rahmen eines eigenständigen Steuerbescheids geltend zu machen ist (BFH v. 25.6.2003, II R 39/01, BStBl II 2004, 426).

Zur Steuerschuldnerschaft bei Leistungen i. S. v. § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vgl. § 13 GrEStG Rz. 6.

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