Rz. 4m

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG unterliegen die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt, der Umsatzsteuer. Zwar fällt unter diese Vorschrift unter den dort genannten Voraussetzungen grundsätzlich auch die Veräußerung eines Grundstücks. Diese Grundstücksveräußerung ist jedoch als ein unter das GrEStG fallender Umsatz nach § 4 Nr. 9a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k sowie auf Art. 371 i. V. m. Anhang X Teil B Nr. 9 der Richtlinie des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG. Danach besteht für die Mitgliedstaaten die Befugnis, die Lieferung von Gebäuden und Gebäudeteilen von der Umsatzsteuer zu befreien. Unter Einhaltung der o. a. Voraussetzungen führt der Verkauf eines Grundstücks daher – trotz der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte bei der Grunderwerbsteuer (obligatorisches Verpflichtungsgeschäft) und der Umsatzsteuer (Erfüllungsgeschäft) – zu einer umsatzsteuerbaren, jedoch nach § 4 Nr. 9a UStG umsatzsteuerfreien Lieferung und damit zur Vermeidung einer Doppelbelastung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer. Allerdings kann der Unternehmer, um in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu gelangen (vgl. § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG), auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9a UStG unter bestimmten Voraussetzungen verzichten (Option, vgl. § 9 UStG). Ausgenommen von der Optionsmöglichkeit ist vor allem die gem. § 1 Abs. 1a UStG nicht umsatzsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (vgl. Gottwald, UVR 2004, 366). Der Verzicht auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG führt im Ergebnis zu einer Doppelbelastung desselben wirtschaftlichen Vorgangs mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer.

Eine (teilweise) Doppelbelastung desselben wirtschaftlichen Vorgangs tritt auch ein, wenn der Leistende, der Leistungsempfänger und das Leistungsobjekt umsatzsteuerlich und grunderwerbsteuerlich unterschiedlich bestimmt werden. Diese Divergenz wird vor allem beim sogenannten einheitlichen Leistungsgegenstand "bebautes Grundstück" offensichtlich. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zur Grunderwerbsteuer ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei einem objektiv sachlichen Zusammenhang zwischen einem Grundstückskaufvertrag und weiteren, die künftige Bebauung des Grundstücks betreffenden Verträgen mit Dritten das Grundstück in bebautem Zustand. Zur Bemessungsgrundlage gehören insoweit alle Leistungen des Erwerbers, die dieser an Dritte und Grundstücksveräußerer gewährt, um das Eigentum an dem (bebauten) Grundstück zu erwerben. Der Grunderwerbsteuer unterliegen damit in diesen Fällen auch die Baukosten einschließlich der darauf entfallenden Umsatzsteuer. Gleichwohl liegt darin weder eine den Wertungen des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG widersprechende Doppelbelastung (vgl. BFH v. 1.3.2000, II R 37/99, HFR 2000, 732, m. w. N.) noch eine verfassungsrechtlich unzulässige Doppelbesteuerung (BVerfG v. 27.12.1991, 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Die Einbeziehung künftiger Bauleistungen in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage ist auch europarechtskonform (vgl. EuGH v. 27.11.2008, C-156/08), insbesondere auch, weil die deutsche Grunderwerbsteuer nicht den Charakter einer Umsatzsteuer i. S. v. Art. 33 der 6. EG-MwStRL hat (vgl. BFH v. 2.4.2008, II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268). Zur Bemessungsgrundlage beim einheitlichen Leistungsgegenstand "bebautes Grundstück" (einheitliches Vertragswerk) siehe ausführlich Rz. 35ff.

 

Rz. 4n

Nach der bis zum 31.3.2004 geltenden Rechtslage war die infolge der Option des Veräußerers zur Steuerpflicht gem. § 4 Nr. 9a UStG dem Erwerber nach § 14 UStG in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zivilrechtlich Bestandteil des Kaufpreises (BFH v. 4.3.1982, V R 107/79, BStBl II 1982, 309); sie gehörte damit auch zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung (BFH v. 18.10.1972, II R 124/69, BStBl II 1973, 126, und BFH v. 13.2.1998, II B 69/97, BFH/NV 1998, 1256). Teil der Gegenleistung war danach auch die bei einer umsatzsteuerfreien Grundstücksveräußerung eintretende Vorsteuerbelastung des Veräußerers, die im Kaufpreis ihren Niederschlag gefunden hat (BFH v. 29.8.2005, II B 157/04, BFH/NV 2006, 122). Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer war stets in vollem Umfang – ohne Rücksicht darauf, ob sie als Vorsteuer abgezogen werden konnte – Teil der Gegenleistung. Ein niedrigerer Ansatz ihres Werts nach § 12 Abs. 1 S. 1 BewG kam insoweit nicht in Betracht (BFH v. 13.2.1998, II B 69/97, BFH/NV 1998, 1256, u. BFH v. 21.11.2000, II B 45/99, BFH/NV 2001, 642). Die mit dieser steuerrechtlichen Beurteilung einhergehende Doppelbelastung eines Erwerbsvorgangs mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer war sowohl verfassungskonform (BFH v. 18.10.1972, II R 124/69, BStBl II 1973, 126) als auch europarechtskonform, da die deutsche Grunderwerbsteuer insbesondere nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat (vgl. EuGH v. 8.7.1986, Rs. 73/85, UR 86, 297; siehe hierzu aus...

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