Rz. 28

Das herrschende Unternehmen leitet sich nicht aus den §§ 1518 AktG ab, sondern stellt eine eigenständige Begrifflichkeit i. S. d. § 6 a GrEStG dar. Hiernach definiert sich das herrschende Unternehmen i. S. d. § 6 a GrEStG als der oberste Rechtsträger, der die Voraussetzungen des § 6 a S. 4 GrEStG erfüllt und insbesondere Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne ist. Die Unternehmereigenschaft muss dabei während der gesamten Vorbesitzzeit und der Nachbehaltensfrist bestehen. Der oberste Rechtsträger ist demnach derjenige in einer Kette, der als letztes Glied in seiner Person die Mindestbeteiligungshöhe von 95 %, die Unternehmereigenschaft und die Vorbesitzzeit zu den an der Umwandlung beteiligten Gesellschaften erfüllt. Zur Zurechnung der Vorbesitzzeit der KG an Anteilen nach einer Aufspaltung vgl. FG Münster v. 12.1.2023, 8 K 169/21 F, EFG 2023, 576.

Die Frage nach der Unternehmereigenschaft beantwortet sich dabei analog zu § 2 UStG. Die Anteile an der (den) abhängigen Gesellschaft(en) müssen während der gesamten Vorbesitzzeit und der Nachbehaltensfrist dem unternehmerischen Bereich des herrschenden Unternehmens zugeordnet werden können.

Der Begriff des herrschenden Unternehmens ergibt sich in Bezug auf das Herrschaftsverhältnis spiegelbildlich zur Abhängigkeit. Darüber hinaus muss die Abhängigkeit gegenüber einem herrschenden "Unternehmen" bestehen. Das herrschende Unternehmen muss demgegenüber nicht an abhängigen Unternehmen, sondern nur an abhängigen "Gesellschaften" beteiligt sein.

Als herrschende Unternehmen kommen natürliche Personen, Personengesellschaften und juristische Personen in Betracht.

Das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaften kann eine natürliche oder juristische Person oder eine Personengesellschaft sein. Das herrschende Unternehmen muss jetzt nicht mehr Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein. Auch eine Gebietskörperschaft kann das herrschende Unternehmen sein, soweit die Beteiligungen an den abhängigen Gesellschaften einem Betrieb gewerblicher Art zuzuordnen sind. Bei natürlichen Personen dürfen die Anteile an der Gesellschaft nicht im Privatvermögen gehalten werden und das herrschende Unternehmen darf keine reine Holdinggesellschaft sein. Die Grundsätze der Anteilsvereinigung im Organkreis (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG) gelten nicht (Rz. 2.2 des Erlasses v. 1.12.2010).

Privatpersonen, die die Beteiligung im nicht unternehmerischen Bereich halten, scheiden damit als herrschende Unternehmen aus. Ene natürliche Person könne kein herrschendes "Unternehmen" sein, wenn sich die Beteiligung an der abhängigen Gesellschaft im Privatvermögen der natürlichen Person befindet, weil es in einem solchen Fall an der erforderlichen Unternehmereigenschaft fehlt (so die wohl ehemals herrschende Meinung, vgl. Viskorf, in Borutta GrEStG, 1720 Aufl. 2011, § 6 a Rz. 54 und Rz. 57). Mit Urteil v. 22.8.2019 hat der BFH (BFH v. 22.8.2019, II R 50/13, BStBl II 2020, 329) entschieden, § 6a GrEStG gelte für alle Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig seien. Das herrschende Unternehmen müsse nicht Unternehmer i. S. d. § 2 UStG sein. Er hat damit der herrschenden Auffassung in der Literatur eine Absage erteilt. Die Finanzverwaltung folgt in ihrem Erlass v. 22.9.2020 der Linie des BFH.

Einen von FG Münster v. 15.11.2013 abweichenden Rechtsstandpunkt vertrat das Niedersächsische FG v. 9.7.2014, 7 K 135/12, EFG 2015, 1739. Es hat die Auffassung ausdrücklich nicht geteilt, wonach der ausdrücklichen Differenzierung des Gesetzes zwischen "herrschendem Unternehmen" und "abhängiger Gesellschaft" zu entnehmen sei, dass "herrschende Rechtsträger", die keine Unternehmer sind, weil sie die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG nicht erfüllen, von § 6 a GrEStG nicht erfasst würden. § 6a GrEStG erfasst jedoch sämtliche Rechtsträger, die wirtschaftlich tätig sind (BFH v. 18.7.2017, II R 63/14, BStBl II 2020, 337) und ist nicht nur auf Unternehmen beschränkt, die als Unternehmer i. S. des Umsatzsteuergesetzes einzuordnen sind. Die Vorschrift beinhaltet nach diesem Urteil auch keine unzulässige Beihilfe.

Reine Holdinggesellschaften sind nach der Rechtsprechung des EuGH keine Unternehmen. Daher ist es wie im Rahmen der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft zweifelhaft, ob diese als herrschendes Unternehmen i. S. d. § 6 a S. 3 GrEStG in Betracht kommen. Um die in der Gesetzesbegründung angestrebte "gleichmäßige Wirkung der Begünstigung" sicherzustellen, wäre es a priori nicht ausgeschlossen, insoweit auch eine mittelbare unternehmerische Tätigkeit der Holdinggesellschaft über eine Tochtergesellschaft zu akzeptieren.

 

Beispiel 1

Die M-GmbH hält seit mind. 5 Jahren 95 % am Kapital der T-GmbH. Die T-GmbH wiederum hält seit mind. 5 Jahren sowohl 95 % am Kapital der grundbesitzenden E1-GmbH und an dem der E2-GmbH. Die E1-GmbH wird auf die E2-GmbH verschmolzen. An der M-GmbH ist niemand zu mindestens 95 % am Kapital beteiligt.

1. Alternative: M-GmbH ist Unternehmerin i. S. d. UStG.

Herrschendes Unt...

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